„Ich wage mich abends nicht mehr dorthin, das ist mir zu gefährlich geworden." Der 17 Jahre alte Bonner Gymnasiast meidet den südlichen Stadtbezirk Bad Godesberg, seinen Namen will er lieber nicht nennen. „Die Kanaken warten nur darauf, einen abzuziehen." Verhältnisse wie in der Bronx, Neukölln oder Pariser Vorstädten sind es (noch) nicht - aber „BadGo“ ist für viele zu einem „NoGo“ geworden. Nach dem Regierungsumzug vor zehn Jahren hat sich das Bild rasant gewandelt. Der einst beschauliche Kur- und Diplomatenort droht wegen Jugendgewalt und Gangs in Verruf zu geraten.
Vor allem schwelt ein neuer Konflikt: Migrantenkinder, die sich als benachteiligte Verlierer sehen, bringen sich gegen Elite-Sprösslinge aus gut betuchten Elternhäusern in Stellung.
Bereits mehrfach ist es zu Zusammenstößen der Parallelwelten gekommen - einmal in einer Massenrandale mit Baseballschlägern, Schlagringen und etlichen Verletzten im Kurpark. Lehrer und Sozialarbeiter machen auch die Gymnasiasten mitverantwortlich: Sie legten Arroganz an den Tag. „Die Schere wird immer größer.“
Bad Godesberg wird inzwischen schon Klein-Bronx oder Neukölln genannt
Die Bestandsaufnahme unter der Oberfläche bloßer Randale besagt: Es sind zwei Welten, die hier provokativ aufeinanderprallen. Migranten-Jugendgangs, bei denen „Gangsta-Rap“ und „Kanaken-Deutsch“ die Tonlage bestimmt und die sich selbst stolz „Ausländer“ nennen, wollen sich über Gewalt profilieren. Besonders im Visier: Schüler der beiden renommierten Privatgymnasien im Ort: dem jesuitischen Aloisius-Kolleg (AKO) und dem Pädagogium (Päda).
Die Lage veranlasste das Theater Bonn zu einem Recherche-Auftrag an die Autorin und Journalistin Ingrid Müller-Münch. Das Ergebnis liegt jetzt als Buch (“Zwei Welten“) vor. Zugleich wird ein Dokumentations-Theaterstück aufgeführt. „Es wird mit der Illusion aufgeräumt, hier sei alles in Ordnung“, sagt Müller-Münch. Etwa 60 Personen, darunter Polizeibeamte, Lehrer, Sozialarbeiter und Jugendliche beider Seiten, hat sie interviewt. Um offene und authentische Aussagen zu erhalten, wurde Anonymität zugesichert.
Was meist als Tabu behandelt wird, kommt hier klar zur Sprache: Jugendliche mit „Migrationshintergrund“ sind - nach eigener Einschätzung - gewaltbereiter als Deutsche. (Und sie sind stolz darauf, Anm. Dikigoros) Die deutsche Rechts- und Werteordnung wird nicht anerkannt.
Vor allem Gymnasiasten gelten als „Opfer“, denen man „Para“ (Geld), Handy oder MP3-Player „abzieht“. Oft fange Randale mit harmlosen Bemerkungen an, wie „Gib mal Kippe deutscher Pisser“, berichtet ein AKO-Schüler, eine falsche verbale Reaktion kann böse Folgen haben – ihm wurden die Vorderzähne ausgeschlagen.
Ein 19-jähriger syrischer Kurde wird von Müller-Münch zitiert: „Ich sag nicht, Deutsche sind schwach, aber die trauen sich nicht wie Ausländer, draufzuschlagen. Sie lassen sich auch viel gefallen. Die wehren sich nicht. Die tun nur zu ihren Eltern gehen und sagen, der hat mich geschlagen.“
Auf der anderen Seite der AKO-Schüler: „Die nutzen es natürlich auch aus, dass wir ne ganz andere Hemmschwelle haben als die. Also zum Beispiel, wenn ich jetzt zu einem hinginge, den anmache, hey, was willste, dann hätte ich sofort eine gekriegt.“
Ein CDU-Lokalpolitiker berichtet von sieben Jugendbanden in Bonn - „hübsch sortiert“ nach Migrationshintergrund.
„Zwei Bonner Problemviertel, Tannenbusch und Medinghoven, haben vor allem solche Gangs. Die verabreden sich regelrecht zu Keilereien. Die kommen ganz schnell nach Bad Godesberg, wenns sein muss.“
Die Bonner Gangs konkurrieren auch untereinander. Ihre Raps stellen sie ins Internet, etwa die „BBA“ (Brüser Berg Asis) oder die „MV“ (Medinghover Viertel). Star der Szene ist der Kurde Xatar mit seinen Gewalt- und Macho-Texten: „In der G-Star ein Schlagring mit dem du draufboxt, jeden ausknockst.“ Vor kurzem gab es nahe seiner Wohnung eine Banden-Schießerei mit Polizei-Großeinsatz.
Lebensmittelläden beherrschen das Bild der Godesberger Innenstadt
Auch anderswo gebe es die Problematik der zwei nebeneinander existierenden Welten, erklärt Müller-Münch. „Die Besonderheit von Bad Godesberg liegt darin, dass diese Entwicklung rasant mit dem Wegzug von Regierung und Bundestag, den Diplomaten und dem ganzen Personal einsetzte.“ Im Villenviertel wohnen nach wie vor pensionierte Diplomaten und Ministerialbeamte sowie gut situierte Bürger – auch Ex-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) wohnt hier. Gut verdienende Manager der Telekom und der Post sind neu hinzugekommen.
Doch in anderen Straßen zogen immer mehr Ausländer und Migranten anderer Schichten ein. Das Stadtbild bildet die Kluft ab: Die Gattin eines Ex-Diplomaten teilt sich die Fußgänger-Straße mit der verschleierten Muslimin oder dem Marokkaner im traditionellen Kaftan.
Unweit von Gründerzeitvillen gibt es Läden wie aus dem Orient, Döner und Ramsch. Das Viertel erlebt einen Umbruch und die Angst steigt. Eine Anwohnerin sagte Müller-Münch: „Mit den Botschaftskindern war es hier ein wunderschönes Leben und man brauchte keinerlei Angst zu haben.“
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