"ÜBER ALLEN GIPFELN IST [UN]RUH"
REISEN ZU "HEILIGEN" BERGEN
EIN KAPITEL AUS DIKIGOROS' WEBSEITE
REISEN DURCH DIE VERGANGENHEIT
GESCHICHTEN AUS DER GESCHICHTE
Auf manche Menschen üben Berge eine unwiderstehliche Faszination aus - auf andere nicht, oder jedenfalls in ganz unterschiedlicher Weise. Frau Dikigoros z.B. teilt mit vielen Menschen des Tourismus-Zeitalters die Auffassung, daß Berge zum Bekraxeln da seien; ihr Mann ist dagegen der Meinung, daß sie von unten am besten wirken - und wieder andere meinen, daß man am besten mit dem Jet über sie hinweg düst... Vielleicht ist diese letzte Sichtweise gar nicht so verkehrt, denn auch die alten Völker verehrten ja vor allem diejenigen Berge, die sie nicht bezwingen konnten - diese Unerreichbarkeit gehörte gerade zum Wesen des "Heiligen", so wie es früher, vor dem Raketen-Zeitalter, die Vorstellung vom "Himmel" gab, wo ein oder mehrere Götter mitsamt ihren Engeln, Heiligen und sonstigen "himmlischen Heerscharen" saßen. (Noch heute tragen die Planeten, die uns bis heute unerreichbar geblieben sind, die Namen römischer Götter, aber das ist eine andere Geschichte.) Die alten Griechen hätten den Olymp ebenso wenig bestiegen wie die alten Japaner den Fuji-san (den Ihr, liebe nicht-japanische Leser, wahrscheinlich nur unter dem - falschen - Namen "Fuji-yama" kennt), die alten Kuduzan (oder andere Malayen) den Berg, der auf Dusun "Aki Nabalu" heißt und auf Bahasa "Gunung Kinabalu", die alten Wedda und Singhalesen den Shrī Padā (den die Briten "Adam's Peak" nennen), die alten Massai den Kilimandscharo, die alten Armenier den Ararat, die alten Georgier den Kasbek, die alten Inder den Anapurna, die alten Inca den Chimboraso, die alten Azteken den "rauchenden Berg [Popocatépetl]", den "Sternenberg [Citlaltépetl]" oder gar die "alte Frau [Ixtaccíhuatl]". Andere taten es doch, aber nur um ihren Gottheiten dort Heiligtümer zu errichten, die längst nicht jeder Sterbliche betreten durfte, wie den Nemrut Dağı, den Shatrunjāy bei Pālītānā, den Wànfódĭng auf dem Emei-shān oder Machu Picchu. Heute, im Zeitalter des Massen-Tourismus, werden solche Tabus nicht mehr respektiert, und die meisten von Dikigoros' Lesern werden zumindest einige dieser "Ziele" längst bereist haben, so daß er ihnen gar nicht viel Neues darüber erzählen könnte, außer vielleicht, daß allenthalben Blechdosen, Flaschen und Pappbecher herum liegen, aber nicht um den Göttern Opfern zu bringen... Diese Berge sind im wahrsten Sinne des Wortes entweiht, und über ihren Gipfeln ist schon lange keine Ruh' mehr, sondern Krach und Durcheinander. "Warum eigentlich nicht?" würde ein Japaner fragen, wenn man ihm das vorhielte, "die Götter des Fuji freuen sich doch bestimmt über fröhlich lärmende Menschen - muß denn immer alles, was mit den Göttern zu tun hat, mit Eurem freudlosen deutschen Bierernst und wohlgeordnet in Zweierreihen abgehen?"
Dazu mag man stehen wie man will - viele selbst ernannte Umweltschützer halten es da ja wie die rot-grünen Parteibonzen mit den Verkehrsmitteln: den anderen wollen sie am liebsten das Autofahren verbieten (wozu gibt es Fahrräder?!), aber sie selber fliegen selbst kürzeste Strecken mit dem Hubschrauber - auf Steuerzahlerkosten, versteht sich. Und in Urlaub nur an solche Orte, die sich der Normal-Tourist nicht leisten kann - wo kämen wir hin, wenn Krethi und Plethi jederzeit auf den Himālay fliegen könnten? Die Umwelt muß geschont werden, deshalb sollen gewisse Orte bitte nur von einigen wenigen Auserwählten betreten werden: Angehörigen der Priesterkaste, der Politikerkaste oder der Kaste der Exclusiv-Gruppenreisenden (und natürlich von Dikigoros, der zwar keiner dieser Kasten angehört, aber es immer wieder schafft, sich trotzdem durchzumogeln :-). Dazu kann man stehen wie man will; wir können das dahin stehen lassen, denn für unsere "Reisen durch die Vergangenheit" eignen sich weder Berge, die nicht oder kaum bereist wurden und werden, noch solche, die Gegenstand eines anonymen Massentourismus geworden sind. Auch nicht solche, die aus Rekord- und Höhensucht, d.h. also ohne Sinn und Verstand, von einzelnen Reisenden "bezwungen" worden sind, wie der Mount Everest oder der Elbrus. Doch mit letzterem kommen wir schon in die Nähe dessen, worüber Dikigoros hier schreiben will, denn seine treuen Leser wissen ja bereits, was er unter "Reisen" versteht. (Alle anderen können es hier nachlesen; dort findet sich auch die Quelle des Zitats in der ersten Zeile der Überschrift, mit einer kurzen Interpretation von Dikigoros.) Nun eignet sich für eine solche Betrachtung aber auch nicht jede simple Schlacht auf irgendeinem - oder um irgendeinen - Berg, denn von Kämpfen um (vermeintlich) strategische Höhen ist die Kriegs-Geschichte voll, und daran ist nichts besonders Interessantes.
Wonach wollen wir also dann suchen? Formulieren wir es ausnahmsweise mal etwas hoch gestochen: nach Bergen, die entweder umkämpft wurden, weil sie schon ein Mythos waren, oder um solche, die durch diese Kämpfe erst zum Mythos wurden. Nein, Mythos ist vielleicht nicht ganz das richtige Wort, denn Mythen kann man auch schaffen, indem man sie aus der Luft greift, oder wie der alte Nietzsche einst schrieb: "Glaube versetzt zwar keine Berge, aber er kann Berge dorthin setzen, wo keine sind." Über solche falschen Berg-Mythen schreibt Dikigoros gelegentlich im Vorübergehen an anderer Stelle, z.B. über den Venusberg (wo nie ein Sängerkrieg statt fand), den Rütli (wo nie ein Eid geleistet wurde, um die Freiheit der Schweiz zu kämpfen), die Black Hills (wo nie ein Indianer um die Gräber seiner Ahnen kämpfte) oder den St.-Johannis-Hügel (wo nie ein Teddy Roosevelt Kuba eroberte). Nein, etwas mehr sollte schon dahinter stecken; der Idealfall wäre ein Berg, der schon vorher halbwegs "heilig" war, dann durch Reisende "entweiht" wurde, aber dadurch gerade wieder "geheiligt" wurde - jedenfalls nach Meinung der Nachwelt. Seine eigene Skepsis ob solcher Mythen hat Dikigoros durch die Anführungsstriche hoffentlich hinreichend zum Ausdruck gebracht; aber gerade diese Skepsis treibt ihn dazu, sich mit diesen mythischen Bergen auseinander zu setzen - und die Annahme, daß er den meisten seiner Leser etwas Neues erzählen kann, denen weder der Moses-Berg noch der Schmetterlings-Berg noch der Tauben-Hügel noch der Heuschrecken-Hügel etwas sagen (selbst dann nicht, wenn sie Kugelfisch und Kupfer-Canyon gelesen haben - man liest leicht darüber hinweg), geschweige denn der Cerro Corá. Ist ja auch schon verdammt lang her - aber es gibt auch "jüngere" Berg-Mythen: Die älteren Semester haben vielleicht noch vom Anna-Berg gehört oder vom Cassino-Berg - obwohl die meisten von denen, die noch mit dort waren, schon ruhen, allerdings nicht über den Gipfeln, sondern unter der Erde. Und die Seelower Höhen? Ob Ihr es glauben wollt oder nicht, liebe Ossis: von denen hatten 99,9% aller Wessis bis 1989 noch nie gehört. (Woher auch? Im Wehrmachtsbericht war von "Kämpfen in der Märkischen Schweiz bei Buckow" die Rede; und auch in den westlichen "DDR-Reiseführern" tauchten die "Seelower Höhen" nicht auf, vom renommierten "DuMont" - der gerade mal in einem Halbsatz beiläufig erwähnt, daß Buckow das "Sinnbild der Märkischen Schweiz" sei - bis zum alternativen RoRoRo-Reisebuch "Anders Reisen", der Buckow statt zum "Sinnbild" zum "Herzen" der Märkischen Schweiz erklärt und noch darauf hinweist, daß Bert Brecht und Helene Weigel mal da waren und daß geplant war, dort ein "richtiges" Interhotel - gabs auch falsche? - zu bauen.) Dabei hatten die DDR-Führung und die Sowjets Jahrzehnte lang nichts unversucht gelassen, sie zu einem Mythos aufzubau[sch]en. Aber auch nach 1989 erfuhren die Wessis wohl von dem Streit, ob das klotzige Heldendenkmal abgerissen werden sollte oder nicht - aber kaum, wofür es (angeblich) stand. Nun, man kann nicht alles wissen, und Dikigoros kann Euch beruhigen: Man muß das alles auch nicht wissen, denn die Berge, die er Euch hier vorstellen will, sind in der Regel nicht besonders hoch, die Zahl derjenigen, die dort ihre ewige Ruh' gefunden haben, ist relativ gering (aber wie Dikigoros immer zu sagen pflegt: Es kommt nicht auf die Nullen an - auch nicht bei den Mythen um heilige Berge), und es ist auch keine besonders lange Reise: Sie dauert nicht einmal 100 Jahre - von der Mitte des 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts.
Fleißige Leser von Dikigoros' "Reisen durch die Vergangenheit" wissen, daß ihn seine erste eigenständige Reise nach Mexiko führte, als jungen Soldaten, und daß man damals, wenn man sparsam sein wollte (oder mußte :-), dort noch unter freiem Himmel übernachten konnte. Seine erste Nacht in Mexicos Hauptstadt verbrachte er im Chapultepec-Park, auf dessen - kaum wahrnehmbarem - Gipfel sich schon damals jene düster-klotzigen Säulen erhoben, die Ihr oben abgebildet seht. "Chapul-tepec", Heuschrecken-Hügel, nannten die alten Azteken ihn aus Gründen, die uns nicht überliefert sind. (Die Spanier, die des Toltekischen nicht mächtig waren, übernahmen den Namen und setzten noch ein "Cerro" [Hügel] davor, so daß "Cerro de Chapultepec" eigentlich doppelt gemoppelt ist.) Überliefert ist uns dagegen eine Geschichte, die gut zu diesem Namen paßt. Habt Ihr mal eine Heuschreckenplage mit erlebt, liebe Leser, und gesehen, wie sie endet? Ja, mit kahl gefressenen Feldern, aber das ist nur der Anfang. Sie endet stets mit Feldern voller Leichen, Heuschrecken-Leichen. Und während andere Völker Redensarten haben wie "sie starben wie die Fliegen", so haben Länder, die diesese Fänomen kennen, die - weit treffendere - Redewendung: "Sie starben wie die Heuschrecken." Und wenn man den durchschnittlichen Mexikaner bittet, einem jene Geschichte zu erzählen, dann erfährt man etwas von Heldentum und Opfermut einiger halber Kinder und von dem ehrenden Angedenken, das man ihnen bewahren müsse: Anno 1847 hatten die bösen Yankees - auch bekannt als "Gringos" - Mexico überfallen und schickten sich an, seine Hauptstadt zu besetzen. Oben auf dem Hügel stand die Kadettenanstalt. Der feige Kommandant, irgend so ein Schreibtisch-General, wollte schon feige abziehen oder gar kapitulieren, aber seine tapferen Schüler zwangen ihn, sich zur Verteidigung einzurichten. Leider waren die Amerikaner in der Übermacht, und so endete denn das ganze mit dem glorreichen Tod der "Niños héroes [Kinderhelden]" fürs Vaterland, amen. So weit die Legende.
Aber wie war es wirklich? Mitte September 1847. Amerikanische Truppen haben, zwei Jahre, nachdem die USA mit stillschweigendem Einverständnis der Mexikaner Texas annektiert haben (später auch - ohne deren Einverständnis - Kalifornien, Nevada, Utah, Colorado, Arizona und New Mexico) den Rio Grande nach Süden überschritten, Monterey und Puebla besetzt und die wichtige Hafenstadt Veracruz im Handstreich genommen. Der Krieg ist für Mexico militärisch verloren, auch wenn sich die Hauptstadt noch hält; denn der Maulwurfs-, pardon Heuschrecken-Hügel ließe sich mangels ausgebauter Festungsanlagen (man spricht zwar von "castillo", aber das bezeichnet kein Kastell, sondern vielmehr ein Schlößchen, so wie auf dem strategisch viel wichtigeren Hügel von Monterey bloß ein Bischofspalast stand) schon mit einer regulären Besatzung nicht ernsthaft verteidigen, geschweige denn mit 200 Offiziersschülern, die man dort untergebracht hat. Ja, das "colegio militar" ist eine Offiziersschule, keine Kadettenanstalt, und die Absolventen sind keine kleinen Kinder mehr, sondern fast erwachsene junge Männer zwischen 17 und 20 Jahren im Range von Fahnenjunkern und Fähnrichen; aber sie sind nur mit Handfeuerwaffen ausgerüstet und ein paar Feldgeschützen, die eigentlich nur zur Ausbildung vorgesehen sind. Auf der anderen Seite stehen rund 10.000 Mann gut ausgebildeter US-Truppen, darunter mehrere Bataillone "Marines [Marine-Infanterie]", der Elite-Einheiten der Yankees, unter dem Kommando von General Winfield Scott, der damals noch nicht der verkalkte alte Trottel ist, den Euch Dikigoros an anderer Stelle zur Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs rund anderthalb Jahrzehnte später schildert. Die US-Truppen haben die letzte reguläre Einheit der Mexikaner - das Bataillon "San Blas" - platt gemacht, und der Volkssturm, den Präsident Santa Ana noch zusammen gekratzt hat (sage und schreibe 450 Mann) kommt als ernsthaftes Aufgebot kaum in Frage. Zum Glück hat die Offiziersschule einen vernünftigen Kommandeur, der entgegen seinem Namen - General Bravo - nicht tapfer sein, sondern das Leben seiner Schüler retten will. Also sagt er ihnen das gleiche, was knapp 100 Jahre später einige vernünftige Volkssturmführer ihren Hitler-Jungen auch sagen sollten: "Packt Euren Krempel und geht nach Hause, bevor die Amis da sind; der Krieg ist aus." Aber da kennt der General seine Schüler schlecht: Sie meutern und zwingen ihn, zu kämpfen. Ja, junge Leute spielen gerne Helden - jedenfalls solange sie noch nicht wissen, was damit unter Umständen verbunden sein kann, nämlich der Heldentod, der gar nicht so "dulce et decorum" ist, wie ein früher auch in Deutschland gut bekannter dummer, pardon lateinischer Spruch das behauptet.
So dauert der Kampf denn auch nicht lange: Die Amerikaner nehmen die Offiziersschule im Sturm - wohlgemerkt nicht, indem sie sie Stunden oder Tage lang mit ihrer Artillerie zusammen schießen oder gar aushungern, sondern im Kampf Mann gegen Mann, Bajonett gegen Bajonett. In ein paar Minuten ist alles vorbei: Sechs (!) Mexikaner sind gefallen. [Die Namen jener sechs jungen Narren kennt heute noch jedes Kind in Mexiko (sie lernen sie auf der Schule, so wie im Dritten Reich die deutschen Schulkinder die Namen der Gefallenen des Marsches auf die Feldherrnhalle von 1923 lernten): Juan de Barrera - der war sogar schon Leutnant -, Agustín Melgar, Fernando Montes de Oca, Vicente Suárez, Juan Excutia und Francisco Márquez.] Der Rest kapituliert nun doch und gerät in Gefangenschaft - darunter der brave General Bravo, der seine dummen Jungen nicht im Stich lassen wollte. Ihnen passiert nicht viel, aber die Sache hat dennoch ein nettes Nachspiel, die Ihr in keinem deutschen Geschichtsbuch findet - dafür in jedem mexikanischen; der Unterschied ist nur, daß die Deutschen ihre eigenen Opfer, die in Nürnberg von den Alliierten entweder gleich zu Tode gefoltert oder nach einem Schauprozeß, in dem ihren Verteidigern praktisch alle prozessualen Rechte vorenthalten wurden, zum Tode verurteilt wurden, als "Täter" bezeichnen. Die Mexikaner dagegen halten denen, die bis zuletzt für sie gekämpft hatten und dann Opfer der amerikanischen Sieger-Justiz wurden, ein ehrendes Andenken - obwohl es gar nicht ihre eigenen Leute waren. Ein Truppe hat Dikigoros Euch nämlich bisher noch vorenthalten (was er durfte, da sie bei Chapultepec schon nicht mehr mit kämpfte, sondern bereits in amerikanischer Kriegsgefangenschaft war): die mexikanische Fremdenlegion. Wie Ihr wißt - wenn Ihr den Zweiten Weltkrieg und die Besatzungszeit noch mit erlebt habt -, handeln die USA in Sachen Kriegsgefangene sehr pragmatisch: Solange der Krieg andauert und auch der Gegner US-Soldaten als Kriegsgefangene hat, behandeln sie die ihrigen äußerst korrekt; sobald aber der Krieg vorbei ist und die eigenen Kriegsgefangenen wieder frei, holen sie all das nach, was sie bis dahin versäumt haben; amerikanische Kriegsgefangenenlager zählen zu den schlimmsten der Geschichte und stehen keinem britischen oder deutschen Konzentrationslager und keinem russischen GULAG nach: Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden bekanntlich Millionen deutsche Soldaten in amerikanischen Gefangenenlagern zu Tode gefoltert, gehungert oder geseucht. Und nun, da der Krieg gegen Mexiko siegreich beendet war, inszenierten die USA mal wieder ein schönes, symbolträchtiges Schauspiel: So wie sie exakt 100 Jahre später Nürnberg, die Stadt der Reichsparteitage, auswählen sollten, um die deutschen "Kriegsverbrecher" zu töten, so wählten sie diesmal den Heuschreckenhügel von Mexico City aus, um die mexikanischen Fremdenlegionäre vom Bataillon "San Patricio [St. Patrick]" zu töten: Sie wurden mit dem Gesicht zum Castillo aufgeknüpft.
Warum? Was hatten sie getan bzw. was warf man ihnen vor? Kriegsverbrechen? Ach was, den Begriff hatten die Amerikaner damals noch nicht erfunden. Nein, sie galten als "Deserteure"! Es handelte sich nämlich um katholische Iren, und als solche wären sie natürlich verpflichtet gewesen, für die protestantischen Amerikaner gegen die katholischen Mexikaner zu kämpfen! Auch dieses Argument sollte 100 Jahre später wieder auftauchen: Was waren denn die Freiwilligen aus aller Welt, von Chile bis Indien, von Norwegen bis Südafrika, die in der deutschen Waffen-SS gekämpft hatten, gegen den Bolschewismus der Sowjets und gegen die Plutokratie der Angelsachsen? Eben - Verräter und Deserteure, die man guten Gewissens und völlig zurecht töten durfte, ja mußte! Aus Irland kam übrigens kein einziger, und das gab den US-Amerikanern rückblickend nur Recht: die Paddies hatten ihre Lektion offenbar gelernt!
(...)
Als Dikigoros seine Amerika-Reisen weiter nach Süden ausdehnte, kam er irgendwann auch nach Paraguay. Das war zwar gar nicht geplant; aber in Lateinamerika muß man flexibel sein und seine Reiserouten den Wetter- und Verkehrs-Verhältnissen anpassen - der Flug nach Asunción war die einzige Möglichkeit gewesen, aus dem durch Überschwemmungen von allen Überlandverbindungen abgeschnittenen Santa Cruz de la Sierra 'rauszukommen - auch der Zug nach Brasilien, den er eingeplant hatte, fuhr nicht mehr. In Bolivien hatte er den abgrundtiefen Haß auf Paraguay kennen gelernt, wegen des Chaco-Krieges - aber darüber schreibt er an anderer Stelle. Nun saß er also in Asunción, in einem kleinen Restaurant in einer Allee mit Pampelmusenbäumen, verzehrte seine zweite "Milanesa [Wiener Schnitzel]" und erzählte dem Wirt, daß er demnächst nach Puerto Stroessner fahren wollte, der Grenzstadt zu Brasilien, die nach dem damaligen Präsidenten Paraguays, dem aus Bayern stammenden Oberst Alfredo Stroessner benannt war, der im Ausland - besonders in Europa - heftig umstritten war, seit ein Schnüffler, pardon Reporter vom "Stern" heraus gefunden hatten, daß er einigen - echten oder vermeintlichen - "Nazis" stillschweigend Unterschlupf (nein, kein grundrechtlich garantiertes "Asyl" - so einen Unfug gab und gibt es, außer in der BRD, nirgendwo auf der Welt) gewährt hatte. (Die meisten verkehrten angeblich im "Germania", in der Calle Cerro Corá 180. Dikigoros hat sich nicht hinein getraut, da vor dem Eingang nur zu offensichtlich die Journaille lauerte, Kamera im Anschlag; und er wollte sein Bild nicht unbedingt am nächsten Morgen in der Zeitung sehen, geschweige denn im nächsten Monat in einer deutschen Illustrierten.) In Paraguay war Stroessner dagegen ausgesprochen populär, nicht nur weil er dem Land, wie in seinem Wahlslogan versprochen, "Friede, Arbeit und Wohstand" gebracht hatte, sondern auch, weil er ein guter Patriot war: An jedem 15. Mai legte er einen Kranz nieder am Grab seines Nationalhelden - dessen Namen Dikigoros damals zum ersten Mal hört: Francisco Solano López.
Nun wissen treue Leser von Dikigoros' "Reisen durch die Vergangenheit", was er von jener Species in den meisten Fällen hält, nämlich gar nichts. Aber man muß auch umgekehrt nicht alles für bare Münze nehmen, was in unseren Geschichts- und Märchenbüchern steht. Speziell die Angelsachsen hatten schon immer ein besonderes Geschick darin, fremde Staats- und Regierungschefs zu "Teufeln in Menschengestalt" oder "Kriegsverbrechern" zu erklären, wenn es ihnen in den Kram paßte, um ihre eigenen Teufeleien und Verbrechen zu vertuschen, zu relativieren oder gar zu rechtfertigen. Die des 20. Jahrhunderts sind Euch sicher allen zumindest dem Namen nach geläufig, jedenfalls die wichtigsten: Wilhelm II, Hitler, Castro, Gaddafi, Noriega und Saddām Ħusäin. Aber es gab auch schon welche im 19. Jahrhundert: Den Mexikaner Santa Ana hatte Dikigoros bereits kurz erwähnt - er war der Buhmann der Amerikaner, als sie einen Vorwand suchten, um Texas zu annektieren ("Remember the Alamo"); und López war der Buhmann, als es den Briten darum ging, die südlichen Staaten Lateinamerikas in wirtschaftliche Abhängigkeit zu bringen. (Die nördlichen, wo überwiegend Indios lebten, interessierten sie weniger, da war nicht annähernd so viel zu holen.) Es gab dort nach der "Befreiung vom spanischen Kolonialjoch", wie manche Narren das nannten, zunächst nur zwei Staaten: Im Westen Chile mit seinen Salpeter- und Kupfervorräten (welches bereits fest in englischer Hand war und das bleiben sollte, bis die Briten von den US-Amerikanern abgelöst wurden), und im Osten die Vereinigten Staaten von Río de la Plata mit der Hauptstadt Asunción. Der Rest war Südbrasilien - aber das konnte man ja ändern. Es gelang den Briten, einige Leute im "Wilden Osten [Oriente]" des Uruguay-Flusses aufzustacheln, ihre Unabhängigkeit zu erklären; ebenso wie sich die Guaraní-Mestizen jenseits des Paraguay-Flusses für unabhängig erklärt hatten und bald auch die "Porteños" an der Mündung des La-Plata-Flusses, die eine unabhängige "Republik der guten Lüfte [Buenos Aires]" gründeten. Auf Rest-"Argentinien", d.h. die paar blöden Pampa-Gauchos im Landesinneren und in der "Hauptstadt" Tucumán, konnte man in London gut verzichten.
Der Ärger war nun, daß die betroffenen Südamerikaner das alles ein wenig anders sahen als die Briten: Die Porteños eroberten den Rest Argentiniens dazu und wollten sich auch noch Uruguay unter den Nagel reißen, ebenso wie die Brasilianer; und im Landesinneren suchte Paraguay, das sich mittlerweile zu einem wohlhabenden Musterländle entwickelt hatte, dringend einen Zugang zum Atlantik, und wo konnte der nur liegen? Richtig - auch in Uruguay. Und als Brasilien und Argentinien sich in einem günstigen Moment - in den USA herrschte gerade Bürgerkrieg, die konnten sich also nicht einmischen - verbündeten, um das kleine Uruguay zu überfallen und unter sich aufzuteilen, stellte sich Paraguay auf die Seite des letzteren und seine Armee zur Verfügung, um es zu verteidigen. Das war 1864, und die Paraguayer schlugen die Brasilianer (deren Armeen z.T. aus Kettensträflingen bestanden, die unausgebildet in die Schlacht geschickt wurden) zunächst kräftig aufs Haupt. Da gelang es England, eine so genannte "Triple-Allianz" zu vermitteln: Argentinien und Brasilien erkannten die Unabhängigkeit Uruguays für alle Zeiten an (und die Briten garantierten sie), wenn sich letzteres mit seinen beiden mächtigen Nachbarn gegen Paraguay verbündete. Gesagt, getan, und zugleich lief auch die Propaganda-Maschinerie der Alliierten an: López war ein blutrünstiger Diktator, der die armen Guaraní-Indianer ausrotten wollte, seine Armee-Chefs waren desertierte britische Veteranen des Krimkrieges, und am schlimmsten: Er war mit einer Irin verheiratet, die er auf einer Europareise in Paris kennen gelernt hatte. Und weil dieser größenwahnsinnige Verbrecher es wagte, gegen eine ungeheure Übermacht an Menschen und Material Krieg zu führen (er bot zwar immer wieder Frieden an, aber das konnte man ja nicht ernst nehmen), war es nur folgerichtig, daß er ihn nach sechs Jahren verlor. So enden Diktatoren, amen!
Aber wie war es wirklich? Anfang März 1870. In Paraguay sieht es aus wie 1865 in den Südstaaten der USA (oder wie 1945 in Deutschland - aber das weiß ja noch niemand). Bereits 1868 ist Asunción gefallen, die Alliierten haben es bis zum letzten Grashalm (Armbanduhren gab es noch nicht) ausgeplündert und dann nieder gebrannt - die haben ihr Zerstörungswerk gründlicher vollbracht als es jeder Bombenangriff vermocht hätte. Von den 1,4 Millionen Paraguayos sind noch ca. 200.000 Frauen und Kinder am Leben (die anderen hat man erst vergewaltigt und dann ermordet - die 200.000 hat man "nur" vergewaltigt, denn in Wahrheit wollte nicht López die Guaraní-Mestizen ausrotten - er war schließlich selber einer -, sondern die Alliierten; ja, liebe deutsche Leser, auch Morgenthau hatte seine Vorläufer!) und noch knapp 500 Männer. Und die befinden sich mit ihrem geliebten Führer, dem Marschall López, ganz im Norden Paraguays, an der Grenze zu Brasilien, auf dem "Cerro Corá". Eigentlich ist das gar kein Hügel, obwohl er so genannt wird. Ihr müßt Euch die Gegend vielmehr so ähnlich vorstellen wie die "Hörner von Ħattīm" im Heiligen Land, wo rund 700 Jahre zuvor das letzte Aufgebot des christlichen Königreichs Jerusalam den Truppen des Sultans Saladin unterlag, d.h. eine "Hochebene" zwischen zwei Hügeln, die sich schlecht verteidigen ließ - böse Zungen würden von einer "Mausefalle" sprechen.
(...)
(Wie das Volk von Paraguay es überhaupt geschafft hat, diesen versuchten Völkermord zu überleben und nach diesem Aderlaß wieder auf die Beine zu kommen? Nun, durch eine rigorose Gesetzgebung: Als die männlichen Kinder heran gewachsen waren, "durfte" jeder sechs Frauen heiraten und mußte entsprechend für Nachwuchs sorgen :-)
In Südafrika, zwischen Natal und Transvaal, liegt ein Gebirgszug, den sie die "Drachenberge" nennen, und der heute als
Touristen-Attraktion gilt, zu der gewisse Reiseveranstalter
"Safaris"
(das ist das Ki-Suaheli-Wort für "Reisen") veranstalten. Einer dieser Berge wird von den Zulu-Kaffern "[A]Majuba" genannt, von den Englisch-sprachigen "Hill of Doves [Tauben-Hügel]". Und da wir heute wieder in einer Zeit der Tauben (und der Blinden) leben, will Euch Dikigoros dessen Geschichte nicht vorenthalten, obwohl sie scheinbar ziemlich unbedeutend ist. Sie besteht eigentlich nur aus einer einzigen Schlacht, und auch über deren Bedeutung kann man trefflich streiten. Was schätzt
Ihr, liebe Leser, wie viele Menschen im Februar 1981 im Autoverkehr umgekommen sind? Es war mieses Wetter, die Straßen waren glatt wie Schmierseife, der Unfälle waren viele. Und wieviel Aufhebens hat man darum gemacht? Eben - gar keinen. Wie viele Tote braucht eine Schlacht, um als "bedeutsam" in die Geschichte einzugehen? Das kommt darauf an, wann und wo sie statt findet. Wenn sie 1942 zwischen Wolga und Don tobt, dann eine Million; zur gleichen Zeit bei den Midway-Inseln genügen ein paar Tausend. In der Antike, bei den Termofylen, waren es vielleicht ein paar hundert, und 1881, in den Drachenbergen von Südafrika, genügen 95: 93 Briten, 1 "Bure" (und 1 weiterer "Bure", der später im Lazarett seinen Verwundungen erliegt). [Ja ja, 1847 in Chapultepec gab es sogar nur 6 Tote, wie wir gesehen haben, aber jene Schlacht bewirkte auch nichts - gar nicht.] Es kommt also - wie Dikigoros nie müde wird zu betonen - nicht auf die Zahlen an. Sondern?
(...)
Dikigoros' treue Leser wissen aus einem anderen Kapitel seiner "Reisen durch die Vergangenheit", wie das einstige Weltreich der Holländer endete: Als Napoléon die Niederlande besetzte, besetzten die Briten deren Kolonien; und während sie auf dem Wiener Kongreß 1815 unwichtigere Gebiete, wie das von aufmüpfigen Kanaken bewohnte Indonesien, leichten Herzens zurück gaben, behielten sie die wirklich wertvollen Gebieten für sich, vor allem Ceylon und die strategisch immens wichtige Kap-Kolonie in Südafrika. Die Kap-Holländer reagierten mit einem ersten Aufstand, der indes bald zusammen bracht; also zogen sie - die "Voortrekker" vorweg - nach Nordosten, um sich der britischen Herrschaft zu entziehen: erst nach Oranje und Natal, dann - als die Briten nachsetzen - nach Transvaal, das Gebiet jenseits des Flusses Vaal. Die Briten erkennen ihre Unabhängigkeit zunächst an; aber als auch dort Bodenschätze gefunden werden, handeln sie nach dem bewährten Motto: Was kümmert mich mein dummes Geschwätz von gestern? Aber nun haben die "Boeren" (dieses Schimpfwort [Bauerntölpel] hat sich allmählich als Bezeichnung für die Kap-Holländer - die sich selber "Afrikaaners" nennen - international durchgesetzt) die Nase voll und setzen sich zur Wehr. Die Frage ist: Können sich ein paar hundert Farmer gegen eine Armee von Berufssoldaten durchsetzen?
Ende Februar 1881. Britische Truppen, darunter Elite-Gebirgsjäger aus den schottischen Highlands - haben unter dem höchst
persönlichen Kommando des Gouverneurs von Natal, General Colley, kampflos den immerhin rund 2.000 m hohen [A]Majuba besetzt.
Da der Berg ziemlich steil ist, fühlen sie sich völlig sicher und verzichten darauf, nachts Wachen aufzustellen.
(...)
"Remember Majuba!"
1942, mitten im Zweiten Weltkrieg. Vor drei Jahren, als Großbritannien unter dem Vorwand des Polenfeldzugs dem Deutschen Reich (nicht aber der Sowjet-Union) den Krieg erklärte, wollte die demokratisch gewählte Regierung des Dominions Süd-Afrika neutral bleiben. Die Briten inszenierten einen Staatsstreich, setzten die Regierung ab, steckte ihre Mitglieder ins KZ und oktroyierte dem Land eine willfährige Marionetten-Regierung, die Deutschland brav den Krieg erklärte. Per Zwangsrekrutierung wurden Truppen aufgestellt, die an allen Fronten verheizt wurden. Und nun wagt es ein gewisser Klute (auch "Cloete" geschrieben) Stuart - ein Südafrikaner, wie er südafrikanischer nicht sein könnte: burischer Abstammung, in Frankreich geboren und in England aufgewachsen -, einen "Roman" zu veröffentlichen mit dem Titel "The Hill of Doves [Der Tauben-Hügel]". Er schildert am Beispiel der Familiensaga der Lena van den Bergt das Schicksal der Kap-Holländer unter britischer Herrschaft - ein ungeheurer Affront. Das 600 Seiten starke Buch wird ein Riesen-Erfolg, vor allem als Südafrika 1961unabhängig wird und keine Rücksicht mehr auf die englischen Kolonialherren zu nehmen braucht. (Es ist das einzige Werk des bis dahin erfolgreichsten südafrikanischen Romanciers, das bis heute nicht ins Deutsche übersetzt werden durfte.) Niemand ahnte damals, daß die Geschichte der unabhängigen Republik Südafrika so kurz sein und in einer - von den Angelsachsen verschuldeten -Tragödie enden sollte, gegen alles, was dort im 19. Jahrhundert geschehen war, in den Schatten stellen sollte, in einen Schatten, der so pechschwarz war wie diejenigen, die in seinem Schutze die Jahrhunderte lange Aufbauarbeit der Weißen binnen weniger Jahre vernichtete.
Wozu also das ganze, wenn es im Ergebnis eh für die Katz war? Was hilft es einem Volk, daß es tapfer kämpft - und vielleicht sogar siegt -, wenn nur vier Generationen später doch alles verloren ist? Aber so dürft Ihr nicht fragen, liebe Leser, denn das wäre ganz faschistoïd gedacht, von wegen "Dein Volk ist alles, Du bist nichts..." Nein, es kommt auf jedes einzelne Leben an; nur das Individuum zählt, Rassen gibt es gar nicht, und Völker kann man beliebig zusammen setzen - so lautet die Staatsdoktrin von heute. Das erstere stimmt ja auch - jedes Leben zählt, und durch die Schlacht auf dem Tauben-Hügel konnten Millionen Leben gelebt werden, die es sonst vielleicht nie gegeben hätte. (Das ist natürlich nur die halbe Wahrheit; aber auf die andere Hälfte kommen wir nachher zurück, beim Kampf der Deutschen und Polen um den Annaberg in Schlesien.) Stellt Euch vor, die Briten hätten damals gesiegt - was wäre aus Südafrika geworden? Sie selber besiedelten und kultivierten ihre afrikanischen Kolonien ja nicht, sondern schickten immer nur ein paar Besatzungsoffiziere und Plantagenaufseher hin, um Land und Leute auszubeuten. Es hätte also nie eine nennenswerte weiße Bevölkerung dort gegeben; d.h. es würde dort heute in etwa so aussehen wie in Kenya oder Nigeria. Für wen das von Vorteil wäre? Für niemanden, am wenigsten für die Schwarzen, die unter der Mißwirtschaft ihrer eigenen Neger-Häuptlinge weitaus mehr leiden als sie es je unter der Kolonialverwaltung der bösen Weißen getan hätten. Nur böse Zungen würden behaupten, daß diese Mißwirtschaft auch ihr Gutes hat: Nur weil die Holländer so blöde waren, in Südafrika und Indonesien Medizin und Hygiene für alle bereit zu stellen, konnten sich die Eingeborenen dort millionenfach vermehren - es wäre besser gewesen, keine weißen Kolonien zu gründen, sonden sie in ihrem eigenen Saft schmoren und die Überzähligen unbesehen verhungern zu lassen, dann wären sie heute keine Bedrohung für uns.
(...)
Um eines vorweg zu nehmen: Dikigoros will Euch hier nichts über den "Völkermord" der muslimischen Türken an den christlichen Armeniern erzählen (und auch nichts über den "Völkermord" der muslimischen Kurden an den christlichen Armeniern, den wir doch bitte nicht vergessen wollen, auch wenn sich die Kurden in jüngster Zeit so gerne als "arme Opfer" der Türken aufspielen - vor allem, wenn sie politisches Asyl in der BRD begehren -; in Wahrheit waren auch sie ein Tätervolk und sind es immer noch: die meisten der so genannten "Ehrenmorde" an ungehorsamen Töchtern, Schwestern und Ehefrauen entfallen prozentual nicht auf die Türken, sondern auf die Kurden). Das tut er an anderer Stelle, und wenn Ihr dort nachgelesen habt, dann werdet Ihr auch verstehen, warum er das Wort "Völkermord" hier in Anführungsstriche setzt: weil er der Auffassung ist, daß jene Vorkommnisse (die weiß Gott nicht erst im Weltkrieg begannen, aber vorher offenbar niemanden interessierten - erst als die Alliierten sie propagandistisch für ihre Greuel-Propaganda gegen die Mittelmächte ausschlachten konnten, wurden sie von der westlichen Journaille hoch gekocht) zwar seine persönliche, weit gefaßte Definition von "Völkermord" erfüllen, nicht aber die derjenigen, die das Wort ständig im Mund führen, um andere dieses Verbrechens zu bezichtigen, obwohl sie selber es viel öfter und in viel größerem Ausmaß begangen haben. Aber wie dem auch sei, Dikigoros will Euch hier vom genauen Gegenteil erzählen, nämlich von einer Gruppe Armenier, die diesem "Völkermord" entkamen; und deren Rettung ist untrennbar mit einem Berg verbunden, den die Türken den "Berg Mosis" nennen: "Musa Dağı".
Es ist eigentlich erstaunlich, daß über diese Vorkommnisse heute noch so viel gestritten wird, denn die Fakten sind eigentlich unstreitig: Ein paar tausend Armenier (Männer, Frauen und Kinder) verschanzten sich auf dem Berg und wehrten türkische Angriffe so lange ab, bis alliierte Kriegsschiffe auftauchten und sie evakuierten. So weit so gut - aber warum taten sie das und was folgt daraus? Die Armenier sagen, sie taten das, um nicht von den Türken ermordet zu werden, es sei also bloß ihre Reaktion auf den Genozid gewesen; die Türken dagegen sagen, das beweise die Existenz krimineller armenischer Banden, die türkische Streitkräfte binden wollten, damit Rußland den Krieg gewinne; und die Deportation der Armenier - bei der halt versehentlich auch ein paar von ihnen umkamen - sei erst eine Reaktion der Osmanen darauf gewesen. Tja, liebe Leser, das ist wie mit der Frage, was zuerst da war: Die Henne oder das Ei? Die Diskriminierung der Armenier im Osmanischen Reich hatte wie gesagt schon viel früher begonnen als 1914; wenn man so will, reicht sie bis zur Landnahme der Seldschuken in Kleinasien zurück. Ebenso unstreitig hatten die Armenier sich 1914 ganz auf die Seite der Russen gestellt und deren Angriffe auf die Türkei unterstützt - es gibt sogar armenische Webseiten, die stolz darauf sind. Das ist aber gar nicht verwunderlich, denn "Armenier" war nicht gleich "Armenier". Die im Kaukasus lebenden Nord-Armenier waren überwiegend Staatsbürger des Tsarenreiches - auch die Gebiete, die heute den Nordostzipfel der Türkei darstellen, gehörten bis zum Ersten Weltkrieg zu Rußland -; es war also ganz natürlich, daß sie auf dessen Seite kämpften. Was aber war mit den Süd-Armeniern, die im heutigen Syrien - damals ebenfalls Bestandteil des Osmanischen Reichs - saßen? Für die Türken war der Fall klar: Das waren auch Verräter - mit gefangen, mit gehangen, mit deportiert. Ist Deportation schon Völkermord? Halt, liebe deutsche Leser, so dürft Ihr nicht fragen, denn wenn Ihr es tut, würdet Ihr doch die edlen Alliierten des millionenfachen Völkermordes an den Deutschen bezichtigen! (Nein, nicht nur die Russen und Polen - was haben denn die Franzosen 1939 mit den Elsässern gemacht, die doch angeblich seit 1870 nichts sehnlicher wünschten, als zurück nach Frankreich zu kommen? Eben - und wer die Deportation überlebt hatte, wurde 1944 bei der "Befreiung" als "Collaborateur" ermordet oder im Indochinakrieg verheizt; heute gibt es praktisch keine echten Elsässer mehr, außer den wenigen, die 1944 klug genug waren, nach Deutschland zu fliehen - aber das ist eine andere Geschichte.) Und das ist das Hauptproblem: Wenn man die Deportationen nicht per se als Völkermord ansehen will, muß man noch irgendetwas hinzu erfinden - also im Zweifel den direkten Vorsatz ("dolus eventualis [bedingter Vorsatz], d.h. ein billigendes Inkaufnehmen des Todes, reicht für den "Mord"-Vorwurf nicht aus) der Türken, die Armenier auf diesen Gewaltmärschen umkommen zu lassen. (Auf die Idee, daß sie, wenn dies denn wirklich ihr eigentliches Ziel gewesen wäre, das doch viel leichter hätten haben können, scheint noch niemand gekommen zu sein.)
Als also die Deportations-, pardon Evakuierungsorder in jenes kleine Städtchen am Mosisberg kam, beschlossen die Armenier dort, dem Befehl keine Folge zu leisten, sondern alles zusammen zu kratzen, was sie an Waffen, Munition und Verpflegung fassen konnten, und sich auf dem Mosisberg zu verschanzen. "Sehr Ihr," rufen die Türken, "das beweist doch, daß sie von langer Hand einen Aufstand vorbereitet haben - sonst hätten sie sich doch gar nicht so lange gegen reguläre türkische Truppen halten können." Nun ja - die regulären türkischen Truppen... Die Türken waren längst keine guten Soldaten mehr, als die sie ein halbes Jahrtausend zuvor mal dorthin gekommen waren; Jahrhunderte der Verweichlichung hatten sie zu einem Volk gemacht, das zu nichts mehr zu gebrauchen war: Wirtschaft und Finanzen hatten sie eh von je her den Griechen und den Juden überlassen, und das Kämpfen zunehmend den Janitscharen, die sich aus den Christen geraubten Kindern zusammen setzten. Die Türkei war tatsächlich so etwas wie "der kranke Mann am Bosporus" geworden - gegen deren Truppen ein paar Wochen auszuhalten ein sooo großes Kunststück nun auch wieder nicht war. Im übrigen stimmt das mit den "40 Tagen" gar nicht - die Zahl vierzig ist in diesem Zusammenhang ebenso "symbolisch" wie die Zahl "6 Millionen" im Zusammenhang mit dem "Holocaust", die nur für die Berechnungen der Shoa-Businessmen und ihrer Opfer verbindlich ist. "40 Tage" war Jesus in der Wüste; "40 Tage" verbrachte der heilige Patrick auf dem
Cruachan Aigli,
und "40 Tage" mußten folglich auch die tapferen armenischen Widerstandskämpfer auf dem "Musa Dağ" verbringen. Tatsächlich waren es nur 36...
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Achtzehn Jahre später setzte der deutsch-böhmische Jude Franz Werfel dem Kampf der christlichen Armenier gegen die muslimischen Türken ein Denkmal mit dem Buch "Die vierzig Tage des Musa Dagh", das er als "Roman" bezeichnete - wie Frank Thiess seinen Bericht über die Seeschlacht bei Tsushima, E. E. Dwinger seinen Bericht über den russischen Bürgerkrieg oder David Irving seinen Bericht über die Ermordung des polnischen Generals Sikorski durch Churchills Killer. In allen Fällen geschah dies, um Prozesse oder Veröffentlichungsverbote zu vermeiden - es half nichts. In Deutschland darf Werfels Buch heute erscheinen (denn Bücher jüdischer Autoren dürfen in der BRD auch dann nicht verboten werden, wenn sie in schönstem Nazi-Vokabular und "völkischer Gesinnung" geschrieben sind), mit dem auf einem Auge blinden Hinweis: "Ende November 1933 erschien 'Die vierzig Tage des Musa Dagh'; in Deutschland wurde es sofort von offizieller Seite abgelehnt und zwei Monate später verboten. Eine 1933/34 in den USA geplante Verfilmung kam nicht zustande." Dahinter verbergen sich energische Demarchen der türkischen Botschafter in Berlin und Washington - die an beiden Orten Erfolg hatten. 1982 drehte der armenische Exilant Sarky Mouradian "40 Days of Musa Dagh" mit Kabir Bedi und Ronnie Carol in den Hauptrollen - der Film wurde zwar nicht offiziell verboten, aber in Deutschland bis heute nicht aufgeführt; die BRD hat heute subtilere Mittel der inoffiziellen Zensur als das vergleichsweise plumpe Dritte Reich, wo immer alles gleich "offiziell" vor sich gehen mußte. 2003 plante kein geringerer als Steven Spielberg eine erneute Verfilmung - mit Antonio Banderas in der Hauptrolle; aber wieder protestierte der türkische Botschafter. Mit Erfolg, denn die USA benötigten gerade dringend die Hilfe der Türkei für ihren Krieg gegen die Irak; und so wurde das Projekt denn unter sanftem Druck ad acta gelegt - aber das ist eine andere Geschichte.
Als 1989 die Mauer fiel und man endlich in den Ostblock reisen konnte, machte auch Dikigoros von dieser scheinbar viel versprechenden Möglichkeit Gebrauch und sah sich all das an, was ihm ein halbes Leben lang verschlossen gewesen war: die "DDR" (die es ja noch fast ein Jahr lang nach dem Mauerfall gab!), die Tschecho-Slowakei (auch die war noch nicht in ihre Bestandteile zerfallen), Rußland, die Ukraïne und - die "Volksrepublik Polen". (Dikigoros darf doch einstweilen die damalige Staatsbezeichnung wählen, nicht wahr? Von dem Land Polen - und den gleichnamigen Leuten - schreibt er gleich mehr.) Nein, er legte es nicht besonders darauf an, die "zur Zeit vorübergehend unter polnischer Verwaltung stehenden deutschen Ostgebiete" - wie er sie noch auf der Schule zu nennen gelernt hatte - anzuschauen, ganz im Gegenteil: Er wollte das echte Polen sehen, Warschau, Krakau, Tschenstochau, Przemysl... und nur weil die Bahnstrecke von und zu diesen im Süden gelegenen Orten halt durch Schlesien führte, machte er auch dort Station. Auf dem Hinweg, in Breslau, pardon Wraczlaw, nur zum Übernachten; auf dem Rückweg, in Oppeln, nahm er sich einen Tag Zeit, um nach Tschenstochau und seiner Schwarzen Madonna ein weiteres Heiligtum zu besuchen: das der heiligen Anna.
Wie entsteht ein Heiligtum, liebe Leser? Wenn Ihr die katholische Kirche fragt, dann durch irgendein mysteriöses, pardon erleuchtendes Ereignis, eine Vision, ein Wunder, möglichst in einer Zeit, die so weit zurück liegt, daß es niemand mehr nachprüfen kann. Aber manchmal, nein eigentlich immer, ist die Wahrheit viel banaler, und manchmal läßt sie sich sogar ziemlich genau rekonstruieren. Da wir hier auf einer Reiseseite sind, muß an dieser Stelle das Wort "Fremdenverkehr" fallen; denn wie Dikigoros bereits auf seiner Seite über "Kreuzfahrer und Troubadoure" geschrieben hat, war der Tourismus - was ursprünglich gleichbedeutend war mit Pilger-Tourismus - spätestens seit dem Mittelalter ein nicht unbedeutender Wirtschaftszweig. Was machte also ein kluger Politiker, wenn ein verheerendes Ereignis wie der Dreißigjährige Krieg über sein Land hinweg gefegt war und er die Wirtschaft wieder in Gang bringen wollte? Richtig - er schuf eine Tourismus-Attraktion. Ihr meint, in Schlesien hätte es doch weiß Gott andere und bessere Möglichkeiten gegeben? Ihr irrt: Die Schwerindustrie war noch nicht erfunden, mit Kohle und Stahl - der zwar schon erfunden, aber noch längst nicht reif für die Massenproduktion war (die Araber und die Inder stellten ihn mühsam per Hand her, für ausgesuchte Hieb- und Stichwaffen) - ließ sich nicht annähernd so viel Geld verdienen wie mit einem schönen Wallfahrtsort. Und so ließ der Bischof von Breslau die vergammelte alte Holzhütte, pardon das Franziskanerkloster auf dem Chelmberg bei Oppeln (der auch wechselweise nach zwei Heiligen, St. Georg und St. Anna - deren angebliche Gebeine man dort verwahrte - benannt wurde) im 18. Jahrhundert zu einem richtigen "Kalvarienberg" ausbauen, mit einem imposanten Kloster, aus Stein gemauert, vielen Kapellen und allem Pipapo. 1764, ein Jahr nach Beendigung des "Siebenjährigen Krieges", mit dem Schlesien "endgültig" (was man damals so für endgültig hielt) an Preußen fiel, war große Einweihungsfeier, zu der Pilger nicht nur aus Deutschland und dem benachbarten Polen, sondern aus ganz Europa strömten; im folgenden stellte der Annaberg allmählich alle Konkurrenten in den Schatten, vom französischen Lourdes bis zum polnischen Tschenstochau. So weit so gut.
Doch der König von Preußen war ja kein Katholik; und während Friedrich II, der Schlesien erobert hatte, noch ein hohes Maß an religiöser Toleranz aufwies (der einzige Grund, der es gerechtfertigt hätte, ihn "Friedrich den Großen" zu nennen, wenn es denn echte Toleranz gewesen wäre, und nicht bloß die Gleichgültigkeit eines Atheïsten), dachten seine Nachfolger nur daran, wie sie sich jene lukrative Geldquelle unter den Nagel reißen könnten. Wie schon den Briten, so waren auch ihnen die napoleonischen Kriege ein willkommener Vorwand: Erst die Rüstungen, dann die Reparationen (oder, wie man damals sagte, Kontributionen) verschlangen viel Geld, und die Kirche hatte welches, also enteignete man sie - Napoléon hatte es ja vorgemacht: "Säkularisation" nannte man das anno 1810. Daß man dabei meist das Kind mit dem Bade ausschüttete, sah man nicht. Man meinte (oder behauptete das wenigstens), die Menschheit - und den Staat - von einem Haufen nichtsnutziger, kostspieliger Schmarotzer zu "befreien"; aber die Kirchenmänner (und -frauen) hatten ja nicht nur da gesessen und Däumchen gedreht, sondern viel Sinnvolles und Nützliches getan, vom Bierbrauen bis zum Führen der Akten, die später die Standesämter übernahmen, deren Beamte man teuer besolden mußte, ganz zu schweigen von den kirchlichen Schulen, die im Schnitt heute noch deutlich besser sind als die staatlichen. Und der Tourismus, speziell der Tourismus auf dem Annaberg? Bis 1810 waren 80.000 Pilger pro Jahr gekommen (das war für damalige Verhältnisse sehr viel), danach ebbte der Strom merklich ab - wer hatte schon Lust, ein Pulvermagazin, zu dem man das Kloster umfunktioniert hatte, zu besichtigen? Ein knappes halbes Jahrhundert später verkauften die Preußen, in der Erkenntnis, daß sie die Kuh, die sie melken wollten, geschlachtet hatten, das ganze enttäscht an den Bischof von Breslau, und der holte die Franziskaner zurück. Dann kam Bismarck, der Narr, und machte Kulturkampf, der sich vor allem gegen die katholische Kirche richtete; die Mönche wurden erneut vertrieben. (Auch das hatten die Franzosen vorgemacht, wohlgemerkt nicht Napoléon III, sondern die Republikaner, die Bismarck durch den deutsch-französischen Krieg an die Macht gebracht hatte.) Damals entstand die Entfremdung der meisten Katholiken vom preußischen Staat, nicht nur in der Rheinprovinz, sondern auch in Schlesien. Man hat das später ziemlich einseitig als Konflikt zwischen "Deutschen" und "Polen" zu deuten versucht. Sicher spielte auch das eine Rolle, aber nicht die einzige, und vielleicht nicht einmal die Ausschlag gebende. Wenn man es einen Konflikt zwischen preußischen Protestanten und Katholiken (wozu ja nicht nur die Polen, sondern auch die Ex-Österreicher zählten) nennt, kommt man der Sache wahrscheinlich näher. Wie dem auch sei, nach Bismarcks Sturz wurde der Annaberg erneut zum Wallfahrtsort für Katholiken aus ganz Europa, und die touristischen Einrichtungen wurden beinahe professionell ausgebaut - noch kurz vor dem Esten Weltkrieg wurde die "Lourdes-Grotte" gebaut, daneben gabe es Pilger-Hotels und eine regelrechte Souvenir-Industrie - allein drei Verlage druckten erbauliche Schriften und Heiligenbildchen. Dann kam der Krieg, und nach dem so genannten "Waffenstillstand" vom November 1918 ging er weiter.
Die einen zerfleischten sich in Bürgerkriegen. (Nein, liebe Leser, denkt nicht immer nur an Deutschland - das war schon schlimm genug, aber "Peanuts" im Vergleich zu dem, was etwa Rußland und China durchmachten.) Die anderen gingen daran, sich Großreiche zu erobern. Daß das nicht immer gut ging, z.B. im Falle Griechenlands, hat Dikigoros bereits an anderer Stelle beschrieben. Aber im Falle Polens schien es zu klappen - vorerst wenigstens. Die Polen neigten von je her zu Selbstüberschätzung und Größenwahn, und seit ihre Königin Jadwiga im 14. Jahrhundert den litauischen Fürsten Jagiello geheiratet hatte, verfolgten sie ihre Großmacht-Ambitionen ohne Rücksicht auf Verluste. Ende des 15. Jahrhunderts hatten sie sich im Norden Ostpreußen, im Westen Böhmen (mit Mähren und Schlesien), im Süden Ungarn (mit Kroatien und Siebenbürgen), im Osten Weißrußland und die Ukraïne unter den Nagel gerissen; ihr Reich grenzte an die Ostsee, ans Mittelmeer und ans Schwarze Meer, es war größer als Deutschland und Rußland (das damals nicht viel mehr war als ein Fürstentum Moskau) zusammen. Von diesen Grenzen träumten die Polen 1918, als Rußland, Deutschland und Österreich-Ungarn im Ersten Weltkrieg zusammen bzw. auseinander gebrochen waren, wieder. Hatten sie nicht ein moralisches Recht darauf? Hatten sie nicht durch die "Teilungen" Polens im 18. und durch die Unterdrückung im 19. Jahrhundert von ihren Nachbarn bitteres Unrecht erlitten? Ach, liebe Leser, das sind verlogene Klischees, die nicht wahrer werden, bloß weil sie in polnischen - und seit einiger Zeit auch in deutschen - Schulbüchern ständig wiederholt werden. Die so genannten "Teilungen" waren in Wahrheit nur die Befreiung der von den Polen mehr oder minder grausam unterdrückten Völker. (Die ukraïnischen Kosaken z.B. hatten sich im 17. Jahrhundert freiwillig entschieden, von polnischer unter russische Herrschaft zu wechseln - das läßt tief blicken!) Die Polen selber waren sowohl mit dem "Großherzogtum Warschau" von Napoleons Gnaden als auch mit "Kongreß-Polen", das ihnen 1815 auf dem Wiener Kongreß zugestanden worden war, gut bedient. Das letztere stand zwar unter der Herrschaft des russischen Tsaren (in Personal-Union), war aber praktisch autonom. Doch die Polen wollten mehr, zettelten 1830 ihren berühmt-berüchtigten Aufstand an, und als der nieder geschlagen war, zog Rußland die Zügel fester an. In Österreich gab es praktisch keine Polen, und in Preußen wurden sie auch nicht mehr "unterdrückt" als deutsche Katholiken im Kulturkampf. "Moralisch" gesehen war also nicht viel dran an den polnischen Ansprüchen - und militärisch?
Nach dem "Waffenstillstand" von 1918 griffen die Polen zu den Waffen und fielen reihum über alle ihre Nachbarn her: Preußen, Litauer, Russen, Weißrussen, Ukraïner... Gegen die Russen wäre es beinahe schief gegangen, denn nachdem sie schon bis Kiëw vorgestoßen waren, schlug die Rote Armee zurück und trieb die Invasoren nach Westen vor sich her bis zur Weichsel, wo sie weniger ein "Wunder" rettete als vielmehr die Hilfstruppen, die Frankreich geschickt hatte. Mit denen marschierten die Polen erneut gen Osten - allerdings kamen sie nicht mehr ganz so weit wie zuvor. Nachdem sie also im Osten "nur" Weißrußland und die halbe Ukraïne erobert hatten, wandten sich die Polen nach Westen. Das kaschubische Westpreußen und Posen hatten sie durch das Versailler Friedensdiktat bereits kampflos bekommen, aber sie wollten mehr, vor allem das wirtschaftlich ungleich interessantere Schlesien. Dort hatten die blöden Alliierten freilich "Volksabstimmungen" angesetzt, d.h. das dumme Volk sollte befragt werden, zu welchem Staat es gehören wollte. Ja, wo gab es denn so etwas? Eigentlich nirgendwo. Nie und nimmer wären die Alliierten etwa auf die Idee gekommen, freie Abstimmungen im Elsaß, in Südtirol, im Sudetenland oder in der Mark Krain zuzulassen, denn sie wußten nur zu gut, wie die ausgehen würden: mit überwältigender Mehrheit für Deutschland. Ebenso klar war, wie Volksbefragungen in ganz Schleswig oder ganz Ostpreußen ausgehen würden, also verfielen die Alliierten auf einen Trick: Wie, wenn man nur diejenigen Teile jener beiden Regionen befragen würde, in denen Aussichten auf eine anti-deutsche Mehrheit bestünde? Gesagt, getan: In Süd-Schleswig wurde überhaupt nicht abgestimmt, und Nord-Schleswig wurde in zwei Zonen geteilt: eine nördliche und eine mittlere. In der nödlichen sprach man überwiegend "Dänisch", in der mittleren überwiegend "Deutsch" - aber was besagte das schon, liebe Leser? Das nordschleswiger Platt ist von dem dänischen Dialekt, der dort oben gesprochen wird, wesentlich weniger weit entfernt als etwa vom Bayrischen, daran hätte es also schwerlich gelegen! Aber Ihr müßt Euch das einmal konkret vorstellen: Über Deutschland war noch immer die alliierte Hungerblockade verhängt; Deutscher zu sein, das bedeutete damals, täglich dem Hungertod ins Auge zu schauen. Dagegen wurden die Nord-Schleswiger freigiebig mit dänischer Butter, Speck und Eiern beliefert - wie hättet Ihr da abgestimmt? Eben. Knapp 75% der Nord-Schleswiger dachten genauso und votierten für Dänemark. In der "mittleren" Zone gab es keine kalorienschweren Wahlkampfgeschenke, und da entschieden sich 80% für Deutschland - das war Anfang 1920. (Die Deutschen in Dänemark wurden dort so gut wie rechtlos gestellt; die Dänen in Deutschland erhielten Privilegien wie sonst keine Minderheit auf der Welt - und genießen sie bis heute, aber das nur am Rande.) In Ostpreußen dachten sich die Alliierten das so ähnlich: Im Nordteil einfach nicht abstimmen lassen, und im Südteil (wo die Mehrheit der masurischen Bevölkerung einen slawischen Dialekt sprach, den einige abwertend "Wasserpolackisch" nannten) würde man schon sehen. Aber als man die Stimmzettel auszählte, rieben sich die Alliierten ganz schön die Augen: schlappe 98% hatten für Deutschland votiert. Das war im Sommer 1920. Die Belgier ließen zwei Wochen später nichts anbrennen: Bei der Abstimmung in Eupen und Malmedy standen Soldaten mit Gewehr im Anschlag neben den Wahlurnen (die Abstimmung war nicht geheim). Wer für Deutschland stimmte, wurde sofort entschädigungslos enteignet und nach Deutschland deportiert. (Ein alter, mittlerweile verstorbener Schachfreund von Dikigoros hatte das noch miterlebt und es ihm erzählt - das findet man natürlich heute in keinem Geschichtsbuch mehr.) Von den knapp 34.000 Einwohnern votierten unter diesen Umständen ganze 270 für Deutschland. Im Frühjahr 1921 sollte die Abstimmung in Schlesien wieder nach dem altbewährten Muster statt finden: In Niederschlesien wurde nicht abgestimmt, und in Oberschlesien hoffte man, irgendwie eine polnische Mehrheit zusammen zu bekommen, auch ohne Soldaten mit Gewehren neben die Wahlurnen zu stellen. (Man hätte nicht genug gehabt, denn in Schlesien lebten ja ein paar Leute mehr als in Eupen und Malmedy :-) Aber "man" täuschte sich - wie schon in Ostpreußen: 60% der Oberschlesier stimmten für Deutschland. Was nun?
Einer wußte Rat - das war schließlich sein Beruf und seine Berufung: Rechtsanwalt Adalbert Korfanty, Abgeordneter des
preußischen Landtags und des deutschen Reichstags a.D., der plötzlich entdeckte, daß er weder Preuße noch
Deutscher war und daß sein richtiger Vorname "Wijciech" lautete. Gleich nach der verlorenen Abstimmung rief er zur Bildung von
"Freikorps" auf; und als er im Wonnemonat Mai genügend Truppen zusammen hatte, fiel er mit ihnen in Schlesien ein. Sein wichtigstes
Ziel war - der Annaberg.
(...)
Die deutschen Freikorps
Ernst von Salomon
(...)
Und nun kommen wir zurück zu der Frage, die wir schon oben beim Taubenhügel gestellt hatten: "Wozu das alles?" In den Drachenbergen lebten vier Generationen Holländer mehr oder weniger frei, und die fünfte lebt zwar nicht mehr in Freiheit, aber immerhin lebt sie noch dort - und vielleicht wird auch noch eine sechste Generation weißer Menschen dort irgendwie [über]leben können. Was aber ist aus den Deutschen in Schlesien geworden? Nicht mal eine Generation konnte nach der Schlacht am Annaberg noch in Frieden und Freiheit leben; 1945 wurden sie ermordet oder vertrieben, d.h. sie können nicht mal mehr in Unfreiheit dort leben; da ist wirklich alles vorbei, zumal die Polen schlimmer gehaust haben als die Zulu-Kaffern - in Oberschlesien sieht es heute noch trauriger aus als in Südafrika. Aber, liebe Leser, vor allem Ihr, liebe Nachkommen der Vertriebenen, die Ihr noch immer von einer Rückkehr träumt, weil Ihr das Land Eurer Vorfahren nur aus deren Erzählungen kennt und noch nie selber dort wart (sonst hättet Ihr diesen Alptraum längst ad acta gelegt), und Ihr, liebe Rechte, die Ihr noch immer glaubt, daß der Verlust Schlesiens - und der anderen Ostgebiete - ein furchtbarer Schlag gegen das deutsche Volkstum gewesen sei, Euch muß Dikigoros mal gehörig den Kopf waschen, und er will dabei mit Euren eigenen Waffen argumentieren. Ihr meint also, Schlesien könnte noch heute - oder morgen wieder - ein blühendes deutsches Land werden? Aber wie denn? Das würde doch voraussetzen, daß es dort deutsche Menschen gäbe, und mal ganz abgesehen davon, daß die dort alles mögliche und unmögliche polnische Kroppzeug, das man inzwischen dort angesiedelt hat, mit durchfüttern müßte - woher sollten diese deutschen Menschen denn bitte schön kommen? Die Deutschen waren ja schon in den 30er Jahren kein "Volk ohne Raum" mehr, wie es Hitler und die Nazis glaubten, sondern eines mit ständig sinkender Geburtenrate, trotz - oder wegen - des langsam wieder ansteigenden Wohlstands. Es ist nun mal so, daß Reichtum nicht dazu führt, sich mehr Kinder zu leisten, sondern eher mehr Autos, Fernseher und Urlaubsreisen, denn mit wachsendem Wohlstand sinkt die Bereitschaft, diesen zu teilen, und sei es auch nur mit den eigenen Kindern. Das scheint ein Naturgesetz zu sein, das man bei allen Völkern beobachten kann - die Deutschen machen da also keine Ausnahme. Aber nicht nur bevölkerungsmäßig, sondern auch wirtschaftlich waren die so genannten "deutschen Ostgebiete" von je her ein Zuschußgebiet, das nur mit "Osthilfe" und anderen Subventionen mühsam über Wasser gehalten werden konnte. So wie nach dem Zweiten Weltkrieg die Mitteldeutschen bis zur Errichtung der Mauer in Scharen gen Westen "übermachten", so taten dies nach (und z.T. sogar schon vor) dem Ersten Weltkrieg die Ost- und Westpreußen, die Pommern und Schlesier, die bevorzugt nach Berlin oder ins Ruhrgebiet auswanderten. (Dikigoros' Großvater, der nach Hamburg ging, war eher eine Ausnahme - aber auch er ging weg.) Was wäre denn mit den deutschen Schlesiern geschehen, wenn sie 1945 nicht vertrieben worden wären? Das gleiche wie mit den volksdeutschen Minderheiten in Amerika, Rußland, Polen und auf dem Balkan: Sie wären in den Mehrheitsvölkern aufgegangen, hätten "Kulturdünger" für sie abgegeben und ihr Deutschtum langsam aber sicher verloren. Für (West-)Deutschland war es ein ungeheurer Glücksfall, daß diese tüchtigen Menschen frühzeitig, d.h. solange sie noch echte Deutsche waren, "heim ins Reich" kamen, auch wenn dieses vorläufig kein Reich, sondern nur "Trizonesien" war; und ein eben solches Glück war es, daß die tüchtigsten Mitteldeutschen bis 1961 immer wieder der sowjetischen Besatzungszone den Rücken kehrten. Unter uns: Das beste wäre gewesen, sie wären geschlossen abgehauen und hätten das Gebiet zwischen Elbe und Oder den nachrückenden Polen und/oder Russen überlassen - was der dumme CDU-Kanzler Adenauer ja so sehr fürchtete, daß er Kennedy und Cruschtschëw beschwatzte, Ulbricht die Mauer bauen zu lassen. In (West-)Deutschland wäre es dann zwar etwas enger geworden, aber umso besser: dann wäre niemand auf die Idee gekommen, Ausländer ins Land zu holen, um sie erst als "Gastarbeiter" auszubeuten und sie sich dann als Asylanten, Wirtschaftsflüchtlinge usw. durchschmarotzen zu lassen und die Kriminalitäts-Statistik in ungeahnte Höhen springen zu lassen. (Merke: Je homogener eine Gesellschaft, desto geringer die Kriminalitäte - siehe Japan -; die "multikulturelle" Gesellschaft mündet immer in eine multikriminelle Gesellschaft.) Der Sieg der deutschen Freikorps am Annaberg 1921 führte immerhin dazu, daß dort noch eine Generation deutscher Menschen heran wuchs, die nach 1945 mithalfen, (West-)Deutschland wieder aufzubauen, und das war es wert, basta.
"25.12.43: 1. Weihnachtstag. 17.30 Uhr Abfahrt über zusammengeschossenen Cassino.
28.12.43: Feindliche Ari schießt auf jeden Einzelnen. Um 5.45 Uhr wieder Abmarsch.
4.1.44: Arifeuer verstärkt sich von Stunde zu Stunde. Bekomme eine weg...
28.4.44: Entlassen aus Resevelazarett."
(aus Urs' Reisetagebuch Italien)
Auch Dikigoros' Vater unternahm seine ersten Reisen als junger Soldat; er war sogar noch jünger als sein Sohn, als er zum ersten Mal ins Ausland fuhr - allerdings hatte er die Route nicht selber ausgearbeitet, sondern das anderen, erfahrenen Reisigen überlassen. Sein zweites Reisejahr (er hatte die große Fahrt nach einem knappen Jahr unterbrechen müssen, wegen einer Reisekrankheit) führte ihn ins schöne Italien. Eigentlich sollte es ihn ins schöne Afrika führen, aber noch bevor er ankam, war die Reise dort schon zuende; also blieb er in Italien hängen. Das alte Italien, die Wiege der Kultur Europas, und das neue, das junge Italien, die Wiege des glorreichen Fascismo - so hatte er es auf der Schule gelernt. Veder' Napoli e poi morire - Neapel sehen und sterben, so ein blöder Spruch; aber was scherte ihn der? Er hatte Neapel nicht gesehen, auch nicht Pompeii und Herculaneum, denn den "Bildungsausflug" durften nur die Herren Offiziere mitmachen, nicht die popeligen Mannschaften. Also war auch gar nicht einzusehen, warum er hier schon sterben sollte mit 19 Jahren. Die Reiseroute war übrigens fast zwingend vorgegeben, von der Natur, genauer gesagt von den Bergen der Abruzzzen. Die einzige brauchbare Verbindung (mal abgesehen von einem kleinen Weg an der Küste entlang, den man bestenfalls mit dem Eselskarren befahren konnte) zwischen Neapel, der alten Hauptstadt (die natürlich auch einmal jung war - "Neapolis" ist das griechische Wort für "Neustadt") Süditaliens (das die Griechen damals "Groß-Hellas" nannten) und der neuen Hauptstadt Rom (dem "ewigen" - wer konnte schon sagen, wie lange diese "Ewigkeit" noch dauern würde? Auf dieser Reiser hatte Urs schon andere scheinbar "für die Ewigkeit" gebauten Städte gesehen, die bald darauf nur noch Trümmer waren) führte seit Alters her über die Via Casilina (die heutige Nationalstraße 6), durch das Liri-Tal. Auf halbem Weg, auf einem gut 500 m hohen Berg oberhalb des Städtchens Casinum, hatten die alten Römer einen Tempel für den Gott Apoll errichtet - oder vielleicht hatten das sogar schon die alten Griechen getan - bei Apoll kann man das nie so genau sagen, denn er war der einzige Gott, der in der griechischen und römischen Mythologie (fast) den gleichen Namen trug: Apollo[n]. Nein, das war weder der höchste Berg vor Ort (das war der Monte Cairo) noch der der Straße am nächsten gelegene (das war der "Rocca Janula" genannte Felsen, aber der war nicht einmal 100 m hoch), doch es war vielleicht der schönste - jedenfalls nachdem der Tempel dort stand.
Was geschieht, liebe christliche Leser, wenn eine christliche Nation entdeckt, daß die bösen Heiden so etwas wie Kultur haben - vielleicht sogar eine höhere als die eigene? Richtig: Sie wird für "schlecht" oder "minderwertig" erklärt, zerstört und durch etwas besseres, sprich christliches ersetzt. Wo immer die Vertreter der christlichen Ideologie auf heidnische Heiligtümer, pardon Orte der Götzenverehrung trafen, wurden diese zerstört: heilige Eichen wurden abgehackt und mit Stumpf und Stiel ausgegraben, damit sie nie wieder wachsen konnten, heilige Brunnen zum Versiegen gebracht (so gut es eben ging), und "Götzentempel" abgerissen und durch Kirchen oder Klöster ersetzt - am selben Ort, das hatte den Vorteil, daß die "bekehrten" Heiden weiter zu den ihnen vertrauten Stätten pilgern und dabei gleich den wahren, allein selig machenden Glauben annehmen konnten. Im 6. Jahrhundert kam einer jener braven, christlichen Ideologen - die Kirche hat ihn längst heilig gesprochen, wir müßten seinem Namen also eigentlich ein "Sanctus" oder "Sankt" voran stellen - aus Nursia. Benedictus hieß er, der Gebenedeite, wie Luther das mangels einer ihm genehmen Übersetzung eindeutschte. Der gründete einen Mönchsorden, der bis heute nach ihm benannt ist, zerstörte den alten, "heidnischen" Tempel und richtete auf dem "Monte Cassino" ein Kloster ein. Bald darauf kamen böse Hunnen, pardon Germanen, vom Stamme der - nein, nicht der Vandalen, die sonst für jegliche Art anti-deutscher Greuel-Propaganda im Mittelalter herhalten müssen, sondern der Langobarden. Angeblich zerstörten die das Kloster; allerdings wurden die "Schätze" wie durch ein Wunder rechtzeitig gerettet und nach Rom geschafft. In den folgenden Jahrhunderten wurde noch ein paar Bösewichtern die Zerstörung des - immer wieder aufgebauten - Klosters nachgesagt: den Sarazenen, den Normannen, den heidnischen Göttern (die ein Erdbeben schickten) usw. Im 14. Jahrhundert entstand dann das Kostergebäude, wie es oben abgebildet ist und wie es fast 600 Jahre lang erhalten bleiben sollte.
Dikigoros ist wiederholt kritisiert worden, weil er ständig die alliierten Kriegsverbrechen anprangere und nie die deutschen. Darauf könnte er antworten, daß das in der Natur der Sache liege, weil die Deutschen kaum Kriegsverbrechen begingen, während die Zahl der alliierten Kriegs- und Nachkriegsverbrechen Legion ist. Oder er könnte sich auf den Standpunkt zurück ziehen, daß die wenigen deutschen Kriegsverbrechen (und diejenigen, die gar keine waren, aber als solche bezeichnet oder schlicht hinzu erfunden wurden) bereits Gegenstand zahlreicher Abhandlungen waren, während die Erwähnung der alliierten Kriegsverbrechen noch immer weitgehend tabu ist - jedenfalls in Deutschland -, weshalb sie einer Besprechung viel würdiger sind. Aber der eigentliche Grund ist wohl, daß sein Verständnis davon, was "Kriegsverbrechen" sind, von dem, was in unseren Geschichts- und Märchenbüchern steht, erheblich abweicht. Während z.B. die Sieger des Zweiten Weltkriegs 1947 auf dem inter-alliierten Verbrecher-Tribunal von Nürnberg die geschlagenen deutschen Militärs und das, was von deren höheren politischen Führung noch übrig geblieben war, wegen des neu erfundenen Verbrechens der "Vorbereitung eines Angriffskrieges" verurteilten, billigt Dikigoros zwar im Ergebnis das Urteil - Tod durch den Strang -, jedoch würde er als Grund nicht "Vorbereitung eines Angriffskrieges" ins Urteil schreiben, sondern "Nichtvorbereitung eines Verteidigungskriegs" - denn es waren die Briten, Franzosen und US-Amerikaner, die den Polenfeldzug - der sie gleich gar nichts anging - zum Vorwand nahmen, um einen neuerlichen Weltkrieg vom Zaun zu brechen, nicht die Deutschen - die es freilich wissen und sich besser darauf vorbereiten hätten müssen. Auch im Falle "Monte Cassino" kommt Dikigoros zu einem von der herkömmlichen Sicht abweichenden Urteil - aber diesmal stimmt er nicht einmal dem Tenor zu. Ja, diesmal will Dikigoros eine Ausnahme machen und nicht von einem alliierten, sondern von einem deutschen Kriegsverbrechen berichten.
Moment mal - will Dikigoros etwa bestreiten, daß es ein Kriegsverbrechen der Alliierten war, das von den Deutschen trotz seiner strategischen Bedeutung bewußt nicht verteidigte Benediktiner-Kloster in Schutt und Asche zu legen? Und haben die Deutschen nicht geradezu heldenhafte Anstrengungen zur Rettung wertvoller Reliquien und anderer unersetzlicher Gegenstände unternommen, nachdem die Alliierten das Kloster zerstört hatten und bevor sie selber beschlossen, die Ruinen (die ja immer noch stragetisch bedeutsam waren) zu verteidigen? Wurde darüber in den 50er Jahren nicht sogar ein Spielfilm gedreht mit "Blacky" Fuchsberger in der Hauptrolle, der an den Kinokassen (es war noch vor dem Fernseh-Zeitalter) ein großer Erfolg war?
Wohl wahr, liebe Leser, und die Handlung des Film entsprach sogar in etwa der historischen Wahrheit - was ja längst nicht selbstverständlich war und ist, wenn es um den Zweiten Weltkrieg im allgemeinen und die Rolle der Deutschen im besonderen geht. Die Deutschen opferten also Menschen und Material, um irgendwelche Klamotten in Sicherheit zu bringen? Na bravo. Wieviele Menschen mag diese "Heldentat" das Leben oder die Gesundheit gekostet haben? Ihr meint, das sei doch egal, die wären inzwischen eh gestorben, während die Kulturgüter unersetzlich waren? Merkwürdige Einstellung - das Gegenteil ist richtig: Der alte Krempel wäre früher oder später eh kaputt gegangen und hätte ersetzt werden müssen, und sei es durch mehr oder weniger exakte Kopien, wenn man das denn gewollt hätte - und wieviele im Bombenhagel Zweiten Weltkriegs zerstörten Gebäude und andere Gegestände sind nicht wieder hergestellt worden?! Der Genpool eines jeden Menschen dagegen ist unsterblich, d.h. die Gene der Menschen, die jenem toten Material geopfert wurden, hätten in ihren Nachkommen weiter leben können. Nun gab es damals vielleicht nicht viele Leute, die das so sahen - zum Glück für die Deutschen; denn wenn die Alliierten das damals schon in letzter Konsequenz erkannt hätten, dann hätten sie nicht nur die deutschen Städte und Kultur-Denkmäler zerstört, sondern doch noch den Völkermordsplan ihre jüdischen Finanzministers Morgenthau verwirklicht, der vorsah, die Deutschen nicht "umzuerziehen", sondern zu kastrieren, damit sie ausstarben. Aber das mit dem Erbgut, das war typische "Nazi-Wissenschaft" - und gerade deshalb hätten es die Nazis besser wissen müssen, d.h. sie handelten vorsätzlich (mit Wissen und Wollen), als sie es unterließen, den Krempel vom Monte Cassino Krempel sein zu lassen und sich dafür verstärkt um das Überleben von Menschen zu sorgen, d.h. die Transportkapazitäten zu nutzen, um Verwundete hinunter zu karren und dafür Munition und Verpflegung hinauf zu bringen. Hitler war ein Verbrecher, weil er Deutschland einem militärisch und politisch völlig unzureichend vorbereiteten Weltkrieg aussetzte - den die Alliierten schon seit Jahren systematisch planten und erstklassig vorbereiteten -; aber dieser Krieg wäre am Ende vielleicht doch noch glimpflich abgegangen, wenn nicht bis hinunter zu den kleinsten Einheiten andere Verbrecher gestanden hätten, die immer wieder den militärischen Vorteil gefühlsduseliger Überlegungen von "Ritterlichkeit", "humaner Kriegsführung" und "Völkerrecht opferten - so auch in Monte Cassino. Solche Verbrecher gab es nur auf Seiten der Deutschen - nicht zuletzt deshalb verloren sie den Krieg, und zwar völlig zu Recht. Und hinterher waren sie auch noch stolz darauf, die Narren...
Nachdem sich Dikigoros so lang und breit über Kriegsverbrechen ausgelassen hat, darf er doch auch mal etwas über "Heldentaten" schreiben, nicht wahr? Nein, nicht über vermeintliche Heldentaten wie die sinnlose Opferung der Kadetten von Chapultepec, sondern über echte militärische Heldentaten. Gibt es die? Na klar gibt es die; und er hat bereits an anderer Stelle definiert, was er darunter versteht: die Erreichung eines strategisch oder taktisch sinnvollen Ziels mit einem möglichst geringen Verlust an Mensch und Material, dies auch im Vergleich zum Verlust an Mensch und Material auf der Gegenseite. Es steht der Annahme einer Heldentat also nicht entgegen, wenn sie mit großer Übermacht gegen einen unterlegenen Gegner erzielt wird, solange die Verluste gering gehalten werden; und es macht umgekehrt noch keine Heldentat, sich einem überlegenen Feind entgegen zu stellen, um dann "mit fliegenden Fahnen" bis zum letzten Mann unterzugehen. Die herrschende Meinung sieht das freilich anders: Für sie ist nur ein toter Held ein guter Held; und je mehr Tote eine Schlacht gekostet hat - egal, ob verloren oder gewonnen -, desto größer das Heldentum. So kann es nicht verwundern, daß eine der jämmerlichsten Blamagen der "Roten Armee" im Zweiten Weltkrieg - der Kampf um die "Seelower Höhen" - als eine ihrer größten "Heldentaten" in ihre (und ihrer Satellitenstaaten) Geschichts- und Märchenbücher eingegangen ist und sich dort Jahrzehnte lang gehalten hat.
Aber wie war es wirklich? Mitte April 1945. Sowjetische Truppen haben, sechs Jahre, nachdem die UdSSR mit stillschweigendem Einverständnis der Deutschen Weißrußland, die Westukraïne, Estland, Lettland und Litauen annektiert haben (später auch - ohne deren Einverständnis - Rumänien, Bulgarien, Ungarn und Polen besetzt haben) die Oder nach Westen überschritten, im Süden stehen die US-Truppen vor Leipzig und Chemnitz; der Krieg ist für Deutschland militärisch verloren, auch wenn sich die Hauptstadt Berlin noch hält, denn sie ist bereits von alliierten Bombern so gut wie zerstört worden. Aber vor ein paar Tagen ist Franklin Delano Roosevelt gestorben, der Vater jenes Kriges, der die Anti-Deutschland-Allianz zustande gebracht und zusammen gehalten hatte. Hitler klammert sich an die Hoffnung eines neuen "Miracles", wie es einst - im sechsten Jahr des schon so gut wie verlorenen "Siebenjährigen Krieges" - das Haus Brandenburg und Friedrich II von Preußen (den sie daraufhin "den Großen" nannten) gerettet hatte. Also muß weiter gekämpft werden. Am Südwestrand des Oderbruchs, etwa auf halbem Weg zwischen Berlin und Landsberg an der Warthe, zwischen Eberswalde und Frankfurt/Oder, liegt auf einer Hügelkette, die nur ausgesprochene Optimisten als "Höhen" zu bezeichnen wagen, das Städtchen Seelow. Die Stellungen dort sind die letzten vor Berlin. Sie werden von einem "Regiment" Fallschirmjäger gehalten, das gerade mal Bataillonsstärke hat. Es besteht hauptsächlich aus Rekonvaleszenten, d.h. Verwundeten, die der "Heldenklau" vorzeitig aus den Lazaretten geholt hat. Das ist nicht weiter schlimm, denn in den letzten Kriegswochen ist es im Lazarett gefährlicher an der Front, da die alliierten Flieger sich einen Sport daraus machen, Lazarette bzw. Lazarett-Schiffe zu bombardieren - sonst gibt es ja kaum noch lohnende Ziele. Und im Lazarett kann man nicht mal zurück schießen; hier hat man dagegen - neben Handfeuerwaffen und Spaten, um sich einzugraben - immerhin sechs (!) 8,8-mm-Flakgeschütze. Die kann man theoretisch sogar gegen Panzer einsetzen, allerdings nicht, wenn die von unten den Berg herauf gefahren kommen, denn die 8,8 schießt bestenfalls waagerecht - wenn man sie schräg nach vorne neigte, würden sie umkippen. Also bleibt es bei der bewährten Panzerfaust. Nein, liebe Panzerjäger von heute, keine TOW, MILAN oder Javelin, bei denen man nur mal auf den Knopf zu drücken braucht, und schon pusten sie den Feindpanzer automatisch weg, sondern umgebaute Ofenrohre, mit denen man kaum zielen, geschweige denn treffen kann; und selbst ein Volltreffer auf die Frontpanzerung des "T 34" wäre in der Regel, d.h. wenn er nicht aus nächster Nähe käme, wirkungslos. Man muß die Ketten erwischen und hoffen, daß der Panzer stehen bleibt oder wenigstens seine Fahrt verlangsamt, ihm dann aufs Dach steigen, die Luke aufreißen, eine Handgranate hinein werfen, die Luke wieder zudrücken und hoffen, daß man heil wieder runter kommt. Die Soldaten, die hier an der Front stehen, haben das wenigstens noch gelernt; dagegen kommt der in Berlin stehende Volkssturm, den Hitler noch zusammen gekratzt hat, als ernsthaftes Aufgebot kaum in Frage.
[Das letzte Aufgebot ist noch gar nicht aufgeboten. Es ist die erst in der Aufstellung begriffene 12. Armee, nach ihrem kommandierenden General auch "Armee Wenck" genannt. Ein so genannter "Historiker", der selber nicht dabei war, sollte darüber ein Vierteljahrhundert später klug daher schreiben: "Die 12. Armee war Deutschlands letzte und beste Reserve, Personal und Fähnriche aus Offiziersschulen, ausgezeichnete Unteroffiziere, bewährte Frontoffiziere, dazu viele junge Menschen, die eben vom Arbeitsdienst kamen." Ja, das klang gut und schön. In Wirklichkeit waren es ein paar RAD-Pimpfe, denen man als Offiziere einige vorzeitig zum Leutnant beförderte Fähnriche der letzten deutschen Offiziersschule im dänischen Tondern mitgab. (Dikigoros' Vater war einer von ihnen, und einer der ganz wenigen, die schon "richtige" Fronterfahrung hatten, trotz seiner 20 Jahre sogar relativ viel, nämlich zweieinhalb Jahre: in der Ukraïne - selber als RAD-Pimpf -, in Italien - wie gesehen als Schütze Arsch - und in Kurland - als "Fahnenjunker-Unteroffizier d.R.") Und diese "letzte und beste Reserve" sollte noch eine Woche vor dem Endsieg bei Berlin verheizt werden... Nein, Dikigoros hat nichts gegen patriotische Geschichtsschreibung; aber wir wollen doch tunlichst bei der Wahrheit bleiben!]
Ihnen gegenüber stehen vier sowjetische Armeen mit zusammen fast 40.000 Artillerie-Geschützen und anderthalb sowjetische Panzer-Armeen mit fast 1.000 Kampfwagen unter ihrem genialen Kommandeur, dem Marschall Zhukow. Dessen "Genialität" erschöpft sich freilich in der altbewährten russischen Taktik des Frontalangriffs gegen die feindlichen Linien mit aufgepflanztem Bajonett und lautem "Hurräää...!" Was soll denn auch passieren? 48 Stunden lang haben 40.000 Geschütze die deutschen Stellungen umgepflügt - die sie freilich in weiser Voraussicht bereits geräumt hatten, um sie nach dem Beschuß wieder zu besetzen. Die Russen verlieren am ersten Tag an die 10.000 Mann - die Deutschen keinen einzigen. Nun schickt Zhukow seine Panzer los - er verliert über 200 (die Deutschen keinen - denn sie haben keine). So geht das drei Tage lang - wobei die Deutschen noch ein paarmal geschickt ihre Stellungen aufgeben und wieder einnehmen -, bis ihnen die Ofenrohre und die Handgranaten ausgehen.
(...)
Heute werden zu den "Seelower Höhen" wieder Pilgerfahrten, pardon Exkursionen veranstaltet, von unverbesserlichen Anhängern der "DSF"...
(Fortsetzungen folgen)
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