SACRÉ - CŒUR  DE  PARIS
DIE KIRCHE ZUM HEILIGEN HERZEN

Andrea (laut): Unglücklich das Land, das keine Helden hat!
Galilei: Nein. Unglücklich das Land, das Helden nötig hat.

"Am unglücklichsten jedoch das Land, das
Helden nötig hat und keine Helden hat."

[Martyrerkirche]

VON MARTYRERN UND ANDEREN HELDEN

EIN KAPITEL AUS DIKIGORS' WEBSEITE
REISEN DURCH DIE VERGANGENHEIT
GESCHICHTEN AUS DER GESCHICHTE

"Um als Held in die Geschichte einzugehen," sagt Jane, "muß man wohl zwei Voraussetzungen erfüllen: erstens eine erfolgreiche Revolution anzetteln und zweitens eines gewaltsamen Todes sterben. Nur ein toter Held ist ein guter Held. (Sie muß es wissen, denn sie studiert Geschichte.) "Wie Jesus und die christlichen Martyrer," sagt Tarzan. (Er muß es wissen, denn er ist lange genug auf eine katholische Schule gegangen und hat die Heiligen-Viten brav auswendig gelernt.) Sie stehen auf der Butte Montmartre, der Spitze des Martyrer-Bergs, und sehen hinab auf Paris. Hinter ihnen erhebt sich die weiße Zuckerbäcker-Fassade der Kirche zum Heiligen Herzen, die man in den Jahrzehnten nach dem verlorenen Krieg von 1870/71 als Heldengedenkhalle konzipiert und erbaut hatte - eine Rolle, die dann dem Panthéon zufallen sollte -, aber erst nach dem gewonnenen Ersten Weltkrieg einweihte, als simple Kirche; und vor ihnen jagen uniformierte Polizisten mit Gummiknüppeln illegale Schwarze, die hier versuchen, amerikanischen, deutschen und zunehmend auch japanischen Touristen kitschige Souvenirs zu verkaufen. "Souvenirs" bedeutet Erinnerungen - kann man die (ver-)kaufen? Aber hier bedeuten sie natürlich Erinnerungsstücke, Andenken (etwas mehr über die ursprünglichen und späteren Bedeutungen dieses Wortes hat Dikigoros hier geschrieben), und so sind sie auf das Thema ihrer Unterhaltung (und dieser Seite) gekommen.

Damals sahen sie das mit den Helden, den Heiligen und den Martyrern noch etwas undifferenziert - etwa wie der Künstler, der die 13 Gesichter auf der Fotomontage im Untertitel zusammen gestellt hat, deren Trägern wir hier meistenteils nicht wieder begegnen werden. Oder wie der polnische Satiriker Stanislaw Jerzy Lec, der schrieb: "Erste Voraussetzung der Unsterblichkeit ist der Tod." Bei der Gelegenheit sei für alle, die es nicht wissen sollten, nachgetragen, woher die Zitate aus dem Untertitel stammen. Zeile 3-4: Brecht, Leben des Galilei, 13. Auftritt; Zeile 5-6: Jewgenij Jewtuschenko (wenn Ihr den zu Eurer Schande nicht kennen solltet, liebe Leser, dann könnt Ihr diesem Übelstand hier ein wenig abhelfen), in direkter Antwort auf Brecht; Zeile 7-9: Ephraim Kishon, Titel, Tod und Teufel. In letzterem taucht der gleiche Gedanke wie bei Lec auf, wenngleich etwas weniger pointiert: "Bekanntlich ehrt das Vaterland seine bedeutenden Männer immer erst, wenn sie tot sind." Wohl wahr, aber diese Erkenntnis ist doch ziemlich banal. Heute wissen wir, daß neben der erfolgreichen Revolution und dem gewaltsamen Tod noch eine dritte Voraussetzung erfüllt sein muß: Der Held muß aus der Fremde kommen, sonst wird er zum "Profeten im eigenen Lande", auf den niemand hört. Wir können also gleich zu Beginn unserer Reise einige "Helden" aussortieren, die es nie zu Nationalheiligen bringen werden. Zuerst all diejenigen, die nur das getan haben, was ohnehin von ihnen erwartet wurde: die Thronerben und gewählten Parteiführer, die ohne Gewalt an die Macht kamen und auch im Falle großer politischer Erfolge und/oder eines gewaltsamen Todes bestenfalls zu dem werden können, was die Römer "Pater Patriae [Vater des Vaterlands]" nannten, z.B. Friedrich der Große und Bismarck in Preußen, Washington und Lincoln (den Ihr in der Bildermontage als ersten von links seht) in den USA (über diese vier berichtet Dikigoros an anderer Stelle), Kennedy, Gustav Adolf und Karl X von Schweden oder Nehrús Tochter Indirá Gándhí und sein Enkel Rájíw Gándhí in Indien. Im weiteren Sinne gilt das auch für Revolutionäre wie Cromwell in England, Mussolini in Italien, Mao Tse Tung in China, Ho Chin Minh in Vietnam, Fidel Castro in Kuba und Nelson Mandela (in der Bildermontage fünfter von rechts) in Südafrika, die sich zwar mehr oder weniger gewaltsam an die Macht kämpften, aber nicht von außen kamen, sondern vielmehr wohl etablierte Kinder ihrer Gesellschaften waren: ein Landedelmann, ein Redakteur, ein Lehrer, ein Mitglied der kaiserlichen Familie, ein Anwalt und ein Häuptlingssohn. Solche Leute neigen nicht dazu, ihr Leben einzusetzen (auch wenn sie in markigen Reden oft vorgeben, dazu bereit zu sein - so fehlt es fünf der sechs genannten bezeichnenderweise auch an dieser Voraussetzung des gewaltsamen Todes.) Aber selbst wenn sie es täten, würde das nicht viel helfen - es ist doch eine Selbstverständlichkeit, fürs eigene Vaterland zu sterben, oder?

[Exkurs. Vielleicht wird Mussolini eines Tages die erste Ausnahme von dieser Regel sein: Er stammt zwar aus Italien - aber vielleicht kann man ihm ja ein paar mexikanische Vorfahren andichten? Seine Eltern hatten ihn nachweislich nach dem damals nicht nur von ihnen so bewunderten Advokaten und Revolutionär Benito Juárez so genannt, er ist also gewissermaßen dessen geistiger Enkel. (Wenn sich Dikigoros nochmal die Bildermontage im Untertitel anschaut, dann scheinen ja heutzutage auch geistige Revolutionäre als solche anerkannt zu werden - warum dann nicht auch geistige Enkel?) Die beiden anderen Voraussetzungen erfüllt Mussolini ohne weiteres: Er gelangte gewaltsam an die Macht, und er starb eines gewaltsamen Todes, als ihn kommunistische Partisanen noch kurz vor Kriegsende grausam ermordeten. Einige Ereignisse in der italienischen Nachkriegsgeschichte scheinen diese Möglichkeit jedenfalls anzudeuten: Während in Deutschland nach 1945 jeder brave Bürger das Recht erhielt, seinen Vornamen - so er "Adolf" lautete" - zu ändern (und die meisten taten es; außerdem war es fortan ungeschriebenes Gesetz, daß niemand sein Kind mehr so nennen durfte; die Standesbeamten wurden angehalten, inoffiziell von dem Vornamen "abzuraten"), konnte in Italien eine Enkelin Mussolinis - die gar nicht mehr so hieß - den Nachnamen ihres Großvaters wieder annehmen, um damit in den Wahlkampf zu ziehen, und gewählt werden! Exkurs Ende.]

Erst derjenige, der eigentlich gar keine Veranlassung hat, für ein Land zu sterben, in das er nicht hinein geboren wurde, der aber dieses Land aus freien Stücken zu seiner Heimat wählt und für sie in den Tod geht, wird zu einem echten Martyrer der nationalen Sache. Und wenn er nicht aus dem Ausland kommt, der Irredenta (oder, wie die Katholiken auf Griechisch sagen - und es meist falsch betonen - in der Diasporá), dann muß es zumindest ein mehr oder weniger unsicherer Grenzkanton sein, oder er muß zu einer Minderheit gehören, nicht zum Staatsvolk. Diesen Typus des "Zugereisten" gibt es übrigens recht häufig in der Weltgeschichte, und oft hat er - wenigstens vorübergehend - bemerkenswerte Erfolge erzielt, die ihm so schnell kein "Eingeborener" nachgemacht hätte. Die bekanntesten Fälle sind der Korse Napoleon in Frankreich, der Georgier Stalin in der russischen Sowjetunion und der Ostmärker Hitler in Deutschland - aber die sind nur die Spitze vom Eisberg, die wir als Kinder des 20. Jahrhunderts am ehesten sehen. Es gibt ihn noch viel öfter, diesen Helden, der, wie Joachim Fernau einmal schrieb, immer über die Ebene kommt, oder, wie Dikigoros ergänzen möchte, übers Wasser (welches er, zumal im 20. Jahrhundert, nicht immer, aber immer öfter, nicht per Schiff, sondern im Flugzeug überquert hat): der Kreter Venizelos in Griechenland, der Usbeke Akbar und der Kashmiri Nehru in Indien, der Halb-Madurese und Halb-Balinese Soekarno im javanisch dominierten Indonesien, der halbe US-Kubaner Valera in Irland, der Halb-Kroate und Halb-Slowene Tito im serbisch dominierten Jugo-Slawien, der Halb-Litauer Pilsudski in Polen, der Galizier Franco in Spanien, der Slowake Dubcek in der tschechisch dominierten Tschecho-Slowakei, der Thraker Atatürk in der Türkei. [Dikigoros hat sie nach dem Alfabet "ihrer" Länder sortiert, weil er hier nicht über ihre Bedeutung oder Verdienste urteilen will - das tut er jeweils an anderer Stelle.] Sie alle haben sich ihren Platz in den Geschichtsbüchern erobert, vielleicht sogar als "Helden" - aber nicht unbedingt auch in den Herzen "ihrer" Völker als Heilige, jedenfalls nicht auf Dauer. (Bisweilen dauert dieser Kampf um das Königreich der Herzen noch an - z.B. in Frankreich, weshalb diese Reise nicht von ungefähr in Paris spielt.) Denn ihnen allen fehlt der gewaltsame Tod, genauer gesagt der Opfertod fürs Vaterland, kurz die Martyrerrolle. Es ist dies der schlimmste Faux-pas, den ein Aspirant auf den Status des Nationalheiligen begehen kann: Helden sterben nicht zuhause im eigenen Bett (geschweige denn im Altersheim oder Krankenhaus), sondern entweder auf dem Schlachtfeld von Feindes- oder wenigstens auf der Straße von Mörderhand.

[Exkurs: Gewaltsamer Selbstmord reicht nicht aus (jedenfalls nicht außerhalb Japans :-). Ein Held schleicht sich nicht aus der Verantwortung, indem er sich selber umbringt. Deshalb mag Fernau zwar Recht haben, wenn er in "Diesteln für Hagen" schreibt, daß Hitler es in Deutschland irgendwann einmal zum Helden bringen wird, aber höchstens zum "Pater Patriae", nie zum Nationalheiligen. Wer etwas anderes hofft oder fürchtet, ist blind für die Lehren der Geschichte. Wenn überhaupt mal jemand von den Nazis zum Nationalheiligen werden könnte - was Dikigoros bezweifelt -, dann allenfalls Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß, der alle drei Voraussetzungen erfüllt: Er ist in Ägypten geboren, nahm am gescheiterten Marsch auf München teil, und seine alliierten Kerkermeister haben ihm aus unerfindlichen Gründen den Gefallen getan, ihn erst unter Verstoß gegen alle von ihnen selber proklamierten "Menschenrechte" Jahrzehnte lang in Isolationsfolterhaft zu halten und ihn dann noch als Greis zu ermorden, womit sie ihn sozusagen in letzter Minute zum Martyrer machten. Außerdem hat er den nicht zu unterschätzenden weiteren Vorteil, daß er mit seinem England-Flug 1941 seine Freiheit und sein Leben nicht nur für sein Vaterland, sondern auch für den Weltfrieden eingesetzt und geopfert hat - und daß er nicht mehr in Deutschland war, als der "Holocaust" anlief, man ihn also nicht nur zum Friedens-, sondern auch noch zum Unschuldsengel hoch stilisieren kann. (Der Treppenwitz der Geschichte ist, daß Heß, wäre seine Friedens-Mission 1941 erfolgreich gewesen, nie zum Helden hätte werden können; denn Leute, die einen vernünftigen Kompromiß-Frieden schließen, werden das nun mal nicht - geschweige denn solche, die eine Kapitulations-Urkunde unterzeichnen). Exkurs Ende.]

Deshalb müssen wir auch sie aussortieren, ebenso diejenigen, die es nie geschafft haben, mit ihrer Revolution an die Macht zu kommen, wie z.B. Garibaldi, Gándhí oder Martin Luther King - so populär sie vorübergehend gewesen sein mögen, zumal solange man an ihren Erfolg glaubte -, und schließlich noch diejenigen, die zwar aufgrund ihrer großen militärischen Erfolge bisweilen auch als "Helden" bezeichnet werden, aber die ihr Kommando über ein Heer oder eine Flotte ganz regulär übertragen bekommen haben, wie Wallenstein, Cromwell, Nelson, Bolivar (in der Bildermontage vierter von links), Custer, Hindenburg oder deGaulle. Dabei spielt es keine Rolle, was sie später mit diesem Kommando angefangen haben und wie sie endeten - als Berufssoldat eines gewaltsamen Todes zu sterben ist doch eine Selbstverständlichkeit, oder? (Umgekehrt bekommt ja auch ein Mitglied der DLRG keine Lebensrettungs-Medaille, wenn er jemandes Leben rettet, denn das ist doch nur seine verdammte Pflicht und Schuldigkeit!) Nein, jemand, der nur seinen Job tut, ist kein Revolutionär, taugt also nicht zum Helden. Er muß vielmehr Amateur oder Dilettant sein - vorzugsweise aus einem fachfremden Beruf kommen, der ihm eigentlich das Gegenteil dessen vorschreibt, was er tut: Mediziner sollen Menschen heilen, nicht töten, Theologen für den Seelenfrieden beten, nicht kämpfen, und Juristen die bestehende Rechtsordnung verteidigen, nicht sie umzustürzen. Und nun schaut sie Euch an, die Herren Revolutionäre und ihre Berufe: Che Guevara war Arzt; Khomeini war Theologe; Robespierre und Danton, Juárez, Castro und Allende, Lenin, Trotski und Radek, Gándhí, Nehrú und Jinnah waren allesamt Advokaten - Schreibtischtäter und Schreibtisch-Revolutionäre, die sich selten persönlich die Finger schmutzig machen, geschweige denn ihr kostbares Leben aufs Spiel setzen wollten - obwohl es einige von ihnen dann doch erwischt hat, wenn die Revolution mal wieder ihre "Kinder" gefressen hat, wie es im Sprichwort heißt (richtig müßte es "Eltern" heißen), was diesen - auch wenn es nicht zum Helden, geschweige denn zum Nationalheiligen reicht - bei gewissen Zeitgenossen noch immer einige Popularität verleiht. Wie dem auch sei, für all diese Berufe muß man studiert haben, und deshalb kommt es wohl nicht von ungefähr, daß die Revolution der Geschichte immer wieder von Oberschülern und Studenten ausgehen (und nicht etwa von "Proletariern", wie sie uns immer wieder weiszumachen versuchen).

Die jungen Leute, die seit den späten 60er Jahren gegen die alten Leitbilder aufbegehren und nach neuen Helden suchen, sind durchweg Schüler und Studenten, und von der Universitätsstadt Paris, genauer gesagt von der Sorbonne, hat die Bewegung der so genannten "68er" in Europa ihren Ausgang genommen. Sie suchen ihre Helden in dieser wilden, revolutionären Zeit vor allem, ja fast ausschließlich im politisch linken Spektrum. Spartakus ist in aller Munde - an den deutschen Universitäten hat sich ein "Marxistischer Studentenbund" seines Namens gebildet. [Von seinem Zeitgenossen Caesar haben die meisten jungen Leute dagegen nur noch verschwommene Vorstellungen, obwohl auch der eines gewaltsamen Todes starb; aber er gilt halt nicht als Revolutionär (obwohl er auf seine Art durchaus revolutionär war :-), sondern nur ein "pater patriae".] Auch die Anhänger Trotskis bilden dort eine starke Fraktion. Dies ist allerdings nur möglich, weil keine bestimmte Nation die beiden für sich in Anspruch nimmt - man kann sie also für den "Internationalismus" in Beschlag nehmen. Man versucht das auch mit Mao Tse Tung, Ho Chi Minh und Nelson Mandela - man weiß noch nicht, daß der Chinese, der Vietnamese und der Neger ebenso unheldenhaft im Bett sterben werden wie der Kubaner Dr. Fidel Castro Ruz (für die vier wird es wohl langfristig nicht mal zum "pater patriae" reichen). Deshalb glaubt man auch noch, den Mitläufer, pardon Mitkämpfer des letzteren, den Argentinier Dr. Che Guevara, "internationalisieren" zu können - aber der erfüllt, wie wir gleich sehen werden, einfach zu viele Voraussetzungen für einen kubanischen Nationalheiligen, als daß man ihn jenem Land wegnehmen könnte, zumal er auch noch den Vorteil hat (ganz ähnlich wie Rudolf Hess in Sachen Holocaust), nicht mehr mit erlebt zu haben, wie der am Ende alles andere als fidele Castro die kubanische Revolution wirtschaftlich und politisch in den Sand setzte und das Land in Not und Elend stürzte (wie so viele National-Heilige, wenn man genau hin schaut sogar die meisten; aber das war unschädlich, solange ihr gewaltsamer Tod das gewissermaßen gesühnt hat - es gehört sich nicht, zu jammern, weil man selber hungert, wenn ein anderer sogar sein Leben geopfert hat.)

(Fortsetzungen folgen)

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[Paris im April]

Jahre sind vergangen, nein, Jahrzehnte. Aus Tarzan und Jane sind Herr und Frau Dikigoros geworden, und sie haben endlich mal wieder eine Woche Zeit gefunden, um gemeinsam nach Paris zu fahren, privat, nicht von Berufs wegen. Wie sang einst Gérard Lenorman: "À la porte d'Italie, on commence le voyage..." Ja, das tun sie auch, denn östlich der Avenue d'Italie, die zwischen Place d'Italie und Porte d'Italie verläuft, ist jetzt nicht mehr das Viertel der italienischen Gastarbeiter, die für harte Arbeit in den Teppichknüpfereien von Gobelin schlechtes Geld verdienten, sondern Chinatown, das sich ständig weiter ausbreitet, fast schon bis hinüber zur Place Jeanne d'Arc. Es ist eine Gegend mit konkurrenzlos gutem Preis-Leistungs-Verhältnis, denn überall anders in Paris sind die Hotels und Restaurants entweder schlecht oder teuer - oder beides. Italiener? Nein, die sieht man hier nicht mehr; und den Boulevard Garibaldi gibt es zwar noch - er trennt nach wie vor das VII. vom XV. Arrondissement, aber er ist arg geschrumpft, auf die kurze Gerade zwischen der Place Cambronne und der Rue Lecourbe. Westlich davon heißt er Boulevard de Grenelle, und südöstlich, nach dem Knick, Boulevard Pasteur - der geistige Großvater der keimfreien Milch in Tüten ist allemal wichtiger als der italienische Revoluzzer, der Napoléon III. geholfen hatte, den Krieg anno 1870 gegen die Preußen zu verlieren und es einfach nicht fertig gebracht hat, den Heldentod zu sterben - wie sagte schon Napoléon I: "Glücklose Generäle kann ich nicht brauchen." Der heimliche Nationalheld der Italiener ist längst der 1945 ermordete Benito Mussolini - seine geistigen Enkel sitzen inzwischen wieder an der Regierung (bisher nur in Italien, denn in Frankreich wird das noch durch das undemokratische Wahlrechtssystem verhindert, aber auch nur noch dadurch). Am Westrand der Stadt, am Nordrand des Bois de Boulogne, hat man ein neues, Stadtviertel aus dem Boden gestampft: An der Porte Maillot erhebt sich jetzt großk[l]otzig der Kongreß-Palast, und dahinter hat man die Champs Élysées verlängert bis nach Neuilly, breiter als in der Innenstadt, und sie nach Charly dem Gallier benannt, jenem Versager aus Lothringen, dessen geistige Enkel heute Frankreich und Paris regieren und krampfhaft versuchen, den Wegläufer zum "Verteidiger Frankreichs" hoch zu stilisieren. So heißt denn auch das Schickimicki-Viertel der Neureichen, das sich jenseits der zweiten Seine-Schleife im Westen erstreckt: "La Défense". Aber machen wir einen Sprung zurück an das Westufer der ersten Seine-Schleife, gegenüber vom Eiffelturm. Dort heißt noch immer eine Avenue nach John F. Kennedy, dem Ex-Präsidenten der USA - als sei das demaskierende Buch "Die dunklen Seiten von Camelot" des mutigen Juden Hirsch noch nicht bis nach Paris vorgedrungen.

Ja, die früheren Nationalhelden, über deren Ringen um den ersten Platz im Herzen der US-Amerikaner Dikigoros an anderer Stelle berichtet, Lincoln und Washington, sind vergessen - der erstere ist eine nicht einmal sonderlich populäre Automarke, der letztere eine ziemlich herunter gekommene Stadt voller Rassenprobleme, die nach außen hin sorgfältig tot geschwiegen werden. (Nach dieser Stadt ist auch die Rue de Washington in Paris benannt; wenn der alte Präsident gemeint wäre, müßte sie Rue Washington heißen.) Nein, die heutigen USA sind gespalten entlang der Rassentrennungslinien, welche die Farbenblinden so gerne nicht sehen wollen (weshalb sie ein Gesetz verabschiedet haben, daß auch Sehende nicht sagen dürfen, daß es sie gibt - sozusagen eine Umkehrung des Märchens "Des Königs neue Kleider", und weshalb auch der kurzzeitige Konkurrent der beiden vorgenannten, George Armstrong Custer, demontiert werden mußte, denn er war ja nur ein Nationalheld für die Indianer-Feinde), und deshalb gibt es dort jetzt zwei Nationalhelden: den besagten Kennedy und den schwarzen Friedens-Apostel "Martin Luther King".

Mitten im IV. Arrondissement, in bester Lage, Rue Sévigné Nr. 5, befindet sich das Kult-Lokal "La Havana". Nun kann man mit dem heutigen Kuba ja längst keinen Kult mehr machen - obwohl die UNESCO die Hauptstadt des kommunistischen Insel-Paradieses auf Kosten des bösen kapitalistischen Westens zum "Kulturdenkmal" erklärt und halbwegs saniert hat; wohl aber mit der Person, der sie das alles verdankt: Che Guevara, dessen Konterfei von der Plakatwand stiert, während die Jeunesse Dorée mehr schlecht als recht Salsa tanzt und ebenso schlechten wie teuren Cuba libre trinkt - aber das paßt ja nur.

Es ist Ostern. Alexandre Nevskij-Kathedrale, Moschee, St. Nicolas, Judenviertel.
Über Aleksandr Njewskij hat Dikigoros bereits an anderer Stelle etwas geschrieben - aber vielleicht nicht genug. Darf er sich vorab kurz selber zitieren:
Aber damals schrieb er aus der Sicht Kiews und der Ukraine. Muß man dieses Urteil aus russischer Sicht revidieren?...
A propos Ukraine: Stenka Rasin oder Stepan Bandera? Antwort: Bandera, weil er erst einen österreichischen, dann einen polnischen, nie aber einen ukrainischen Paß hatte - Stenka Rasin auch nicht; aber zu seiner Zeit gab es noch keine Pässe, und er war unzweifelhaft ein waschechter Ukrainer, für den es eine Selbstverständlichkeit hätte sein müssen, für die Ukraine zu sterben (wenn man denn zu seiner Zeit schon für "sein" Land gefallen wäre - was nicht der Fall war); tat er aber nicht, auch wenn man das später in diese Richtung zurecht biegen wollte: Er kämpfte wohl für die Freiheit, aber nicht für die der Ukraine, sondern für seine eigene. Und auf Dikigoros' Lieblingsfrage zu diesem Thema: "Freiheit wessen wovon wozu" müßte man in seinem Fall wohl antworten: Die Freiheit der Räuber von der Strafverfolgung, um ungestört marodieren zu können. Das mag zwar romantisch sein - aber für einen Nationalhelden ist es doch etwas zu wenig.

In Frankreich. Dort sind nicht etwa die Protagonisten der Revolution von 1789 zu Nationalhelden geworden, auch nicht ihr Nachfolger und Überwinder Napoléon (obwohl man seit einiger Zeit mehr oder weniger krampfhaft versucht, seinen Tod als "gewaltsam", nämlich als Folge einer allmählichen Arsen-Vergiftung darzustellen - aber das ist halt nicht gewaltsam genug), sondern ein ungebildeter Bauerntrampel aus Lothringen: Jeanne d'Arc. Aber kann man einer Frau von damals wirklich einen Vorwurf daraus machen, wenn sie keine höhere Bildung genossen hat? Wohl kaum; es hat immer Länder und Zeiten gegeben, in denen ihnen das vorenthalten wurde. (Auch die Analfabetin Phúlan Dewi - von der die meisten Leser noch nie gehört haben werden - hätte zur Nationalheldin werden können, wenn sie den Heldentod gestorben wäre, statt sich von der indischen Regierung kaufen zu lassen.) Sonst hat jedenfalls alles gestimmt: Es war in höchstem Maße revolutionär, sich als Frau in Politik und Kriegführung einzumischen, und am Ende wurde sie auf dem Scheiterhaufen verbrannt comme il faut. Ihr Denkmal, das sich dadurch auszeichnet, daß man sich nicht mal richtig drauf setzen kann (und die Vergoldung ist wohl auch nicht ganz echt), steht heute in der Nähe des Louvre. Warum versucht man ausgerechnet im linken Frankreich von heute, den Berufsoffizier und selbst ernannten "Kaiser" Napoleon als ihren Gegenspieler aufzubauen? Ganz einfach: Der rechte Front National hat sich Jeanne d'Arc geschnappt und sie gewissermaßen mit Beschlag belegt; das ist den Linken peinlich - da an den Wahlurnen schädlich.

Paris: Im Invalidendom liegt Napoleon; Jeanne d'Arc hat nur ein vergoldetes Denkmal.

Setzen wir unseren Stadtrundgang in Paris fort, liebe Leser, dann gelangen wir zum Panthéon, dem "Göttertempel". Dort liegen allerdings "nur" Dichter und Denker begraben, wie z.B. Victor Hugo. Wozu soll uns das als Aufhänger dienen? Nun, wenn Ihr Nicht-Franzosen seid, dann habt Ihr von Victor Hugo wahrscheinlich noch nicht allzu viel gehört oder gelesen. Nein, den "Glöckner von Notre-Dame" habe Ihr bestenfalls gesehen, als Film, denn der Roman ist - zumal im französischen Original - selbst für Muttersprachler nur mit Hilfe eines Wörterbuchs zu lesen (Dikigoros hat sich das mal angetan, als er noch jung war und viel Zeit hatte :-), allein die Beschreibung des Kirchenportals ist ein Kapitel für sich. Ihr, liebe deutsche Leser, kennt vielleicht noch seine "Rheinreise", Ihr, liebe Soziologen, "Les Misérables", und Ihr, liebe Literatur- und Theater-Wissenschaftler, die für diese "Wissenschaften" angeblich bahnbrechende Einleitung zu seinem Drama "Cromwell" - und damit sind wir beim Thema. Dikigoros interessiert freilich weniger die theoretisierende Einleitung über irgendwelche dramaturgische Prinzipien, sondern vielmehr der Titelheld. Über den hat er zwar schon an anderer Stelle geschrieben; aber hier interessiert ihn ja nur ein bestimmter Aspekte, den man auch in die Frage kleiden könnte: Warum hat England keinen Nationalhelden? Hengist und Horsa, über die Dikigoros an anderer Stelle schreibt, mangelt es wohl doch ein wenig an historischer Greifbarkeit. Das gleiche gilt nach Dikigoros' Meinung für Robin Hood - und wenn es ihn doch gegeben haben sollte, dann gilt für ihn das gleiche wie für den Ukrainer Stenka Rasin. Warum Nelson als waschechter Engländer und Berufssoldat für diese Rolle nicht in Frage kam, hatten wir schon gesehen. Aber Cromwell?
Schottland: Wallace - andere Geschichte - in Paris kennt ihn niemand. Ganz anders Maria Stuart, die Königin von Frankreich (und Schottland), die auch Königin von England werden wollte und diesen Ehrgeiz mit dem Leben bezahlte; aber zur Nationalheldin hat es auch bei ihr nicht gereicht, deshalb schreibt Dikigoros auch über sie an anderer Stelle.
Und Irland? Eamon de Valera erfüllt alle Voraussetzungen - nur die eine nicht: er starb eines natürlichen Todes, und deshalb ist sein Werk heute auch weitgehend in Vergessenheit geraten - die Iren sprechen kein Gaelisch mehr, obwohl sie es dank seiner inzwischen dürften...

Zwischenbemerkung: Vielleicht kaprizieren wir uns allzu sehr auf Personen des 19. und 20. Jahrhunderts? Gewiß, Nationalhelden und Nationalheilige entstehen vorzugsweise in Zeiten des Nationalismus, und das waren nun mal diese beiden Jahrhunderte in ganz besonderem Maße...

Polen: Kosciuszko - geboren in Litauen als russischer Staatsbürger, aber natürlich abstammungsmäßig Pole, war natürlich auch als Emigrant in Paris, wie so viele Polen - aber er starb friedlich im Bett.

Ungarn: der Slowake Kossuth hatte 1849 die Unabhängigkeit von Habsburg proklamiert - dto. Racocky? Ja, Kossuth, denn der Tod im Exil (1894) wird als dem gewaltsamen Tode gleichstehend empfunden. (Weitere Kandidaten bei zrinyi.htm) An seinem 100. Geburtstag, am 19.9.1902, wird in Buda-Pescht der Grundstein für ein Kossuth-Denkmal gelegt, und es kommt zu schweren Ausschreitungen gegen die Deutschen.)

der Mahdi - von Karl May verherrlicht

Ist Euch mal aufgefallen, liebe Leser, wie unverhältnismäßig viele "Held[inn]en" in der Bildergalerie oben aus Indien kommen? Wirklich unverhältnismäßig? Nun, wenn sie sich eingermaßen gleichmäßig über den indischen Subkontinent verteilen wüde, könnte man darüber streiten, denn warum sollte nicht jedes der indischen Völker "seinen" Helden haben? Aber sie stammen tatsächlich alle aus Bengalen (die anderen haben sie schlicht weggelassen, selbst den Gujrātī Gāndhī) - und das ist unverhältnismäßig.

Dikigoros hat seinen Reisebericht über Indien mit dem Satz betitelt: "Indien ist nicht Amerika", und zur Illustration die halbe Haura-Bridge neben die halbe Golden Gate Bridge gestellt; aber er hat diesem Reisebericht nicht den Titel gegeben "Paris ist nicht Kålkattā" - dennoch, oder gerade damit Ihr seht warum er da vorsichtig ist, hat er Euch hier das Heiligtum von Montmartre neben das von Dakshineshwar gestellt, die Sacré-Coeur-Kirche neben den Tempel der Göttin Kālī.

der Kongolese Patrice Lumumba

der Neger-Pastor Martin Luther King, der ebenso wenig "gewaltfrei" agierte wie Gandhi

Chile: Salvator Allende - gerettet hat der "Salvator" allerdings niemanden, nicht einmal sich selber...

Hatte Dikigoros weiter oben geschrieben, daß ein Japaner auch zum Helden werden kann, wenn er Selbstmord begeht? In der Tat: Der geneigte Leser mag den Namen des japanischen Nationalhelden noch nie gehört haben; er ist bis zum Jahre 1970 nur ein mittelmäßiger (aber gleichwohl überdurchschnittlich erfolgreichreicher) Schauspieler und Regisseur gewesen. Dann beschließt Mishima Yukio, eine Revolution zu machen: Er marschiert mit seiner "Wehrsportgruppe" Tatenokai ins Hauptquartier der japanischen Armee, nimmt den kommandierenden General gefangen und hält eine schöne Rede, in der er die Revolution für ausgebrochen erklärt - auch das Fernsehen hat er dazu eingeladen, das seinen Auftritt life überträgt. Aber statt des nun erwarteten Bürgerkriegs erntet er bei seinen japanischen Landsleuten nur Gelächter. Da nimmt er ein Schwert und schlitzt sich den Bauch auf. Welch eine Heldentat, mag so mancher Leser denken. Aber hat er nicht von allen hier vorgestellten Helden am wenigsten Unheil über seine Mitmenschen gebracht?

Achilleus

Viriatus (Lusitanier!) - nicht El Cid in Spanien, erst Söldner im Dienste der Araber, dann Räuberhauptmann auf eigene Rechnung - aber das ist eine andere Geschichte.

Vercingetorix

Caesar

Deutschland: Hermann der Cherusker, Siegfried von Xanten

Iesus Christus von Nazareth

Totila - nicht Odoaker (aber es gibt keine Goten mehr)

Frankreich: Jeanne D'Arc

verbrannt ist immer gut: Jan Hus!

30-jähriger Krieg: Wallenstein, Gustav Adolf v. Schweden - nicht Karl XII! Doch - 1868 Denkmal (Hedin-Bio!)

Peru: Tupac Amaru (s.o.)

Mexiko: Benito Juárez, Emil(io) Zapata - noch heute Zapatisten

Lumumba war kein Bakongo, sondern Batetela (aus Kasai)

Che Guevara war kein Kubaner, sondern Argentinier

Doch noch ein Kapitel über gescheiterte: USA: Martin Luther King nichts erreicht, Garibaldi nicht gewaltsam gestorben - alle eine Sauce!

Che Guevara, nicht Castro! Nicht: San Martín, Bolívar, Sucre, Uruguay: Artigas, Paraguay: Lopez.

Gandhi - auch die Nehru-Tochter und sein Enkel?

Die Rání von Jhánsí? - Pulan Dewi - die Macht der Frauen in Indien. Dennoch kommen nur Bosh, Gandhi und Shiwaji ernsthaft in Frage.

Thomas Müntzer

Man sollte meinen, die großen Lichtgestalten, die siegreichen Felherren und Schaffer großer Reiche

20. Jahrhundert:

Deutschland: Horst Wessel + Albert Schlageter, Heß, nicht Hitler!

Rußland: Nikolaj II

Ukraine: Stenka Rjasin und Stefan Bandera

Schweiz: Wilhelm Tell ist wahrscheinlich eine Märchenfigur wie Robin Hood, in der bestenfalls einige Charakterzüge und Taten "echter", d.h. historischer Personen zusammengefaßt wurden, vor allem von einem deutschen Dichter - aber darüber schreibt Dikigoros an anderer Stelle. Aber es gibt einen anderen Schweizer, der zum Nationalhelden taugt; und wenn Ihr mal in der Schweiz wart, liebe Leser, dann mü&zslig;te Euch das auch schon aufgefallen sein: Der Rütli-Schwur und die anderen Märchen aus dem 13. Jahrhundert werden zwar auch irgendwie erinnert; aber Wilhelm Tell weist wiederum den Makel auf, eines natürlichen Todes gestorben zu sein - jedenfalls weiß die Legende von keinem Heldentod zu berichten.
Ganz anders bei Arnold Winkelried, der außerdem historisch gut greifbar ist: Er opferte sich 1386 in der Schlacht bei Sempach, deren 600-jähriges Jubiläum in der Schweiz ganz groß begangen wurde. Das Jubiläum einer verlorenen Schlacht? Nein, nicht das der Schlacht, sondern eben der Heldentod Winkelrieds.


Italien: Nicht Rienzo, nicht Garibaldi, sondern Mussolini!

Ein paar Unbekannte müssen sein, neben Tupac Amaro noch José Rizal auf den Filipinen.

England: James Cook? Der wurde nicht wirklich ermordet, weil er James Cook war, sondern er landete nur durch einen blöden Zufall im Kochtopf irgendwelcher Südsee-Insulaner. Richard Löwenherz? Der starb auch nicht als König, sondern wegen irgend einer blöden Privatfede mit einem Gräflein von Limoges. Nelson? nein, nein nein - aber was fehlt ihnen? Cromwell? Wieder Vergleich mit Hitler?

Thomas Becket (1170 von König Heinrich II ermordet)

Streitfall Napoleon: Vergleich zu Hitler

Keine zwei anderen Staatsführer der Weltgeschichte sind von ihrem eigenen Volk (na ja, wenn man Korsen und Österreicher denn als Franzosen und Deutsche mitzählen will) so geliebt und von anderen Völkern so gehaßt worden wie diese beiden. Und da hören die Gemeinsamkeiten noch nicht auf: Beide haben sich aus kleinen Verhältnissen hochgedient - der korsische Korporal und der "böhmische Gefreite" (der nie Böhme war - das dachte bloß der verkalkte alte Hindenburg, der nicht wußte, wo Braunau am Inn liegt) -, beide haben eine Revolution in "bürgerliche" Bahnen gelenkt, beide haben im Frieden Ungeheuer viel geleistet, und beide sind im Krieg an Rußland gescheitert. Und nun die Frage nach den "Verrätern"

König oder Völk?

Simon Bolivar: die krümmste Avenue von Paris - aber nur ein europäischer Irrtum, in Lateinamerika kennt den kein Schwein - vgl. peru.htm. Statt dessen Tupac Amaru - der zweite!

Napoleon Bonaparte: nicht direkt - aber die Avenue Wagram läuft direkt auf die Place DeGaulle zu, wie die Place de l'Étoile heute heißt.

A la porte d'Italie, on commence le voyage... sang einst Gérard Lenorman - obwohl der damit eigentlich etwas ganz anderes sagen wollte, nämlich: Wer seine Abreise verpaßt hat, bleibt halt hier und sieht die Welt in den Augen seiner Geliebten. Dazu eignet diese Gegend sich allerdings ganz vorzüglich, denn die Porte d'Italie liegt heute am Eingang zum Chinesenviertel - wo auch Dikigoros und seine Frau stets absteigen, wenn sie nach Paris reisen. Garibaldi? Ja, ein Tante-Emma-Laden war kürzlich noch nach ihm benannt - Überbewertung der Franzosen... Etwas weiter östlich verläuft die Rue Jeanne D'Arc - und damit sind wir schon mitten im Wespennest... Die Franzosen hätten natürlich lieber Napoleon...

Was ist ein Held? Bei den Naturvölkern, die wir in unserer Arroganz "unzivilisiert" oder gar "wild" nennen, ist es ganz einfach: Wer möglichst viele Feinde tötet und dabei selber am Leben bleibt (möglichst, um noch viele Kinder zu zeugen, die ihrerseits wieder tapfere Krieger werden und viele Feinde töten).

Patton: "Ich möchte daran erinnern, daß bis jetzt noch kein Armleuchter einen Krieg gewonnen hat, indem er fürs Vaterland starb. Gewonnen hat er ihn, wenn er dafür sorgt, daß die anderen Armleuchter fürs Vaterland sterben." - Deshalb konnte und durfte er kein Held werden.

Österreich: Andreas Hofer - andere Geschichte. Eigentlich kämpfte er ja gar nicht für Österreich, sondern für Tirol, und nicht gegen Frankreich, sondern gegen Bayern - aber das ist eine andere Geschichte.

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Kann man einem Herrscher oder Staatsoberhaupt treu oder untreu sein? Ja. Kann man (s)einem Volk treu oder untreu sein? Ja, meint Dikigoros, aber nur biologisch (bei der Wahl des Partners bzw. der Partnerin zum Kinderkriegen), nicht politisch. Nein, Dikigoros zählt nicht zu denen, die zynisch behaupten "ubi bene, ibi patria (wo es einem gut geht ist das Vaterland)"; denn es gibt viele schöne Länder, in denen es dem einem gut gehen kann; und der andere hat soviel Pech im Leben, daß es ihm nirgends gut geht - will man ihm darob den Anspruch auf ein Vaterland verweigern? Oder kommt es darauf an, wo man zufällig geboren ist? Wohl kaum. Dikigoros würde es so definieren: Vaterland (Mutterland, Heimat, Nation usw. usw.) ist das Land, in das man freiwillig zurück kehrt, wenn man die anderen Länder der Welt gesehen hat. Deshalb kann es nie ein Land sein, das einem die Ausreise verweigert und einen dieser Erfahrung beraubt. Also kann ein DDR-Bürger nie Deutscher sein, denn er hat in diesem Sinne kein Vaterland, keine Heimat, keine Nation. Er ist einfach Insasse des Zwangsverbandes "DDR", so wie ein Russe (oder, wie es früher hieß "Sowjetmensch") immer nur Insasse des Zwangsverbandes Zarenreich, Sowjetunion, Rußland sein kann. Wohlgemerkt, das war keine Erfindung des Kommunismus, sondern die Russen waren nie frei, ihr Land zu verlassen; und sie sind es bis heute nicht. Deshalb war es ein ungeheurer Verrat an allen Vaterländern Europas, wenn die v. Stein, Clausewitz, Arndt und wie die adeligen "Kosmopoliten (Weltbürger - gibt es einen idiotischeren Begriff?)" sonst hießen, in den "Freiheits"-Kriegen für Rußland und gegen Napoleons Frankreich kämpften. Napoleon mochte die Nationen Europas unterdrückt haben wie Hitler (oder auch nicht, denn vielen Untertanen brachte der "Code Napoléon" - den wir heute in leicht überarbeiteter Fassung "Bürgerliches Gesetzbuch" nennen - persönliche Freiheiten und Rechte bis dato ungekannten Ausmaßes; und niemals zuvor oder danach sind in einem Krieg zwischen Franzosen und Deutschen die Unterlegenen so milde und ritterlich behandelt worden wie die Franzosen 1940 von Hitler, der die meisten Kriegsgefangenen nach Hause schickte - viele meldeten sich freiwillig nach Deutschland zur Arbeit oder später zum Kampf gegen Stalins Sowjetunion); aber auf lange Sicht hätten Deutsche und Franzosen (und die anderen Völker West- und Mitteleuropas) wohl gleichberechtigt neben einander gestanden im Kampf gegen die russischen Horden.

Napoleon hat heute ein positives Andenken, er gilt als "fortschrittlich". Metternich hat dagegen eine schlechte Presse: Er ist ein böser "Reaktionär". Im Sommer 1812, nach Napoleons gescheitertem Rußland-Feldzug, treffen sich die beiden in ??? Auf den Vorhalt Metternichs, daß es besser sei, Frieden zu schließen, da Frankreich ausgeblutet sei und nur noch Kinder und Greise an die Front schicken könne, antwortet Napoleon wörtlich. "Sie sind kein Soldat und wissen nicht, was in der Seele eines Soldaten vorgeht. Ich bin im Felde aufgewachsen, und ein Mann wie ich schert sich wenig um das Leben einer Million Menschen. Außerdem habe ich meine Franzosen immer geschont und, wenn irgend möglich, Deutsche und Polen geopfert. Ich habe in dem Feldzug von Moskau 300.000 Mann verloren, es waren nicht mehr als 30.000 Franzosen darunter." Ja, man wünscht sich, Deutschland hätte solche Führer gehabt...

1833 werden seine Denkmäler wieder aufgestellt,

Wie lange hatte es gleich gedauert, bis Jeanne d'Arc rehabilitiert wurde? Exakt 25 Jahre. Napoleon wurde nicht nur rehabilitiert, sondern zum neuen Nationalhelden gemacht, 21 Jahre nach der Katastrofe um Stalingrad, pardon, von Moskau, 20 Jahre nach der verlorenen Völkerschlacht von Leipzig, 20 Jahre nach seiner endgültigen Niederlage am Wasserloch [auf Englisch: "Waterloo"] von Belle Alliance, und exakt 100 Jahre, bevor... aber lassen wir das vorerst aus dem Spiel.

Fernau, Sprechen wir über Preußen: "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit - was sind das für dumme Parolen? Freiheit? Wovon, muß man doch wohl fragen. Wir sind ja frei. Gleichheit? Die Tiere sind auch nicht gleich, die Bäume auch nicht. Es gibt kluge Menschen und dumme, sollen die gleich sein? Es gibt fleißige und faule. Ich danke bestens, mit einem faulen Taugenichts gleich zu sein. Alles giftige Parolen! Und das französische Volk hat die Refolution ja gar nicht gemacht... Im Gegenteil, Bauern, Handwerker und Arbeiter sind in Massen hingerichtet worden. Revolutionen werden immer von den Herren Doktoren, Advokaten und Philosophen gemacht; rauf, hoch wollen sie, diese Herren: Graf Mirabeau, DAnton, St. Just und Robespierre, das ist das ganze Geheimnis." (Fernau wußte offenbar nicht, daszlgi; der Spruch "Liberté, Égalité, Fraternité" nicht aus der Revolution von 1789 stammte, sondern aus der von 1848 - aber damit befindet er sich in guter Gesellschaft, denn die offizielle französische Geschichtsschreibung verbreitet das ja heutzutage auch :-)

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