Durch die Geschichts- und Märchen-Bücher - besonders solche, denen an einer pauschalen Verunglimpfung der christlichen Kreuzzüge (die sich ja schon im Mittelalter gegen unsere braven muslimischen Mitbürger in spe richteten) gelegen ist - geistert der Mythos von Montsegur, der "letzten Feste der Katharer", die in einem "pervertierten" (da gegen andere Christen gerichteten) Kreuzzug - deren man ja mehrere zu kennen glaubt (über den bekanntesten, den gegen Byzanz von 1204, schreibt Dikigoros an anderer Stelle mehr) - erobert wurde. Das liest sich dann z.B. wie folgt:
"Entlang der Straße von Foix nach Quillan (im Roussillon, Anm. Dikigoros) glänzt die Silhouette des Roc de Montsegur, Symbol des katharischen Holocaust (hört hört - schon wieder jemand, der am Shoa-Business teilhaben will, Anm. Dikigoros). Montsegur wurde 1204 erbaut und war der Sitz der treusten Anhänger des Katharismus. Es wurde bald zu einem bekannten Wallfahrtsort und so auch eine Herausforderung und potentielle Gefahr für die katholische Kirche und die französische Krone. Im Juli 1243 bekann man, den Roc zu belagern. Im Frühjahr des folgenden Jahres fiel die Festung. Den Bewohnern von Montsegur sollte nichts geschehen, doch die Katharer des Dorfes weigerten sich, ihren Glauben zu verraten, und wählten das Martyrium. Am 16. März 1244 stiegen 207 Katharer vom Roc de Motsegur und wurden auf dem Prats des Cramats (Feld der Verbrannten) auf einem Scheiterhaufen verbrannt. Damit waren die Katharer im Südwesten Frankreichs ausgerottet." (Zitat aus der Webseite "Bauwerke in Frankreich" einer südfranzösischen Tourismus-Behörde)
Nun, ein klein wenig anders war das schon - wobei sich Dikigoros wie üblich nicht auf die alberne Erbsenzählerei einlassen will, ob nun ein paar Opfer mehr oder weniger verbrannt wurden (207 ist eine der niedrigeren genannten Zahlen) - es geht ihm um die Sache an sich. Auf dem Roc de Montsegur hatte schon lange eine Burg gestanden, die freilich zu Beginn des 13. Jahrhunderts mehr oder weniger verfallen war. 1204 begann der Wiederaufbau; aber erst nachdem sie 1232 zu einer militärisch fast uneinnehmbar gewordenen Festung ausgebaut worden war, beschlossen die Katharer des Bistums Toulouse, sie zu ihrer Hauptsitz zu machen. Der "Kreuzzug" von 1243/44 kam auch nicht von ungefähr und richtete sich nicht gegen unschuldige, da "friedliebende" Angehörige einer kleinen, harmlosen Sekte, die den Einsatz von Waffengewalt strikt ablehnte: Die Besatzung von Montsegur war selbstverständlich gut bewaffnet und hatte 1242 Avignonet überfallen und ein paar Richter des Inquisitions-Tribunals getötet. (Wogegen ja nichts zu sagen ist - aber man soll doch nicht so tun, als hätten die Katharer sich von Anfang an nicht gewehrt und blind in ihr Schicksal ergeben!) Das war der konkrete Anlaß für den Kreuzzug gewesen - der sich im übrigen nicht allein gegen die Katharer richtete, sondern der politischen Unterwerfung des Roussillon diente, wo es damals Kräfte gab, die versuchten, zwischen Spanien und Frankreich zu lavieren und sich womöglich von beiden unabhängig zu machen. (Es hatte schon 1212 und 1213 Belagerungen gegeben, also bevor das Lateran-Konzil von 1215 erstmals feststellte, daß sich dort "Ketzer" aufhielten. Im übrigen war diese Feststellung 1243 längst überholt, denn 1229 erhielten die Katharer im Vertrag von Meaux-Paris - ganz ähnlich wie später die Hugenotten im Edikt von Nantes - bestimmte freie Plätze und Fluchtburgen zugestanden; eine davon war Montsegur; es hätte also keinerlei Grund gegeben, das letztere etwa deshalb anzugreifen, "weil es Ketzer beherbergte".)
Aber die Katharer waren zwar gut bewaffnet, doch schlecht verproviantiert; und nach zehn Monaten Belagerung war die Festung ausgehungert. Die Kapitulations-Bedingungen waren großzügig: Wer sich zum "wahren Glauben" bekannte, wurde geschont; wer unbedingt Ketzer bleiben wollte, hatte sein Leben verwirkt. (Und man ließ den Belagerten sage und schreibe zwei Wochen Zeit, sich das zu überlegen!) Rund 200 Katharer entschieden sich für letzteres und wurden verbrannt - aber damit waren sie noch längst nicht "ausgerottet". Die Überlebenden flohen vielmehr auf die Burgen Queribus und Puilaurens, die erst viel später von den Franzosen erobert wurden. Montsegur war also nicht "die letzte Feste der Katharer".
Daß Queribus und Puilaurens heute fast vergessen sind (außer vom Tourismus-Ministerium, das ihre Ruinen inzwischen unter Denkmalschutz gestellt hat - ohne damit allerdings Besucher in nennenswerter Zahl anzulocken :-), während Montsegur in aller Munde ist, liegt hauptsächlich an der albernen Theorie, daß es sich dabei um die Burg des Parzival aus dem Epos des Wolfram von Eschenbach gehandelt haben könnte, wo der "heilige Gral" aufbewahrt wurde. Und solange man den nicht gefunden hat (also am Sankt Nimmerleinstag, denn man sucht ja aus unerfindlichen Gründen nach einer Art Pokal aus Edelmetall, statt nach einem simplen Stein :-) wird das wohl so bleiben.
Ach so - wo bleibt der Bezug zum Thema von "Ein' feste Burg ist unser Götze?" Da ist nicht viel, denn die Katharer brachten sich weder gegenseitig um noch machten sie einen letzten, tödlichen Ausfall; sie verschanzten sich halt in einer Burg, wurden belagert und am Ende verbrannt - und zum Mythos. Deshalb reicht es halt auch nur für einen kurzen Anhang.
weiter zum Anhang II: Von Numantia nach Toledo
zurück zu Ein' feste Burg ist unser Götze
heim zu Reisen durch die Vergangenheit