DAS KÖNIGREICH IM MEER
EIN KAPITEL AUS DIKIGOROS' WEBSEITE
REISEN DURCH DIE VERGANGENHEIT
GESCHICHTEN AUS DER GESCHICHTE
(hier: STORIES IN MODERN HISTORY)
Ja, liebe Leser, Dikigoros weiß wohl, daß die vielen Kapitel seiner "Reisen durch die Vergangenheit", die er England und den Engländern gewidmet hat, einigen von Euch allmählich zum Halse heraus hängen. Es hat sich im Laufe der Zeit so einiges angesammelt: Wilhelm der Eroberer, Richard Löwenherz und Johann Ohneland, Edward I, Richard III und William Shakespeare, Jonathan Swift, Charly Stewart und Oliver Cromwell, der Siebenjährige Krieg, Lord Nelson und Lord Byron, Königin Victoria und Prinz Albert, Gertrude Bell und T. E. Lawrence, George Orwell, Frederick Forsyth und Alan Sillitoe, Bill Ling, John Drake und James Bond, Winston Churchill und Margaret Thatcher, Lady Di und Prinz Charles, Norman Lewis und William Dalrymple, seine [Ex-]Kolonien Südafrika und Indien, seine Weltausstellungen und Olympiaden. (Dikigoros zögert, an dieser Stelle auch King Arthur alias König Artus zu erwähnen, nachdem sich durch einen Zufallsfund heraus gestellt hat, daß das gar kein Brite aus dem frühen Mittelalter war, der die Römer - oder Germanen - bekämpfte, wie man lange Zeit glaubte, sondern vielmehr ein Römer aus dem 2. Jahrhundert n.C., der richtig Lucius Artorius Castus hieß und gegen aufständische Briten kämpfte, mit einer "Tafelrunde" aus sarmatischen Legionären :-) Was soll denn da noch übrig bleiben? Nun, halt das letzte Six-pack, die "sechs Double-u's" (2xU=W - jedenfalls nach englischer Rechnung :-), die Dikigoros in die Untertitel gepackt hat: Zwei Wikinger, Wembley und Wimbledon, Wight und Woodstock - und wenn Ihr so wollt, gewissermaßen außer Konkurrenz, das Wetter. Er weiß, daß er damit nicht alle seine Leser glücklich machen wird. (Aber wer glaubt, daß das, was heutzutage z.B. an deutschen Universitäten über "England seit 1945" gelehrt wird, informativer und/oder spannender ist, kann ja hier weiter lesen - viel Spaß! :-) Erfahrene England-Reisende werden vielleicht fragen: Wären die drei "F" - Fish'n Chips, Fuchsjagd und Pferderennen - nicht viel passender als die mutmaßlich nur in der Märchen- und Geschichten-Schreibung mittelalterlicher Mönche existierenden Heerführer "Hengst" und "Roß"? Wie hoch ist schon der Stellenwert von Pferden für eine Nation von Inselbewohnern und Seefahrern? (Mal abgesehen von Seepferdchen und Einhörnern, die sich gut als Wappentierchen machten, bevor man auf den grimmen Leu umstieg :-)
"When the last eagle flies... and the last lion roars... they will stare unbelieving at the last unicorn..."
Ließ nicht Maggy Thatcher, die Eiserne Lady, die Royal Navy gen Argentinien reisen, um die Schafe der Malvinas, pardon der Falkland-Inseln von einer bösen, faschistoïden Militär-Diktatur zu befreien? (Das ist kein Witz, liebe Leser, sondern bitterer Ernst - Schafzucht und Wollverarbeitung hatten Britannien einst groß gemacht; ohne Schafe keine Textilverarbeitung und keine Industrialisierung - wozu hätten die berühmten Dampfmaschinen denn sonst laufen sollen? Und seit Orwell's Animal Farm wissen wir doch, wie wichtig Schafe auch als demokratisches Wahlvieh sind: "Argentina b-a-a-a-d, Britain b-e-e-e-tter" :-) Die vierte Zeile ist also durchaus angreifbar. Und die dritte? Regiert in England nicht zur Zeit eine Königin, die Lizzy (von der viele meinen, daß sie eh nicht mehr zu retten ist), und gar kein König? Und wer weiß, ob noch jemals wieder einer regieren wird? Noch nie hat sich in England ein König mit Namen Charles längere Zeit auf dem Thron halten können - und der nächste Kandidat kann das ja nicht mal auf einem Polo-Pferd! (Obwohl böse Zungen behaupten, daß er inzwischen sogar mit einem verheiratet ist - aber dieser Vergleich mit Lady Camilla ist eine Beleidigung für jedes anständige Polo-Pferd!) Seine Söhne wollen auch nicht so recht König werden, wie man hört. Dann bleibt es vielleicht doch an Charly's Tante, pardon Schwester hängen, der Anne? (Die kann jedenfalls besser reiten als ihr Bruder. Aber ob sie das nötig hätte? Ihre Schmiergelder als IOC-Funktionärin sind doch wahrscheinlich höher als es ihre Apanage als Königin jemals wäre!) Oder geht die Thronfolge dann eher auf Charly's jüngere Brüder über? Dikigoros kennt sich da nicht so aus, lassen wir das... Vielleicht ist die Monarchie auf den britischen Inseln ja insgesamt nicht mehr zu retten, und man wird "to save" künftig nicht mehr mit "retten", sondern nur noch mit "sparen" übersetzen: Die Briten könnten sich die Monarchie sparen... Wäre das die Strafe Gottes dafür, daß Lizzy ihre Schwiegertochter, Lady Di, um die Ecke, pardon durch durch den Tunnel, hat bringen lassen? Nein, Dikigoros glaubt nicht an die himmlische Gerechtigkeit, geschweige denn an die irdische (er muß es wissen, denn er ist Anwalt); und in diesem speziellen Falle findet er sogar, daß die Queen von Gottes Gnaden der irdischen Gerechtigkeit lediglich etwas nachgeholfen hat. Ihr kennt doch den Wahlspruch des englischen Königshauses, wie er sich auf dem Hosenband-Orden wiederfindet, nicht wahr, liebe Leser? "Dieu et mon droit - honni soit qui mal y pense!" - frei übersetzt: "Gott und ich haben immer Recht - ein Schelm wer Böses dabei denkt!"
Aber welches wären die Alternativen gewesen? "God shave the King"? Der Witz hat doch sooo einen Bart... Das "perfide Albion"? So nannten die Franzosen England seit dem 100-jährigen Krieg, genauer gesagt seit der Schlacht von Azincourt anno 1415, als die Engländer fast alle französischen Kriegsgefangenen massakrierten, pardon, als Kriegsverbrecher hinrichteten, dann sie hatten den Krieg ja angefangen, indem sie die Herrschaft der gut demokratischen britischen Invasoren, pardon Befreier (nein, nicht von ihren Nazi-Armbanduhren - die gab es damals noch nicht -, nur von ihren Schlössern :-) nicht freiwillig anerkennen wollten. [Andere meinen, daß sich der Begriff erst nach der Ermordung, pardon Hinrichtung der französischen Nationalheldin Jeanne d'Arc, der Jungfrau von Orléans, welche die Engländer bzw. ihre französischen Alliierten als "Hexe" verbrannten, durchgesetzt habe - auch das will Dikigoros nicht ganz ausschließen. Die dritte Theorie, daß die Franzosen die Engländer erst seit 1801 so nannten, nachdem letztere die friedlich im Hafen von Kopenhagen vor Anker liegende kleine Flotte des neutralen Dänemarks überfallen und die Matrosen allesamt ermordet hatten, überzeugt ihn dagegen nicht, denn erstens ging die Franzosen die dänische Flotte überhaupt nichts an (mal abgesehen davon, daß sich Napoléon Bonaparte die selber gerne unter den Nagel gerissen hätte :-), und zweitens hatte ein gewisser Auguste de Ximenès schon ein paar Jahre zuvor ein Gedicht geschrieben, in dem die Zeile stand: "Attaquons dans ses eaux la perfide Albion" - greifen wir das perfide Albion in seinen (eigenen) Gewässern an.] Und so nennen sie es auch heute noch.
[Exkurs. Dieser Haß zwischen Franzosen und Engländern beruht übrigens durchaus auf Gegenseitigkeit. Darf Euch Dikigoros ein paar Sätze aus der Feder von Englands populärsten Komiker der letzten Jahrzehnte, Rowan Atkinson (alias Mr. Bean alias Blackadder) zu Gemüte führen - wenn er ihn auf seinen "Reisen durch die Vergangenheit" schon sonst nirgends würdigt? (Leser, die das nicht interessiert, können diesen Absatz getrost überspringen.) Die Episode über den "Scharlachroten Pimpernell" beginnt mit einer
Szene
im Londoner Coffee-shop von Mrs. Miggins. "Bongshoor Missyer" wird Blackadder von der Inhaberin begrüßt, die wie alle damals ganz von den französischen Adeligen hingerissen ist, die damals als AsylantenExilanten in England leben. "Was?" fragt Blackadder. "Das ist Französisch," erklärt sie ihm strahlend. "Genauso wie Froschfressen, Grausamkeit zu Gänsen und Auf-die-Straße-urinieren," gibt er zurück und wünscht einen typisch englischen Pie zu kaufen. Leider gibt es nur noch französische Speisen, und allesamt in einer "Sauce à la Pimpernell". "Woraus besteht die eigentlich?" will Blackadder wissen. "Ganz einfach," sagt die Inhaberin. "Man nimmt einen großen Frosch, dreht ihm den Hals um und..." Blackadder verläßt fluchend den Laden. Und in "Back and Forth" - in der Blackadder an der Wende vom 2. zum 3. Jahrtausend eine Reise in die Vergangenheit unternimmt (in einer nach Leonardo da Vincis Plänen gebauten Zeitmaschine :-) - spielt eine
Szene
in Waterloo, wo gerade die Vorbereitungen zur Schlacht im Gange sind. Da fragt der "Duc de Darling" seinen Kaiser Napoléon: "Aber Majestät, warum wollen wir eigentlich England erobern? Dort ist der Wein doch aus Kuhpisse gemacht, und die Frauen dort haben allesamt lange Bärte!" Darauf Napoléon: "Weil die Briten so tough sind. Sie nennen uns Weicheier und Schlappschwänze und Warmduscher..." - "Mit Verlaub, Majestät, das sind wir doch auch: Wir haben die Blümchentapete erfunden, das Soufflet und den süßen Likör. Aber wenn wir den Hügel dort angreifen, werden die Engländer uns massakrieren!" Blackadder landet mit seiner Zeitmaschine glücklich direkt auf Wellington, wobei er ihn tötet, nimmt ihm die Stiefel ab - die mitzubringen war Bestandteil einer Wette, derentwegen er die Zeitreise unternommen hat - und kehrt glücklich an die Jahreswende 1999/2000 zurück, wo seine Freunde ihn und die Beutestücke bereits mit großer Spannung erwarten. Als er alles vorgelegt hat (neben Wellingtons Stiefeln - kleines Wortspiel, denn hohe Stiefel heißen in England bis heute "Wellingtons" - noch die Krone von Elisabeth I, das von Shakespeare handsignierte Deckblatt von Macbeth, den Hut von Robin Hood und einen Helm der römischen Besatzungstruppen im alten Britannien), sagt George: "Sie haben die Wette zweifellos gewonnen, Blackadder. Herzlichen Glückwunsch, und hier sind Ihre wohlverdienten 10.000 Francs." - "Sie wollten sagen, meine 10.000 Pfund." Schallendes Gelächter im Raum. "Das Pfund benutzen wir doch schon seit fast 200 Jahren nicht mehr, seit der Kaiser Napoléon die Schlacht von Waterloo gewonnen hat. Aber nun wollen wir weiter keine Zeit verlieren, sondern uns im Fernsehen die Neujahrsansprache des Präsidenten der Republik anschauen - sie wird direkt aus Versailles übertragen. Und anschließend gehen wir ins Ballett." - "Moment, kann ich noch mal eben kurz in die Vergangenheit zurück fliegen?" - "Aber warum denn gleich, Sie haben doch noch gar nichts von unserem köstlichen Knoblauch-Pudding probiert!" Beim Anblick jenes Ersatzes des traditionellen englischen Plum-Puddings dreht sich Blackadder der Magen um; er sammelt seine Siebensachen, fliegt noch einmal in die Vergangenheit und korrigiert all den Schaden, den er dort auf seiner ersten Reise angerichtet hatte, insbesondere auf dem Feld von Waterloo. (Außerdem hatte er noch Robin Hood umgebracht und Shakespeare das Dichten ausgeredet, aber das sei nur nebenbei erwähnt :-) Noch Fragen zum Verhältnis zwischen Engländern und Franzosen? Exkurs Ende.]
Andere Nationen - besonders solche, die den letzten Krieg verloren haben - müssen solche Gefühle für sich behalten. Deshalb wäre es auch nicht opportun gewesen, etwa die Zeile "Wir fahren gegen Engelland" einzufügen, obwohl die sich so gut über einem Reisebericht machen würde; aber das hätte mancher Leser, der noch weiß, wovon jenes
Liedchen von Hermann Löns
handelt, womöglich als "militaristisch" empfunden. [Weitere nette Liedchen über England, die oft mißverstanden werden (oder auch nicht :-) findet man
hier und
hier,
auf einer kanadischen Webseite; in der Bananenrepublik säße ihr Betreiber - ein amerikanischer Pazifist und Liedersammler - sicher längst wegen "Volksverhetzung" im Gefängnis.] Man kann es halt nicht jedem recht machen; also hat Dikigoros sich diesmal nicht nur den Titel, sondern auch die Unter-Titel zusammen geklaut: Anno 1936 schrieb der Ostfriese Albrecht Janssen ein Buch mit dem Titel "Das Königreich im Meer"; er nannte es einen "Roman aus der Gegenwart"; aber was er da schrieb, war weniger romanesk als vielmehr ganz realistisch - deshalb wurde das Buch 1945 von den alliierten BesatzernBefreiern auch verboten, so daß 1983 ein deutscher Verlag den Titel des Reisebuches "The Kingdom by the Sea [Das Königreich am Meer]" (der wiederum aus einem Gedicht von Edgar Allen Poe stammte) von
Paul Theroux
so ungenau übersetzen konnte. Danach zitiert Dikigoros einen britischen Geschichts-Professor, die englische
National-Hymne, einen deutschen
Admiral, einen britischen
Premier-Minister und einen
österreichischen
Schlagersänger.
Und damit Ihr nicht glaubt, liebe Leser, Dikigoros wüßte nicht, daßauch Albrecht Janssen den Titel nur abgeschrieben hat, will er Euch hier noch die mutmaßliche Quelle vorstellen - auch, weil sie ihm so gut zum Thema zu passen scheint:
"Wenn jene, die Euch verführen, zu Euch sagen: Siehe, das Königreich ist im Himmel, so werden Euch die Vögel des Himmels zuvor kommen. Sagen sie zu Euch: Das Königreich ist im Meer, so werden Euch die Fische zuvor kommen. Doch das Königreich ist in Euch und um Euch herum. Wenn Ihr Euch erkennt, so werdet Ihr erkannt werden... Wenn Ihr Euch jedoch nicht erkennt, so seid Ihr in Armut - und Ihr seid in Armut!" (Nein, liebe Christen, den Text müßt Ihr nicht kennen; er ist aus dem so genannten "Thomas-Evangelium", und das erkennen die offiziellen Kirchen ja nicht als solches an - aus gutem Grund :-) |
Früher fingen Geschichtsbücher immer mit Adam und Eva an oder mit der Arche Noah - jedenfalls mit der Genesis. (Deshalb wußte man damals auch noch, woher das britische Wappentier kommt :-) Heute, da kaum noch jemand die Bibel gelesen hat (geschweige denn daran glaubt, was drin steht - dabei dürfte ihr Wahrheitsgehalt den der meisten heutigen Geschichtsbücher eher übertreffen :-), da man mit "Genesis" allenfalls noch eine britische Pop-Gruppe assoziiert, zieht man es vor, mit den so genannten "Ur-Einwohnern" eines Landes anzufangen. Wie anmaßend, wissen zu wollen, wer das war! Wenn wir ehrlich sind, wissen wir doch eigentlich nur, daß es in den meisten Ländern gar keine "Ur-Einwohner" geben kann. Der Mensch stammt wahrscheinlich irgendwo aus dem ostafrikanischen Hochland (nach anderer Meinung aus dem Kaukasus; aber diese Frage können wie getrost dahin stehen lassen, sie bringt uns hier nicht weiter), jedenfalls nicht von den britischen Inseln. Auch deren erste Bewohner können also nichts anderes gewesen sein als die ersten Zugereisten. Manche meinen, es seien die Briten gewesen, ein Stamm der Kelten (die wohl aus Mitteleuropa kamen). Und wenn Irland nach einem keltischen Stamm, den Iren, heißt, und Schottland nach einem keltischen Stamm, den Scoten, und Wales nach einem keltischen Stamm, den Walisern - warum sollte man dann nicht die Inseln insgesamt nach den Briten nennen? Schließlich ist von ihnen ansonsten nicht viel übrig geblieben: weder eine größere Bevölkerungszahl (und damit im Zeitalter der Massendemokratie auch kein politischer Einfluß) noch ein nennenswertes kulturelles Erbe - Sprache, Literatur, Religion und Kunst der alten Briten sind so gut wie tot. Vielleicht versäumen wir dabei gar nicht so viel; denn sie scheinen sich vor allem dadurch ausgezeichnet zu haben, daß sie allenthalben große Hinkelsteine aufstellten, um ihre Druiden, allen voran den berühmten Merlin, bei den Himmelsgöttern für schönes Wetter beten zu lassen. Viel geholfen zu haben scheint es allerdings nicht, denn auf den britischen Inseln treffen wir bis heute meist Regen oder Nebel an (oder beides :-).
Kein Wunder also, daß die Römer, die zur Zeit Caesars aus dem sonnigen Italien nach Britannien kamen, dort nicht so recht Wurzeln schlagen wollten. Gewiß, es gab militärische Notwendigkeiten, die Inseln zu besetzen, um die Küsten Galliens (das damals auch von Kelten bewohnt war) vor Angriffen zu schützen, und wirtschaftspolitische: Auf den Inseln gab es Zinn, und das brauchte man zur Herstellung von Bronze. Aber die Waffentechnik schritt voran, Eisen verdrängte die Bronze, und irgendwann rechnete es sich nicht mehr, eine teure Garnison in Britannien zu unterhalten; die Römer zogen ihre Besatzungs-Truppen wieder ab, mit Mann und Maus, und ließen die Briten im Regen stehen. Auch anderswo in Europa war oft schlechtes Wetter, z.B. in der Ecke zwischen Nord- und Ost-Friesland. Dort saßen die Angeln (Angel heißt auf Germanisch Ecke; die spätere Herleitung aus dem griechischen Wort für Bote, a[n]ggellos, beruht auf einem Mißverständnis, ebenso die merkwürdige Beförderung dieser zu "Engeln" verballhornten Briefträger zu "himmlischen Heerscharen"), und nebenan in Niedersachsen die Sachsen. Einige von ihnen nahmen ihre Pferde (die ihnen heilig waren - aber das ist eine andere Geschichte), schifften sich auf ihre Ruderboote ein und reisten nach England. Ist es nicht eigentlich ziemlich unwichtig, wie ihre Anführer hießen? Vielleicht nannten sie sich ja tatsächlich "Hengist" und "Horsa", weil sie ihre Pferde als eine Art Totem betrachteten? Wie dem auch sei; auf den Inseln kamen sie zwar wettermäßig ziemlich auf den Hund, d.h. vom Regen in die Traufe; aber sie waren hart im Nehmen - und im Austeilen. (Wie soll mal ein britischer Boxer und frommer Christ gesagt haben: "Geben ist seliger als nehmen!") Allmählich drängten sie die Briten - und die anderen Kelten - in den Norden und Westen der Inseln zurück; im Süden und Osten gründeten sie eigene Kleinstaaten, die sie nach sich selber benannten, darunter (East-)Anglia, nach dem bald der ganze Süden der Hauptinsel "England" heißen sollte.
Noch ein paar Jahrhunderte später reisten die nördlichen Nachbarn der Angeln und Sachsen, die Nor[d]mannen (wir nennen sie heute "Wikinger", und sie selber sich "Dänen" - obwohl so ursprünglich nur die Waffen tragende Oberschicht hieß; "Thane" war ein Schwert- oder wörtlich Degenkämpfer) ebenfalls gen Westen. Einige direkt auf die - nun nicht mehr wirklich britischen - Inseln, andere erstmal nach Nord-Frankreich, in die nach ihnen benannte Normandie, und von dort weiter nach England. Sie unterwarfen die Angelsachsen, die ihnen das bis heute nicht verziehen haben und behaupten, von den "Franzosen" unterdrückt worden zu sein - geflissentlich verdrängend, daß sie selber es mit den Kelten nicht anders gemacht hatten und daß die Normannen nicht weniger Germanen waren als sie selber. Gewiß, die Normannen brachten das "Altfranzösische" - also eine Art Küchenlatein - mit und führten es zwangsweise als Verwaltungssprache ein, das ist schon richtig; aber was schrieb man denn damals in den Kanzleien Germaniens, seit die Franken unter Karl dem Großen es erobert hatten? Auch Küchenlatein! Wären die Angelsachsen also zuhause geblieben, wäre es ihnen nicht besser ergangen!
Längerer Exkurs. Die Schlacht von Hastings, ihre Vor- und Nach-Geschichte zählen zu den schlimmsten Geschichts-Klitterungen der britischen Märchenschreiber Historiker vor dem 20. Jahrhundert. Als Dikigoros zur Schule ging, mußte er sowohl im Englisch- als auch im Geschichts-Unterricht lernen, daß die bösen Normannen 1066 aus heiterem Himmel die Angelsachsen auf ihrer Insel überfielen, ihren braven König Harold bei Hastings erschlugen und sie danach Jahrhunderte lang unterdrückten, um ihnen gegen ihren Willen eine fremde Kultur - die französische - aufzuzwingen. Aber wenn man sich das mal etwas näher anschaut, nimmt es sich ganz anders aus: Zunächst einmal hat noch kein Krieg, geschweige denn eine einzelne Schlacht, die Geschichte nachhaltig geändert. (In Bezug auf die vermeintlich "wichtigsten See-Schlachten der Weltgeschichte" hat Dikigoros das bereits
an anderer Stelle
dargelegt.) Denn der Krieg ist entgegen weit verbreiteter Ansicht nicht die "Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln", sondern vielmehr das Eingeständnis einer gescheiterten Politik, was man dann - meist erfolglos - mit der Waffe in der Hand zu übertünchen sucht. Und selbst wenn man damit mal Erfolg zu haben scheint, stellt sich oft nachträglich heraus, daß es ein Pyrrhos-Sieg war, denn nur zu oft folgt auf einen gewonnenen Krieg ein verlorener Friede (aber auch darüber schreibt Dikigoros
an anderer Stelle
mehr), vor allem dann, wenn man mit den falschen Verbündeten gegen die falschen Feinde an den falschen Fronten gekämpft hat. Die Angelsachsen hatten 1066 die Wahl... nein, gehen wir ruhig noch ein halbes Jahrhundert weiter zurück. 1016 wählten die Engländer - d.h. der waffenfähige Adel, auf den es ankam, die anderen hatten (richtiger Weise :-) kein Wahlrecht - den Dänenkönig Knut zu ihrem neuen Herrscher, denn sie hatten von ihren "eigenen" Königen die Schnauze gestrichen voll. Der letzte, ein Westsachse namens Æþelræd (man nannte ihn "Æþelræd unræd" - "Äthelräd den schlechtberatenen"), hatte unter dem Vorwand, die Freiheit des Landes am Hindukusch Humber verteidigen zu müssen, das ganze Land mit hohen Steuern überzogen. (Lest Ihr mit, liebe Verfassungs-"Schützer"? Gut so - dann berichtet es Euren Ober-Dänen, pardon, es ist ja gar nicht der Staat Dänemark, in dem etwas faul ist, sondern der Staat BRDigen, berichtet es also Euren Oberthanen, wenn sie mal wieder daran denken, die Steuer- und Abgaben-Schraube bei ihnen Unterthanen noch weiter anzuziehen, um noch ein paar Bw-Kontingente mehr nach Afģānistān schicken zu können, damit die dort die FDGO verteidigen!) Und sein [Halb-]Bruder Edmund - der wahrscheinlich genauso weiter gemacht hätte - war zum Glück noch im selben Jahr gestorben. Einen besseren König als den skandinavischen "Fremdherrscher" Knut hätten sich die Engländer nicht wünschen können: Das war keiner jener "Wikinger", die Klöster plünderten, Dörfer brandschatzten und Frauen vergewaltigten, sondern ein kluger Staatsmann, der das Land einigte und befriedete und im übrigen voll in ihm aufging: Er wurde Christ, heiratete in 2. Ehe die Witwe Æþelræds (eine Normannin namens Emma) und skandinavisierte nicht etwa England, sondern anglisierte ganz im Gegenteil Skandinavien (das er vollständig beherrschte), indem er dort überall englische Bischöfe einsetzte (die damals bekanntlich nicht nur geistliche Funktionen hatten). Kurzum, alle in England waren mit ihm zufrieden - "Canute the Great [Knut der Große]" wurde er genannt, und er war einer der weniger Träger dieses Beinamens, die ihn wirklich verdienten. Aber es gab ja auch noch Engländer außerhalb Englands, z.B. in der Normandie. Dorthin waren Edward und Alfred geflohen, die Söhne Æþelræds und Emmas, wo sie sehn- und rachsüchtig der Zeit harrten, da ihr Stiefvater das Zeitliche segnen sollte.
Das geschah 1035, und kaum hatte Knut die Augen für immer geschlossen, als die Brüder bereits mit einem kleinen normannischen Invasionsheer in England landeten und auf London marschierten. Die Zeit schien günstig, denn Knuts Söhne waren einander nicht grün: Harald "Hasenfuß", Knuts 2. Sohn aus 1. Ehe, hatte zwar den Thron geerbt; aber seine Stiefmutter Emma verweigerte die Herausgabe des Kronschatzes und verschanzte sich mit ihrem und Knuts jüngstem Sohn Hardiknut in Winchester. Er kam zum Kampf, Emma floh auf den Kontinent (aber nicht zu ihrer Familie in die Normandie, sondern nach Flandern!), und Die Söhne Æþelræds gedachten, ohne großen Widerstand die Scherben von Knuts Reich einzukassieren. Aber sie hatten ihre Rechnung ohne Godwin gemacht, den Wirt, pardon, den Grafen von Wessex, die graue Eminenz am Hofe Knuts, der rasch ein paar Ritter zusammen kratzte und die beiden Invasoren aufs Haupt schlug, genauer gesagt schlug er es Alfred ab, während Edward entkam, wieder in die Normandie - wohin auch sonst, er war im Grund seines Herzens Normanne, durch und durch. Doch 1040 starb Harald Hasenfuß - mit Mitte 20! -, und Hardiknut wurde sein Nachfolger. Der beging wenig später den Fehler, Edward zu begnadigen und zurück nach England zu holen. Ein Jahr später war auch Hardiknut tot - mit Anfang 20! -, und so wurde Edward König. Godwin verheiratete seine Tochter Edith mit ihm, aber die Ehe blieb kinderlos. Also setzte Godwin, als Edward 1066 starb, kurzerhand seinen eigenen Sohn Harold auf den Thron - mit der fadenscheinigen Behauptung, daß Edward ihn auf dem Sterbebett zu seinem Erben bestimmt habe. Das war Usurpation, meinten nicht nur die Prätendenten in Skandinavien und in der Normandie - die beide zur Invasion rüsteten -, sondern sogar Harolds älterer Bruder Tostig, der zu den Skandinaviern überging. Eines war klar: Die Angelsachsen durften kaum hoffen, gegen beide Invasoren gleichzeitig zu bestehen; Harold hatte, realistisch gesehen, nur zwei Möglichkeiten: Entweder mit den Dänen gegen die Normannen, oder mit letzteren gegen die ersteren zu kämpfen - entsprechende Angebote gab es von beiden Seiten. Die erste Alternative hätte niemandem wirklich weh getan: Harold persönlich nicht, denn man hatte ihm die Mitregentschaft angetragen, wenn er nachgab; und den Angelsachsen auch nicht, denn die Dänen hätten sie ihre eigene Lebensart bewahren lassen - es wäre ja nur ein Re-Import gewesen. Doch Harold glaubte, beide Seiten nacheinander schlagen zu können. Und wer weiß, vielleicht war das gar nicht so unrealistisch wie Dikigoros aus der Rückschau meint - denn um ein Haar hätte das sogar geklappt: Harold sammelte sein Heer, zog den dänischen Invasoren an der Ostküste entgegen und stellte sie bei Stamford Bridge (nahe York) zur Schlacht. Das Glück war ihm hold: Sowohl der Anführer der Dänen (der ebenfalls Harold hieß) als auch sein Bruder Tostig fielen; daraufhin drehte der Rest ihres Heeres ab und segelte zurück nach Dänemark. Harold aber zog zur Südküste, der gegenüber sich die normannischen Invasoren gerade zur Überfahrt bereit machten. Soviel zur Vorgeschichte der "Schlacht von Hastings" - alles andere sind Märchen.
[Exkurs im Exkurs. Dikigoros schreibt das nicht ohne Hintergedanken, sondern um Parallelen aufzuzeigen, auch solche, die zeitlich weit auseinander liegen, in diesem Falle fast 900 Jahre. Auch 1939 hatten die Briten, realistisch gesehen, wieder nur zwei Möglichkeiten: entweder mit den Deutschen gegen die USA, oder mit letzteren gegen die ersteren zu kämpfen - entsprechende Angebote gab es von beiden Seiten. Die erstere Alternative hätte niemandem wirklich weh getan: Die Deutschen hätten die Briten nicht nur in ihrem Homeland ihre eigene Lebensart bewahren lassen, sondern wären sogar bereit gewesen, ihnen bei der Verteidigung ihres Empire Hilfe zu leisten. Die zweite Alternative bedeutete dagegen die Überlassung jenes Empire an die USA - daran hatte deren Präsident Roosevelt - der zwar sein eigenes Volk nach Strich und Faden belog, gegenüber seinen Verbündeten jedoch weitgehend aufrichtig war - keinen Zweifel gelassen. Doch die schlecht beratenen Epigonen Æþelræds und Harolds glaubten, erst die eine Seite schlagen und dann die andere gegen die Sowjet-Union ausspielen zu können und dabei der lachende Dritte zu sein - aber diesmal ist sich Dikigoros ziemlich sicher, daß das von Anfang an unrealistisch war: Zu keinem Zeitpunkt bestand auch nur die geringste Chance, daß das geklappt hätte. Als Harold sich zum Zweifrontenkrieg gegen die Dänen und die Normannen entschloß, konnte er sich zumindest vage Hoffnungen machen, sein Reich zu retten; als dagegen Großbritannien 1939 dem Deutschen Reich den Krieg erklärte mit nichts anderem im Rücken als den USA (die bereits zum Dolchstoß angesetzt hatten :-), mußte jedem halbwegs gescheiten Menschen - nicht nur aus der Rückschau - klar sein, daß dies der Anfang vom Ende des Empire war. Exkurs im Exkurs Ende.]
Nun aber endlich zur Schlacht von Hastings. Auch die hat man mehr oder weniger zum Märchen umgestaltet, etwa wie folgt: Der arme Harold und seine Mannen mußten nach der Schlacht gegen die Dänen bei York in Gewaltmärschen nach Hastings ziehen, wo sie dann völlig erschöpft ankamen, und da sie weder Pferde noch Bogenschützen hatten, erlagen sie der Übermacht der normannischen Kavallerie nach tapferem Kampfe, und nur, weil die perfiden Normannen zweimal zu einer Kriegslist griffen, indem sie vorgaben zu fliehen, und als das undisziplinierte englische Fußvolk leichtsinnig zu ihrer Verfolgung ansetzte, die Pferde wendeten und die Engländer über den Haufen ritten. Dann wurde auch noch König Harold von einem Pfeil ins Auge getroffen, und damit war die Schlacht natürlich verloren, blablabla... Will Dikigoros die Quellen anzweifeln? Nein, aber man muß die dort mitgeteilten Fakten doch endlich mal richtig auswerten! Zunächst einmal kann von "Gewaltmärschen" nicht die Rede sein: Schlechtes Wetter hielt die normannische Flotte geschlagene drei Wochen im Hafen fest; soviel Zeit hatten Harolds Ritter, um die Südküste zu erreichen - und Dikigoros schreibt bewußt "Ritter", denn das taten sie nicht etwa zu Fuß, sondern hoch zu Roß; sie hatten nämlich durchaus Pferde, setzten sie in der Schlacht nur nicht ein - wir werden gleich sehen warum. Sie trafen auch nicht auf eine normannische "Übermacht". Zwar hatte Harold bei Stamford Bridge ca. ein Drittel seiner Berufsarmee verloren - 1.000 von 3.000 Mann -, aber er hob unterwegs den Volkssturm ("Fyrd") aus, und das waren, anders als ihre deutschen Namensvettern knapp 900 Jahre später, durchaus keine halben Kinder und Greise, sondern erwachsene Wehrbauern, die halt bloß keine "Profis" waren. Zusammen dürfte Harold ebenso wie die Normannen ca. 7.000 Mann aufgeboten haben. Mit denen zog er nun nicht etwa direkt nach Hastings, sondern bis an einen Ort weiter nördlich, der heute einfach "Battle [Schlacht]" heißt, strategisch günstig gelegen in einer hohlen Gasse, durch die die Normannen kommen mußten, wenn sie von Hastings nach London wollten, genauer gesagt auf einem Hochweg zwischen zwei Sümpfen. Quer über den selben bauten die Angelsachsen ihre Schildburg auf - dabei hätten Pferde nur gestört - und warteten auf die Normannen. Denen fiel nichts anderes ein, als frontal - und bergauf! - dagegen anzurennen. Sie holten sich blutige Nasen, da halfen ihnen auch ihre Pferde nicht viel, denn die machten den Angriffsraum nur enger, und ihre Beine waren für die Spieße, die aus dem Schildwall heraus ragten, ein lohnendes Ziel. Es ist richtig, daß die Verteidiger zweimal die abgeschlagenen Angreifer verfolgten, aber das war weder disziplinlos noch leichtsinnig, sondern genau die richtige Strategie, denn Truppen auf der Flucht, die einem den Rücken zuwenden, sind nun mal am verwundbarsten - weshalb auch niemand zu so einer riskanten "Kriegslist" gegriffen hätte. Es war ganz einfach so, daß schwer gepanzerte Ritter, wenn ihr Angriff abgeschlagen wurde, sich zunächst zurück zogen und dann wieder zu einer Falanx formierten, um erneut "Anlauf" zu nehmen. Ob Harold tatsächlich von einem Pfeil ins Auge getroffen wurde, ist zweifelhaft - auf dem Teppich von Bayeux ist es zwar so dargestellt, aber das könnte bloße Propaganda sein um zu zeigen, daß Harold kein wahrer, legitimer König war - denn ein solcher ließ sich nicht so einfach "abschießen" -, sondern halt nur ein meineidiger Usurpator. (Er hatte dem Normannenherzog zuvor die Treue geschworen und diesen Schwur gebrochen. Auch die Angelsachsen behaupteten übrigens später, der Anführer der Dänen bei Stamford Bridge sei durch einen Pfeilschuß getötet worden :-) Richtig ist allerdings, daß Harold fiel; und danach kämpften die Angelsachsen nicht etwa tapfer weiter, sondern... gingen nach Hause. Ja, so war das damals: Der König hat eine Bataille verloren, jetzt ist Ruhe die erste Bauernpflicht! Hätten sie gewußt, was auf sie zukam, hätten sie vielleicht weiter gekämpft; aber darüber zu spekulieren ist müßig.
Die Angelsachsen zahlten einen hohen Preis für diese Niederlage - aber nur kurzfristig; die langfristigen Folgen sind von der Geschichtsschreibung maßlos überschätzt worden. Gewiß, die Normannen nahmen das Regierungs-System wieder auf, das schon Æþelræd und Edward eingeführt hatten, ferner führten sie das Altfranzösische als Verwaltungs- und Gerichtssprache ein. Aber wie Dikigoros nie müde wird zu betonen - und gerade in Bezug auf England ist das hochaktuell: Die Weltgeschichte wird nicht dadurch bestimmt, wie viele Männer eines Volkes den Männer anderer Völker das Leben nehmen, sondern dadurch, wie viele Frauen eines Volkes eigenen Kindern das Leben schenken. Banal ausgedrückt: Die Männer eines Volkes können noch so viele Kriege gewinnen; wenn seine Frauen gebärfaul sind, wird es früher oder später untergehen und anderen Völkern Platz machen, deren Frauen gebärfreudig sind. Die Männer der Normannen eroberten nicht nur England, sondern halb Europa (und sogar noch Länder in ÜberseeOutremer - aber das ist
eine andere Geschichte);
doch ihre Frauen verspielten alle diese Eroberungen wieder, da sie sich als "Oberschicht" zu fein waren, Kinder zu bekommen - sie suchten ihre "Selbstverwirklichung" wohl auf anderen Gebieten. So war es auch in England: Die normannischen Obertanen wurden immer weniger, während sich die angelsächsischen Untertanen allmählich wieder vermehrten - und die sprachen weiterhin Englisch (denn auch die Sprachpflege ist in erste Linie Sache der Frauen - nicht umsonst heißt es "Muttersprache", nicht "Vatersprache"!); und wenige Jahrhunderte später wurde das auch wieder Amtssprache. Gewiß, ein paar Fremdwörter aus dem Altfranzösischen blieben - aber nicht viel mehr als aus anderen Sprachen auch; überdies kommt es ja in erster Linie nicht auf die Vokabeln an, sondern auf die Grammatik; und in Sachen Morfologie und Syntax (übrigens zwei Fremdwörter aus dem Griechischen, die nicht von den Normannen mitgebracht wurden :-) war das Englische noch zur Zeit
Shakespeares
- also bis ins 17. Jahrhundert - eine rein germanische Sprache; erst im 18. Jahrhundert begann die heute oft fälschlich den normannischen Eroberern angelastete "Bastardisierung" des Englischen in Richtung auf eine halb-romanische Sprache - ein Fänomen, das nie richtig erforscht wurde, aber an dieser Stelle dahin stehen kann. Und überhaupt - was ist schon die Bastardisierung einer Sprache im Vergleich mit der Bastardisierung der Bevölkerung? Die lang-, ja bereits die mittelfristigen Folgen des PyrrhusChurchill-Siegs im Zweiten Weltkrieg sind von der Geschichtsschreibung maßlos unterschätzt worden; denn die Briten verloren ja nicht nur ihr Empire, sondern binnen weniger Generationen auch ihre anderthalb Inseln in der Nordsee an die Invasoren aus Übersee, mitsamt ihres "way of life", und zwar unwiederbringlich. Aber Dikigoros will nicht vorgreifen, denn das ist der eigentliche Gegenstand der Reise, auf die er Euch im folgenden mitnehmen will. Exkurs Ende.
Viele Jahrhunderte nach der Schlacht von Hastings sind unsere Insulaner um die ganze Welt gereist; auf mehr als der halben Welt haben sie ihre ulkige Flagge - zwei gekreuzte Kreuze in blau-weiß-rot - aufgepflanzt, Grenzpfähle abgesteckt, Reisebüros eröffnet und reichlich Souvenirs mitgehen lassen; deshalb glauben sie, daß ihnen das alles gehöre, und auf "the rest of the world", den Rest der Welt, schauen sie hochmütig, mit steifer Oberlippe, herab. Und während es in "Groß-Britannien" (so nennen sie ihre Inseln jetzt) immer noch regnet, herrschen sie so - jedenfalls auf dem Papier - über ein Reich, in dem die Sonne nicht untergeht - was nicht heißt, daß die Sonne dort immer nur erfreuliche Vorgänge beschiene: Die brutalen Kolonialkriege in Asien und Schwarzafrika, der Burenkrieg am Kap mit dem Mord an der gegnerischen Zivil-Bevölkerung in den "Konzentrationslagern"... aber man will ja schließlich nicht drauf zahlen, sondern im Gegenteil Gewinn erwirtschaften, und dafür braucht man die Rohstoffe - auf Menschenleben kann man dabei keine übertriebene Rücksicht nehmen. Und die Briten fahren gut mit dieser Einstellung: Zu Beginn des 20. Jahrhunderts sind sie die reichste Nation der Welt und deren größter Gläubiger. Und das soll auch so bleiben, deshalb sehen sie mit scheelen Augen über den Kanal, auf den bösen Kaiser Wilhelm und die deutschen "Hunnen" (nicht aber über den "großen Teich", den Atlantik, wo die USA im Begriff sind, fast unbemerkt von den in ihre kleinlichen Händel verstrickten Europäern, dieselben auf allen Gebieten zu überrunden). Als die schließlich mit den Franzosen und Russen aneinander geraten, rechnen die Briten kurz und knapp nach: Sie haben in Frankreich und Rußland bedeutend mehr Geld investiert als in Deutschland, also treten sie auf Seiten der ersteren in den Krieg ein; und damit die USA es ihnen gleich tun, machen sie ihrerseits bei denen reichlich Schulden. Und das Konzept scheint prächtig aufzugehen: Die Koalition, als deren Führer sie sich fühlen, gewinnt den Ersten Weltkrieg - so weit, so gut, jedenfalls für die Briten, für die sich ihr Traum von der Weltherrschaft endlich erfüllt zu haben scheint: Beim Friedensschluß bekommen sie die deutsche Flotte, das deutsche Auslandsvermögen, die deutschen Patente, die meisten deutschen Kolonien und die deutschen Überseekabel (die brauchen die Deutschen ja sowieso nicht mehr).
Hat also Dikigoros oben in seiner Aufzählung der 6 W's etwas vergessen? Vielleicht sogar etwas sehr Wesentliches, nämlich die gewonnenen World Wars? Nein, das hielte er für etwas kühn, wenn ein Volk, dem die halbe Welt gehörte - politisch und finanziell -, zwei Kriege führt, um die andere Hälfte auch noch zu erobern, und hinterher nur noch anderthalb Inselchen in der Nordsee - und einen Haufen Schulden - übrig behält... Dabei haben die Engländer durchaus nicht gegen ihre alten, einst so erfolgreichen Prinzipien verstoßen: Sie haben bis zum letzten Franzosen, Inder und Russen gekämpft (also nach dem Krieg weder eine Bevölkerungslücke oder verwüstete Landstriche wie die ersteren noch eine Revolution und einen Bürgerkrieg wie die letzteren - in dem die Engländer übrigens kräftig mit mischen -, und den Indern hatten sie zwar zum Lohn die Unabhängigkeit versprochen (und am Ende auch zähneknirschend gewährt), aber ihnen dafür den Staatsschatz und einen ungeheuren Blutzoll abverlangt, und die Verwüstung ihrer beiden reichsten Provinzen, Panjab und Bengalen - die würden auf absehbare Zeit keine Konkurrenten auf dem Weltmark sein. Auch "moralisch" gewannen die Engländer beide Weltkriege, denn ihre Propaganda-Maschinerie lief prächtig, und der Sieger ist ja sowieso immer im Recht: Der deutsche Einmarsch in Belgien war ein Kriegsverbrechen (zumal die Hunnen dabei bekanntlich Frauen und Kinder schlachteten und am Spieß gebraten - oder vielleicht sogar roh? zuzutrauen war ihnen alles! - verzehrten); der englische Überfall auf Griechenland eine Heldentat. Auch die englische Hungerblockade gegen Mitteleuropa (ja, auch gegen die bösen Neutralen!) war in Ordnung - sich dagegen mit U-Booten zur Wehr zu setzen (und dabei womöglich auch noch Waffen- und Munitions-Transporter, wie die "Lusitania", zu versenken, ein Verbrechen. (Die Verbrecher, die in solchen U-Booten saßen, durften deshalb auch nicht gerettet werden, wenn sie in Seenot gerieten, sondern man mußte sie, im Wasser treibend, abknallen - wenn sie dagegen umgekehrt keinen Platz in ihren stählernen Särgen hatten, um Schiffbrüchige aufzunehmen, war das wiederum ein Verbrechen.) Und nach dem Krieg war vor dem Krieg: Die Engländer hetzten in Palästina Juden und Araber gegen einander, in Anatolien Griechen und Türken, in Rußland Rote und Weiße, in Indien Muslime und Hindus, in Fernost Japaner und Chinesen - "divide et impera [entzweie und beherrsche]" sagten schon die alten Römer, und die Balance of Power mußte doch erhalten bleiben - um jeden Preis, solange den die anderen zahlten! Das waren eine durchaus vernünftige Einstellung, die man unseren heutigen Politikern manchmal wünschen möchte... Kurzum, die Engländer hatten sich nichts vorzuwerfen: eigentlich hatten sie nichts verkehrt gemacht - aber was war da bloß schief gelaufen? Gewiß, ein paar Preissteigerungen - aber kein Vergleich mit der Hyper-Inflation und Geldentwertung bei den anderen Kriegführenden, ein paar kleinere Versorgungs-Engpässe - aber kein Vergleich mit der Hungersnot, der in Mittel- und Osteuropa Millionen Menschen zum Opfer fielen - gar nicht mal so viele im Krieg als vielmehr nach dem Krieg, denn die Hungerblockade blieb selbstverständlich aufrecht erhalten, und mit einer ruinierten Währung konnte man eh keine Importe bezahlen. Rule Britannia... und Groß-Britannien beherrschte nicht nur the waves, sondern the world - oder?
Ein Volk, ein Reich, ein Führer, pardon, das hat ja erst später jemand abgekupfert; bei den Engländern hieß das: Ein Strauß, ein Elch, ein Löwe, nein, das ist schon wieder falsch. Richtig ist vielmehr: Ein König, eine Flagge, eine Flotte, ein Reich. Ja, davon träumten sie in der Morgendämmerung des Sieges. Doch dann kam das böse Erwachen. Man sollte meinen, daß sich mit einem Mal alle Völker der Welt aus Neid und Mißgunst gegen die Briten verschworen hätten: Die Franzosen wollten ihre Schulden nicht bezahlen, die Russen schon gar nicht (denn bei denen herrschten inzwischen die Bolschewisten, die Verbindlichkeiten aus der Tsarenzeit nicht anerkannten); die Amis auf ihre Forderungen nicht verzichten; die Deutschen wollten die Reparationen nicht bezahlen, die ihnen in Versailles aufgebrummt worden waren; und plötzlich merkten die Briten, daß sie nicht mehr die Gläubiger, sondern die Schuldner Nr. 1 auf der Welt waren. Sie versuchten wie gesagt eine ganze Menge, um dem abzuhelfen: Sie schickten Interventions-Truppen nach Rußland und zettelten dort einen mehrjährigen Bürgerkrieg an, hetzten die Griechen in einen Krieg gegen die Türken, verhängten auch im so genannten "Frieden" eine Hungerblockade gegen Deutschland (der mehr Zivilisten zum Opfer fielen als im Krieg Soldaten), die werteten das Pfund um 50% ab, um den Export wieder anzukurbeln und, und, und... alles vergeblich. Zwanzig Jahre brauchten sie, um wieder eine Koalition gegen Deutschland zusammen zu bringen und es in einem neuerlichen Weltkrieg abermals zu besiegen; gleichwohl rückte die Weltherrschaft in weitere Ferne denn je: Die undankbaren Kolonialvölker - allen voran die Inder - verabschiedeten sich aus dem "Empire", das bald nur noch ein "Commwealth" war (der Begriff stammt aus der Zeit Oliver Cromwells, aber das ist eine andere Geschichte), das jedoch entgegen seinem Namen keineswegs am gemeinsamen Wohl des "einer für alle, alle für einen" orientiert war, sondern die Briten am Ende nur noch auf den Zuschuß-Gebieten sitzen ließ, deren Einwohner überhaupt keinen Wert darauf legten, "unabhängig" von der britischen Staatsknete zu werden; alle anderen verabschiedeten sich nach und nach, mal mit mehr, mal mit weniger Ärger, letzteres vor allem in Afrika - aber auch das ist eine andere Geschichte. Genug der Vorrede.
Wenn Ihr Deutsche und ungefähr in Dikigoros' Alter seid, liebe Leser, wißt Ihr wahrscheinlich über die britischen Inseln vergleichsweise wenig, zumal aus eigener Anschauung, selbst verglichen mit Ländern, die viel weiter von uns entfernt liegen, wie etwa den USA, Thailand, Kenya oder selbst der Dominikanischen Republik. Hand aufs Herz: Wer von Euch ist schon mal über London hinaus Richtung Norden gereist? Vielleicht einer von hundert. Und die wenigen verrückten Deutschen, die in Jahrzehnte langer mühseliger Kleinarbeit buchstäblich jedes Kaff auf den britischen Inseln bereist haben, wie Dikigoros' alter Freund Zille, kann man wahrscheinlich an den Fingern einer Hand abzählen. Wozu auch? In den Kriegs- und Nachkriegsjahren durften Deutsche ohnehin nicht ins Feindesland reisen, die können wir also auslassen. Und was gab es danach Sehenswertes? In den 1950er Jahren die prunkvolle Thronbesteigung einer für britische Verhältnisse fast hübschen jungen Königin (von der damals noch niemand ahnte, daß sie einmal eine verbitterte alte Frau werden und ähnlich lange regieren sollte wie ihre deutsche Ururgroßmutter Alexandrina alias "Victoria") - aber die Feierlichkeiten aus diesem Anlaß wurden auch in der Wochenschau gezeigt. In den 1960er Jahren kamen die James-Bond-Filme, aber die gab es - mit etwas Verzögerung - auch in den deutschen Kinos zu sehen, ebenso den Minirock, der zwar in England erfunden wurde, aber die dazu gehörenden Beine waren dort ja nicht unbedingt die sehenswertesten. Die Beatles begannen ihre Karriere nicht in England, sondern in Deutschland; da brauchte man nicht auf die Inseln zu reisen, sondern nur bis Hamburg. In den 1970er Jahren trat das Vereinigte Königreich der EWG bei - aber war das ein Grund zu reisen? Wohl kaum.
Was sind überhaupt Gründe, um zu reisen? Es gibt deren eigentlich nur zwei: Der erste, so zu sagen berufliche Grund, der praktisch gleichbedeutend mit Reisen ist, ist der Krieg - aber darüber schreibt Dikigoros an anderer Stelle. Der zweite Grund ist ein privater, bei dem es um das eigene Seelenheil geht: Früher nannte man ihn "Wallfahrt" (auch über deren Ursprünge schreibt Dikigoros an anderer Stelle mehr), heute nennt man ihn "Tourismus". Wer sich dem Diktat dieser - damals wie heute von geldgierigen Reiseveranstaltern propagierten - Notwendigkeit nicht beugt, verliert an Sozialprestige, ist ein Renegat, glaubt entweder nicht an Gott oder nicht an die allein selig machende Wirkung des Konsums - aber das ist nur ein Argument für Heuchler. Doch auch die Motive der wahren Gläubigen scheinen zu allen Zeiten die gleichen geblieben zu sein, geboren aus innerster Überzeugung: So wie die Gläubigen in Mittelalter und früher Neuzeit einst nach Jerusalem oder nach Santiago de Compostela pilgerten, weil sie glaubten, dort Vergebung für ihre Sünden zu finden, so zog es ihre Nachfahren in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts plötzlich nach England, weil sie glaubten, dort - ja, was denn eigentlich zu finden? Schauen wir uns die drei bedeutendsten britischen Wallfahrtsorte, pardon Reiseziele einmal etwas näher an - es sind die aus der fünften und sechsten Zeile der Überschrift - und fragen uns, warum ausgerechnet sie es den Deutschen besonders angetan haben.
Nun, die Deutschen gelten ja als besonders kriegslüstern, und wenn man dem britischen Soziologen Desmond Morris glauben darf, dann symbolisiert das Fußballspiel in gewisser Weise den Urkrieg: die Jagd der Männer des kleinen Steinzeitstammes (der Freud'schen Brüderhorde) auf den Ball und den anschließenden Kampf gegen die Nachbarhorde, die ihnen die Beute wieder abnehmen will. Und Tennis ist dann wohl die Urform des edlen Zweikampfes? Ach, liebe Leser, das sind nette Theorien, aber ob sie einer praktischen Nachprüfung standhalten würden, wagt Dikigoros denn doch zu bezweifeln. Was nicht ausschließen soll, daß beide Sportarten etwas mit Krieg zu tun haben. Das oben erwähnte Kriegsverbrechen der Engländer bei Azincourt soll - wenn man Shakespeare glauben darf - darauf zurück gehen, daß der Dauphin von Frankreich den englischen König Henry V zuvor bis zur Weißglut gereizt hatte, indem er ihm ein paar Tennisbälle geschickt hatte, um ihn zu verspotten - Tennis galt offenbar als ein Sport für Frauen und Weicheier. England dagegen brauchte einen Sport für harte Männer, für Krieger. Was soll General Wellington gesagt haben: "Die Schlacht von Waterloo wurde auf den Sportplätzen Etons gewonnen!" (Dikigoros wußte gar nicht, daß die deutschen Landser, die den Limeys anno 1815 die Kartoffeln gegen Napoleon aus dem Feuer holten - Wellingtons Truppen bestanden zu zwei Dritteln aus Hannoveranern, Braunschweigern und der "German Legion"; der Rest waren Schotten -, Stipendien für Eton gehabt hatten; aber man lernt ja nie aus, und er war nicht dabei :-) Bis ins 19. Jahrhundert galt denn auch als der englische Nationalsport das Rudern - was ja nur angemessen ist für eine Nation, deren Vorfahren wohl allesamt übers Meer gerudert kamen. Und das war zwar ein Sport für harte Männer, aber durchaus nicht nur für Proleten, sondern auch und gerade für die gebildeten, "höheren" Schichten. Überhaupt konnten sich ja anfangs nur die letzteren so etwas wie "Sport" leisten, denn wer sonst hatte schon Zeit, Geld und Kraft übrig, um sich mit so einer brotlosen Kunst abzugeben? Dem Ausland mag England reich erschienen sein (alles ist relativ :-), aber der einfache englische Arbeiter litt oft noch bitteren Hunger (nein, das haben sich Marx und Engels nicht einfach nur so ausgedacht, als sie über die Lage der arbeitenden Klassen in England schrieben), und wer selber mal gerudert ist, der weiß, daß das eine besonders kraftzehrende Sportart ist, für die man so manche überschüssige Kalorie braucht.) Da aber die faulen Studenten von Oxford und Cambridge erst im 19. Jahrhundert daran gingen, Aufzeichnungen über die Ergebnisse ihrer Ruderwettkämpfe zu führen, gilt das Rudern als relativ junge Sportart - was es wie gesagt nicht ist.
Da blickt der Fußball schon ganz offiziell auf eine wesentlich ältere Geschichte zurück. [Die inoffizielle Geschichte will Dikigoros hier nicht weiter ausbreiten, um die Engländer nicht noch mehr zu verägern als er es mit dieser Seite ohnehin schon tut; nach seiner persönlichen Überzeugung ist Fußball nämlich keine englische, sondern eine italienische Erfindung: Caesars Römer brachten "Harpastum" mit, als sie Britannien eroberten; und im Gegensatz zu den vielen anderen Ballspielen aus aller Welt, die als seine "Vorläufer" durch die Geschichts- und Märchenbücher geistern, wurde das bereits von zwei überschaubaren Mannschaften mit einem aufgepumpten Ball und zwei Toren gespielt.] Bereits im Mittelalter wurde auf den Straßen herum geditscht, d.h., gegen Bälle aus Lumpen getreten, ohne feste Regeln, manchmal beteiligten sich ganze Dörfer daran, fast wie beim alten spanischen Stierkampf, als die Stiere einfach so durch die Straßen getrieben wurden wie ein Fußball. Natürlich wurde damals nicht nur getreten, sondern der Ball durfte auch noch in die Hand genommen werden - nicht nur vom Torwart -, und beim richtigen "Football" ist das bis heute so. Was Dikigoros unter "richtigem" Fußball versteht? Nun, den, der nach den Regeln der altehrwürdigen Lateinschule von Rugby gespielt wurde, die sicher älter waren als das, was einige ehrwürdige Herren anno 1871 offiziell zu Papier brachten. Rugby ist ein kleiner Ort in Warwickshire, 20 km östlich von Coventry; und wenn Euch, liebe jüngere Leser, das nichts mehr sagt: das ist ein mittleres Rüstungszentrum 20 km östlich von Birmingham - das müßtet Ihr aber wenigstens dem Namen nach kennen, denn es ist die zweitgrößte Stadt der britischen Inseln, mit drei Fußball-Vereinen in der Premier Leage. (Der zweite nennt sich "Aston Villa", und der dritte, "West Bromwich Albion", wird vehement bestreiten, etwas mit Birmingham zu tun zu haben - schließlich gehört ja auch Schalke nicht zu Gelsenkirchen, Wattenscheid nicht zu Bochum, Unterhaching nicht zu München und Sankt Pauli nicht zu Hamburg, jedenfalls fußballerisch gesehen :-). Als in Rugby anno 1567, also zur Zeit Shakespeares, die besagte Lateinschule gegründet wurde, gab es dort sogar noch Engländer - was durchaus nicht selbstverständlich ist; heute darf sich dort kein Engländer mehr blicken lassen, dem sein Leben lieb ist, denn der Ort ist in den letzten Jahrzehnten zu dem geworden, was einige eufemistisch einen "multikulturellen Brennpunkt" nennen, andere eine "überwiegend asiatische" Gemeinde ("asiatisch" bedeutet in politisch-korrektem Newspeak, pardon Englisch, soviel wie "aus Pakistan") mit starker afro-karibischer Minderheit, und wieder andere einfach ein "islamistisches Sumpfloch, das endlich ausgeräuchert gehört".
Aber es ist keineswegs so, daß sich nur Engländer nicht mehr nach Rugby trauen dürften; auch der indische Muslim Salman Rushdie - der einst auf besagte Schule gegangen ist, als er dort noch fast der einzige Nicht-Engländer war - tut gut daran, jenen Ort zu meiden; denn jeder brave Muslim, auch in Rugby, wird es als Allāh wohlgefällig betrachten, das Todes-Fatwā, welches das Ayatollah-Regime des Iran gegen Rushdie verhängt hat, weil er den Qur'an eine Ansammlung "satanischer Verse" genannt hat, an ihm zu vollstrecken (aber darauf kommen wir später noch einmal zurück). Und überhaupt - was heißt schon "Engländer" und "Nicht-Engländer"? Wann ist ein Engländer ein Engländer? Die meisten "Asiaten", die heute auf den "britischen" Inseln leben, sind doch schon dort geboren! - Na und? Jemand hat mal gesagt: "Ein Pferd, das in einem Schweinestall geboren wird, bleibt trotzdem ein Pferd - und umgekehrt!" Wird ein Engländer, der in Hongkong geboren ist, dadurch zum Chinesen? Wachsen ihm Schlitzaugen? Und bleicht ein Dunkelhäutiger im englischen Regen aus? Wie gesagt, auch diejenigen, die Dikigoros "Engländer" zu nennen beliebt, die Nachkommen der Angeln (und Sachsen und Jüten und Friesen usw.), sind irgendwann mal eingewandert, also ebenso bloß "Zugereiste"; die Asiaten haben das gleiche Recht dazu; und wo die Rechte zweier unterschiedlicher Kulturen derart diametral auf einander prallen, daß sie nicht friedlich neben einander, geschweige denn miteinander existieren können ("clash of civilizations" hat das ein jüdischer Professor in den USA schon genannt, als das noch niemand sehen, geschweige denn wahr haben wollte), da müssen sie ausgefochten werden. Das können nicht nur die Männer mit der Waffe in der Hand tun - das ist sogar im Moment ziemlich außer Mode gekommen -, sondern ebenso gut (oder, wie bereits im Zusammenhang mit der Schlacht von Hastings dargelegt, sogar besser :-) die Frauen mit dem Baby im Bauch; und da sind die Muslime und Afro-Kariben zur Zeit - und wohl erst recht in Zukunft - klar im Vorteil.
Aber wir wollen nicht vorgreifen. Im Jahre 1863 kam jemand auf die Idee, daß Football nicht nur in Rugby, sondern auch anderswo nach festen Regeln gespielt werden sollte. Nachdem die Funktionäre der einzelnen Schulen und Universitäten sage und schreibe acht Jahren lang zähe Verhandlungen geführt hatten (im Wechsel in einschlägigen Pubs im ganzen Lande, vor allem in London, was meist mit erheblichem Konsum von Ale, Stout und anderen ungenießbaren "Bieren" - am ehesten verdient noch Porter diese Bezeichnung - verbunden war), einigte sich die "Rugby Football Union", die in der letzten Januar-Woche des Jahres 1871 gegründet wurde, endlich auf gemeinsame Regeln. Das stand am nächsten Sonntag in allen Zeitungen auf der Titelseite; daß zur gleichen Zeit in "poor little Germany" (oder war es irgendwo in Frankreich? Egal, war nicht so wichtig; irgendwo auf dem alten Kontinent Europa halt, wer sollte sich da schon auskennen?) auch irgendeine Union zwischen dem König von Preußen, dem König von Sachsen, dem König von Bayern und noch ein paar Duodez-Fürsten, die wahrscheinlich noch nie im Leben Football gespielt hatten, gegründet wurde, nahm man dagegen allenfalls als Dreizeiler auf der letzten Seite zur Kenntnis. (Und die britischen Zeitungen hatten ja Recht: Die "Rugby Union" besteht heute noch - auch wenn sich irgendwann einmal die "Rugby Liga" abspaltete; das Deutsche Reich dagegen ist längst untergegangen [worden], auch wenn sich zwei seiner Bruchstücke irgendwann mal wieder zusammen schließen sollten - ohne zusammen zu wachsen.) Football nach Rugby-Art wurde für etwa ein halbes Jahrhundert der Nationalsport der Briten, vor allem der echten Briten, d.h. der Schotten, Iren und Waliser (aber auch der Gallier auf dem Festland), während sich einige spleenige Engländer inzwischen eine ulkige Variante ausgedacht hatten, bei der man den Ball nicht mit den Händen spielen durfte ("socker" nannte man das - nomen atque omen: das sprach sich, je nach Dialekt, wie "sucker" :-) - aber einer solchen Schnapsidee konnte sicher keine große Zukunft beschieden sein.
Wir schreiben das Jahr 1877. Inzwischen hat sich bis England herum gesprochen, daß sich der König von Preußen seit sechs Jahren "deutscher Kaiser" nennt (nein, nicht "Kaiser von Deutschland" - da hätten ihm die Bayern und Sachsen etwas gehustet :-), wie überhaupt bald jeder daher gelaufene Krautjunker sich "Kaiser" nennen wird. Shocking - wo doch gerade erst "Kaiser" Maximilian von Mexico einen Kopf kürzer gemacht wurde und "Kaiser" Napoléon der zweite (oder, wie er sich nannte, der dritte) von Frankreich von den Republikanern abgesetzt worden war. Dem russischen Tsaren konnte man das ja noch durchgehen lassen, und vielleicht auch dem Tenno von Japan. Aber dem Kurfürsten von Brandenburg (der ja nicht mal richtiger König von Preußen, sondern eigentlich nur König in Ostpreußen war)? Oder dem Negus von Abessinien? Und womöglich gar dem Großfürsten von Bulgarien? Na schön, man konnte nicht gegen alle gleichzeitig Krieg führen; aber dann mußte auch Königin Victoria von England (die eigentlich eine Großherzogin von Sachsen-Coburg-Gotha war und [Alexan]Drina von Battenberg hieß und zeitlebens - was ziemlich lange war - nicht einmal die englische Sprache richtig erlernte) endlich befördert werden: zur Kaiserin ("Empress") von Indien. Sonst hätte die eines Tages im Range unter ihrem Enkel Willi gestanden, jenem Rotzlöffel, der offiziell als Sohn ihrer ältesten Tochter Vicky und des preußischen Kronprinzen Fritz galt (wie es wirklich war, schreibt Dikigoros an anderer Stelle). Und überhaupt - schließlich war die Queen das Staatsoberhaupt der größten und reichsten Nation der Welt; das sollte sich auch im Titel wiederspiegeln: Imperium ("Empire"), wie einst das Imperium Romanum - obwohl das Reich der antiken Römer ja nicht annähernd so groß war (und das der mittelalterlichen Deutschen schon gar nicht - doch das ist eine andere Geschichte). Aber wie Dikigoros schon schrieb - mit dem "reich" sein ist das so eine Sache, und auch "Reiche" haben manchmal so ihre finanziellen Probleme. Nein, es waren sicher keine armen Leute, die vor neun Jahren den "All England Crocket Club" gegründet hatten (nicht lachen, liebe Leser, dieses Schlagen von kleinen Holzkugeln mit einem kleinen Holzhammer durch kleine Holzhindernisse war vor über 100 Jahren sogar mal olympische Disziplin! :-) und den auf einer ehemaligen Hinrichtungs-Stätte im Südwesten Londons (man konnte den Galgenberg noch sehen) ausübten, auf dem auch eine Parade zu Ehren der Beförderung der Queen zur Empress statt gefunden hatte. (Wimbledon hieß das Kuhdorf.) Der Major jener Paradetruppe war auch Mitglied im Crocket Club, und der hatte vor zwei Jahren durchgesetzt, daß für die sich langweilenden Ehefrauen der Crocketspieler auf einem abgelegenen Rasen ein Tennisplatz angelegt wurde - das Netz, das er dort aufspannte, hatte er sich sogar patentieren lassen, als ob er das Tennisspielen erfunden hätte! Doch nun, ausgerechnet im Jahre der Kaiserkrönung, stand der Club vor der Pleite - man hatte nicht mal mehr genug Geld, um die defekte Rasenwalze reparieren zu lassen. In seiner Verzweiflung beschloß der Vereinsvorstand, ein Tennis-Turnier auszuschreiben, für jedermann, d.h. für jeden, der die Teilnahmegebühr von einer Guinee (21 Schillinge = 21 Goldmark = 210 Teuro) zu zahlen bereit und in der Lage war. (Der Eintritt als Zuschauer kostete ebenso viel.) Zu diesem Zweck wurde der Club in "All England Crocket and Lawn [Rasen] Tennis Club" umbenannt; und es wird Euch sicher nicht überraschen, daß der Verein bald darauf saniert war, sich in "All England Lawn Tennis and Crocket Club" umbenannte und fortan alljährlich ein Tennis-Turnier ausrichtete, das allmählich zum bedeutendsten der Welt wurde. Weniger als ein halbes Jahrhundert nach dem ersten Turnier, 1922, wurde eine neue Tennis-Anlage gebaut, die Ihr heute als "Wimbledon" kennt, obwohl sie gar nicht mehr dort, sondern an der Church Road von Southfield liegt. (Das ist eine Metro-Staion weiter, wenn man von London kommt; und wenn Ihr noch nie selber dort wart, tröstet Euch: Zuhause im Fernsehen sieht man es eh besser, mit Wiederholungen, Nahaufnahmen und Zeitlupe, es regnet nicht, und niemand nötigt Euch, diesen widerlichen, pardon, echt englischen Pausen-snack aus zermatschten Erdbeeren und Dosenmilch zu kaufen und womöglich auch noch zu verzehren :-)
Ein Jahr später. Wider Erwarten war die komische Socker-Variante des Football für Armamputierte (welch ein umständliches Wort - die Franzosen sagen einfach "manchot") noch immer nicht eingegangen; im Gegenteil, sie hatte sogar einen Aufschwung erlebt - und das nicht nur in England. Vielleicht lag das daran, daß es inzwischen tatsächlich viele Armamputierte gab, denn erst neun Jahre zuvor war der bis dahin furchtbarste Krieg der europäischen Geschichte zuende gegangen - jedenfalls schwiegen die Waffen; nur schlechte Verlierer behaupteten, daß England ihn weiter führte, indem es überall Bürgerkriege anzettelte, Hungerblockaden aufrecht erhielt und Kolonial-Völker mit Waffengewalt unterdrückte. (Seht Ihr, liebe Leser, das verband damals Deutsche, Russen und Inder als Leidensgenossen - aber sie konnten sich nichts dafür kaufen.) An letzterem sehen wir, daß das britische "Empire" nach gerade mal einem halben Jahrhundert, und obwohl es doch den Weltkrieg gewonnen zu haben glaubte, schon zu bröckeln begann. Nein, sagen wir mal: erste Risse bekam, und die würden sich ja wohl noch kitten lassen, zumindest äußerlich. Denn wenn England schon seine Vorherrschaft auf den Weltfinanzmärkten an die USA hatte abgeben müssen (die sich binnen anderthalb Jahrhunderten von einer abtrünnigen kleinen Kolonie zu einem "Verbündeten" - manche meinen sogar zum "großen Bruder" - der Engländer gemausert hatten), so hatten sie doch noch immer die Weltherrschaft im Football inne - und das war psychologisch gesehen viel mehr wert. Also baute man endlich ein großes Football-Stadion der Superlative, im Londoner Stadtteil Wembley: es wurde nicht nur das größte Stadion der Welt (100.000 Zuschauer faßte es offiziell, und inoffiziell, zum Beispiel beim Endspiel um den "Cup" der "Football Association", konnten sich wohl auch noch ein paar mehr rein quetschen), sondern auch das modernste: Das Spielfeld war kein Kartoffelacker, sondern ein ordentlicher Rasen - wie beim Tennis in Wimbledon -, und drum herum gab es nicht etwa nur ein paar Stehplätze mit Brettern, wie anderswo, sondern richtige, teilweise sogar überdachte Tribünen, wie in den Arenen der alten Römer! Damit auch ja niemand auf die Idee kam, die Weltherrschaft der Briten im Football in Frage zu stellen (sie wurde alljährlich zwischen den National-Teams von England und Schottland ausgetragen; und da die Schotten noch nie besonders gute Fußballer hatten, gewannen fast immer die Engländer), beteiligten sich ihre Balltreter gar nicht erst an Olympiaden oder gar jenen albernen Turnierchen, die von den Latinos (Südamerikanern, Italienern und anderen Spaghetti-Fressern :-) allen Ernstes (?) "Weltmeisterschaften" genannt wurden. Ab und zu geruhten die Briten, die Gewinner jener Turnierchen auf die Insel einzuladen, nach Wembley, und ihnen dort mal zu zeigen, was eine Harke ist - keiner ausländischen Nationalelf gelang es, die Engländer auf ihrer Insel zu schlagen. Da sollte man nicht von "splendid isolation" reden? Sie war doch wirklich splendid!
Wohin es führt, diese "splendid isolation" zu durchbrechen, zeigte sich, als man das Tennis-Turnier von Wimbledon (das längst als inoffizielle Weltmeisterschaft angesehen wurde) auch ausländischen Spieler[innen] zugänglich machte: Das mochte ja noch angehen, wenn sie britischer Abstammung waren, wie die Amerikaner und Australier (die schon immer teilnehmen durften); aber nun kamen auch noch die perfiden Franzosen hinzu, genauer gesagt vier perfide Basken, allen voran jener komische René Lacoste, der ihnen nicht nur drei Titel weg schnappte (wegen dieses Schnappens schimpfte man ihn bald "Krokodil"), sondern auch noch auf ihren Textilienmarkt einbrach, indem er Tennishemden verkaufte, auf die er wie zum Hohn seinen personifizierten Schimpfnamen, das Krokodil, nähen ließ, das bald zum Markenzeichen werden sollte. (Fast wie "made in Germany", das die Briten einst die Deutschen zwangen, auf ihre Waren zu schreiben - zur Abschreckung; und dann wurde es zur Empfehlung - jedenfalls bis etwa 1990). Nun waren die Franzosen zwar offiziell auch Verbündete der Engländer - die Französinnen aber nicht. Eine gewisse Suzanne Lenglen brüskierte die ganze Nation, als sie die Königin, die zur 50-Jahr-Feier des Turniers als Zuschauerin angereist war (nein, es war nicht mehr Queen Victoria, sondern Queen Mary, die Frau von George V) warten ließ. Sie durfte nie wieder in Wimbledon spielen. Aber auch auf die Amerikaner war bald kein Verlaß mehr: Billy Tilden, lange Jahre der einzige Angelsachse, der den vier Basken Paroli bieten konnte, holte sich so eine deutsche Schlampe ins Bett und brachte ihr Tennisspielen bei - shocking! 1931 gewann Cilly Aussem den Damen-Wettbewerb. (Im Endspiel gegen eine andere Deutsche, die aussah wie eine Mischung aus grauem Spatz und Krähe - und auch so hieß: erst Krahwinkel, dann, nach ihrer Heirat, Sperling.) Zum Glück verpfuschten ihr die Ärzte ein Jahr später eine Blinddarm-Operation, und damit war ihre Karriere beendet. Aber auch die deutschen Männer machten allmählich Ärger: Nachdem die britischen Flieger drei Jahre lang Luftkrieg gegen den "roten Baron" Manfred von Richthofen hatten führen müssen, mußten ihre Tennis-Spieler nun drei Jahre lang die Wimbledon-Finals gegen den "schwulen Baron" Gottfried von Cramm bestreiten. Zum Glück gab es da einen gestandenen Artilleristen, Fred Perry vom Fußball-Verein der "Arsenal Gunners" in London. Er war aber nicht nur Fußballer (und Tischtennis-Weltmeister), sondern auch ein hervorragender Tennis-Spieler - er schlug den deutschen Baron und wurde zum letzten Briten, der das Tennis-Turnier von Wimbledon im Einzel gewann. (1939 hätte es nicht mehr gereicht: v. Cramm hatte zwei Wochen vor Wimbledon das Turnier von Queens mit einer derartigen Überlegenheit gewonnen - im Finale gab er gegen den US-Amerikaner Bobby Riggs nur ein Spiel ab, das vorletzte, und auch das nur aus Höflichkeit, um ihn nicht mit einem "zu null" zu demütigen -, daß es für Wimbledon nur eine Chance gab: Man mußte ihn disqualifizieren. Weshalb? Weil er Deutscher war? Aber nein, weil er schwul war! Das hatte zwar bis dahin niemanden gestört, aber nun... Es half den Engländern nichts: Bobby Riggs gewann in Wimbledon alle drei Titel - im Einzel, im Doppel und im Mixed; und nur böse Zungen behaupteten, daß es da nicht mit rechten Dingen zugegangen sein könne, denn die Wetten standen zuletzt 12:1 gegen ihn, und der Amerikaner hatte massiv auf sich selber gesetzt - Siegesprämien gab es damals nicht, man mußte vielmehr Amateur sein; Riggs fuhr zwar mit mehr Pfunden nach Hause als später je ein Sieger als offizielles Preisgeld aus Wimbledon mitnahm - kaufkraftbereinigt, versteht sich -, aber "Zocker" galt ja nicht als Beruf :-)
Und wieder spiegelte der Sport das politische Geschehen wieder. (Wofür brauchen wir überhaupt noch Kriege? Könnten wir solche Auseinandersetzungen zwischen den Nationen nicht auf Tennis- und Fußballspiele beschränken, wenn eh das gleiche dabei heraus kommt?) Englands Artilleristen schlugen die Deutschen auch im Zweiten Weltkrieg; es war der letzte Krieg, den die Briten gewannen, und von da an herrschten die US-Amerikaner vor. Wirklich? Nun, liebe Leser, das hättet Ihr einem Engländer nach dem Zweiten Weltkrieg nicht erzählen dürfen. Er hätte geantwortet: "Aber im Fußball sind wir immer noch die Nr. 1 in der Welt." Und um das zu beweisen, geruhten die Engländer im Jahre 1950 sogar, erstmals an einer "Fußball-Weltmeisterschaft" teilzunehmen. Das Turnier fand in Brasilien statt, einem Land, das ebenso wie seine Nachbarn Uruguay und Argentinien als Kriegsgewinnler reich geworden war, indem es erst Kuhfleisch in Blechdosen ("Corned Beef") an die Alliierten verkauft und anschließend das deutsche Auslandsvermögen enteignet hatte, das unvorsichtige Spekulanten, pardon Investoren, im vermeintlich sicheren Lateinamerika angelegt hatten. Das war schön; und diesmal war es Dank der Teilnahme des Fußball-Mutterlands endlich eine echte Weltmeisterschaft - nur kleinkarierte Erbsenzähler wiesen auf ein paar Schönheitsfehler hin: Die Mannschaften Osteuropas, Asiens und Afrikas konnten oder wollten nicht teilnehmen (die Inder z.B. hatten aus religiösen Gründen darauf bestanden, barfuß zu spielen und auf keinen Fall mit einem Ball aus Rindsleder; und als die FIFA ihnen das verweigerte, ließen sie ihre Teilnahmeberechtigung verfallen), und die ehemaligen Kriegsgegner durften entweder nicht teilnehmen (wie die bösen Nazi-Deutschen) oder hatten kein Geld, um die teure Reise zu bezahlen (wie die bösen Nazi-Ostmärker, pardon, die gut-demokratischen "Österreicher", die ersten Opfer des Preußen Hitler); und die Italiener hatten gerade ihre komplette Nationalmannschaft bei einem tödlichen Flugzeugabsturz verloren. (Sie schickten zwar ein Dutzend Ersatzleute mit dem Schiff hinterher, die unterwegs noch schnell Fußballspielen lernen sollten, aber schon am ersten Tag schossen sie alle Trainingsbälle über Bord, so daß daraus nichts wurde :-) Schottland hatte abgesagt, weil England mit spielte, und Argentinien hatte abgesagt, weil Brasilien mit spielte; und die guten spanischen Spieler waren entweder im Bürgerkrieg gefallen oder emigriert - die paar blöden Franquisten, die noch übrig waren, taugten doch nur noch zum
Stierkampf.
Da somit niemand mehr übrig war, den die Engländer als ernsthafte Gegner hätte fürchten müssen, wurde ihnen der Weltmeistertitel gewissermaßen geschenkt. Das sahen sie selber freilich ganz anders: Wie konnte man ihnen etwas schenken, das ihnen ohnehin schon gehörte? Funny idea! In der ersten Runde traf England auf die USA, da konnte man die Dinge gleich mal wieder ins rechte Lot rücken. Nein, nicht ins rechte Licht, denn leider herrschte Nebel oder Dunkelheit oder beides (noch eine Art "Heimvorteil" für die Engländer, die das ja gewohnt waren - oder? :-), und Flutlicht gab es noch nicht. Irgendwann, als sie nichts mehr sahen, gingen die Reporter nach Hause. Am Abend kabelte irgend jemand das Ergebnis an die Nachrichten-Agentur in Merry Old England, und am nächsten Morgen konnte man es in den britischen Zeitungen nachlesen: 10:1 für England - na bitte, das war doch eine Schlagzeile wert! (Da man alle siegreichen Spiele der deutschen Kriegsverbrecher aus den Annalen der Olympiaden und Weltmeisterschaften gestrichen hatte, also auch deren 16:0 gegen Rußland bei den Olympischen Spielen von Stockholm 1912, war dies der höchste Sieg, der je bei einer dieser Veranstaltungen errungen wurde - einfach toll.) Erst am übernächsten Morgen konnte man irgendwo weit hinten, im klein Gedruckten, nachlesen, wie es dazu gekommen war: Bei der Nachrichten-Agentur war als - offenbar verstümmeltes - Resultat "0:1" eingegangen; aber zum Glück verstand der zuständige Redakteur etwas von Fußball und korrigierte das, indem er die fehlende "1" ergänzte. Leider wußten die Spieler im fernen Brasilien nichts davon, und als sie drei Wochen später wieder heim auf die Insel geschippert kamen, empfing sie eisiges Schweigen, zumal sie auch das andere Vorrundenspiel gegen Spanien 10:1 gewonnen verloren hatten. Drei Jahre später sollten sie erstmals ein Länderspiel auf der Insel verlieren, gegen die ungarische Armee-Auswahl, die ein weiteres Jahr später ausgerechnet gegen die verdammten Krauts (so nannte man die deutschen Hunnen jetzt) das Endspiel um die Weltmeisterschaft - an der man sie leichtsinniger Weise wieder teilnehmen ließ - verlieren sollten (aber das ist
eine andere Geschichte).
Dafür hatte man also sechs Jahre lang einen Weltkrieg gegen sie geführt und sie doch eigentlich besiegt?!? Nun, wenn jemals ein Friedensvertrag geschlossen würde, müßte eine der Bedingungen sein, daß Deutschland zur Sühne diverser, im einzelnen noch auszudenkender, pardon auszuarbeitender Kriegsverbrechen, nicht nur seine Ostgebiete endgültig an Polen und die Sowjet-Union abträte, sondern auch den Weltmeistertitel von 1954 an England!
Bis es so weit war trösteten sich die Engländer mit einem Spruch ihres Kriegshelden Winston Churchill, den die Deutschen meist mit "Sport ist Mord" übersetzen. Tatsächlich hatte das fette alte Schwein auf die eher ironisch gemeinte Frage eines Journalisten, wie er es bloß schaffe, immer so jugendlich frisch und fit auszusehen, zwischen einem Zug aus seiner Zigarre und einem Schluck aus seinem Schnapsglas zwei Wörter gelallt: "No sports", womit er wohl sagen wollte: "indem ich nie Sport getrieben habe". Doch 1965 starb Churchill (mangels Obduktion weiß man nicht genau, ob an seiner Sifilis, an seinem Lungenkrebs, an seiner Herzverfettung, an seiner Säuferleber oder an einer Kombination aus allen vieren), also galt das wohl nicht mehr. Und ein Jahr später richtete England die Fußball-Weltmeisterschaft aus. Die Vorbereitung war sehr gründlich. (Ihr meint, liebe Leser, Dikigoros hänge die Balltreterei doch etwas zu hoch, wenn er sie in ihrer Bedeutung ständig mit der von Kriegen vergleiche? Aber nein! Zur Vorbereitung der englischen Nationalelf gehörte u.a. die Vorführung von "The Blue Boys", eines häßlichen anti-deutschen Kriegsfilms aus dem Jahre 1930 - nein, nicht Anti-Kriegsfilms, so etwas drehten damals nur die Deutschen! Die Krauts waren Todfeinde, die es im Endspiel zu vernichten galt! Später nahm sich das fast die ganze [Fußball-]Welt zum Vorbild: Rinus Michels, der Trainer der niederländischen Elftaal, sollte 1974 ganz offen erklären: "Fußball gegen die Moffen [Schimpfwort für Deutsche] ist immer Krieg!" Und während der Europameisterschaft 2008 forderte ein polnisches Boulevardblatt seine Leser ebenfalls ganz offen zur Ermordung des Trainers und des Spielführers der DFB-Auswahl auf, ohne daß sich der zuständige Redakteur dafür auch nur eine Rüge, geschweige denn ein Strafverfahren einhandelte.) Dikigoros erinnert sich an einen Witz aus der damaligen Zeit: Luzifer schlägt Petrus ein Fußball-Match "Himmel gegen Hölle" vor. "Aber da hättet Ihr doch gar keine Chance," meint Petrus, "denn wir haben alle guten Spieler." - "Das hilft Euch gar nichts," entgegnet Luzifer, "wir haben nämlich alle Schiedsrichter." England kauft also alle Schiedsrichter (was Ihr, liebe deutsche Leser, bitte nicht allein auf das Endspiel beziehen wollt, sondern auch und insbesondere auf die Schiedsrichter, die schon in der Vorrunde Italien und Brasilien und im Viertelfinale Argentinien und Uruguay hinaus gekegelt, pardon gepfiffen haben), und sicherheitshalber auch gleich alle Linienrichter - das ist gar nicht so teuer: 1.000 Pfund sind noch immer ca. 12.000.- DM (erst im November 1967 wird man um 18% abwerten), das sind z.B. in der Sowjet-Union, schwarz getauscht, 12 durchschnittliche Jahresgehälter; und dafür braucht ein armer alter Mann wie Herr Bakhramow nur einmal im richtigen Moment die Fahne zu heben oder auch nicht... (Er tat es ursprünglich nicht; aber als dann die englischen Spieler ankamen und ihm erklärten, was er zu tun habe, erklärte er sie nachträglich als gehoben :-) Dikigoros' Freund Zille - der persönlich zum Endspiel fuhr, um es "live" mit zu erleben - war zwar danach ziemlich sauer, aber mehr auf "die" Russen (dabei war Herr Bakhramow gar kein Russe, sondern Azerbaydjaner :-) und "die" Schweizer (Herr Dienst, der Schiedsrichter, war Schweizer); den Engländern nahm er das in seiner damaligen Unwissenheit nicht weiter krumm.
Und so wurde England tatsächlich zum ersten - und bisher einzigen - Mal Fußball-Weltmeister. Der Jubel war grenzenlos, zumal man im Endspiel die verhaßten Deutschen geschlagen hatte. Das umstrittene Tor zum 3:2 wurde als "Tor des Jahrhunderts" gefeiert; die Queen drückte jedem einzelnen ihrer Fußballkrieger persönlich die Hand; der Mannschafts-Kapitän - ein Prolet wie er im Buche stand - wurde sogar von ihr in den Adelsstand erhoben, und Herr Bakhramow wurde wie ein Heiliger verehrt; T-shirts mit seinem Namen wurden zum Verkaufsrenner, und noch sein Sohn sollte, als er eine Generation später England besuchte, mit kniefälliger Dankbarkeit begrüßt und mit einer IkoneNachbildung des "Cup Jules Rimet" beschenkt werden. (Nein, liebe Leser, das ist kein Märchen und auch keine Fotomontage, sondern die traurige Wahrheit!)
Aber what a pity - allzu lange konnten sich die Engländer an diesem Titel nicht erfreuen: 1968, also nur zwei Jahr später, unterlagen sie zum ersten - aber nicht zum letzten - Mal zuhause den Krauts, und bald darauf sollte ein total frustrierter englischer Balltreter die klassische Definition prägen: "Fußball ist ein Spiel mit 2x11 Spielern und einem Ball, das 2x45 Minuten dauert, und am Ende gewinnen immer die Deutschen." Nun ja, das ist britischer Humor, den man nicht allzu ernst nehmen darf. Wenig ernst - aber auch ganz ohne Humor - nahmen die Briten die Äußerungen eines konservativen Abgeordneten, General a. D. Enoch Powell, Keksperte für Krankenversicherungen, der ausgerechnet an Führers Geburtstag - dem 20. April 1968 - eine Rede über den Untergang des Römischen Reiches hielt: Rom war im Laufe der Jahre völlig von Ausländern unterwandert worden, und das endete damit, daß Ströme von Blut in den Tiber flossen; und genau so wie das Imperium Romanum würde auch das britische Empire enden, wenn es mit der Immigration so weiter gehe... Als "Rivers of Blood Speech" ging das in die Geschichte ein, aber vorerst nur als Fußnote, denn Powell stand auf der falschen Seite: Der Oppositionsführer Edward Heath warf ihn aus dem Schatten-Kabinett, die konservative Partei (der doch als Vertreterin der Arbeitgeber-Interessen daran lag, möglichst viele billige Arbeitskräfte aus der Dritten Welt nach England zu holen, was - auf Druck der Gewerkschaften - die Labour-Regierung gerade mit einem zweiten, verschärften Commonwealth Immigrants Act verhindern wollte) jagte ihn zum Teufel; da half es Powell wenig, daß er aus den Reihen der Arbeiterschaft bis zu 100.000 Briefe am Tag erhielt, in denen sie ihm ihre Solidarität versicherten, daß es zu Demonstrationen und sogar zu Streiks kam - wen scherte es? Die Konservativen waren ja gar nicht an der Macht, und als Opposition lachten sie sich sogar noch ins Fäustchen, daß die Labour-Regierung wegen Powell Ärger mit ihrer Wähler-Klientele bekam. (Sogar massiven Ärger; der "Donovan Report", den sie ein paar Wochen später vorstellte, empfahl mehr oder weniger offen, die Macht der Gewerkschaften zu zerschlagen, damit die vielen Streiks und Demonstrationen endlich aufhörten. Barbara Castle, die zuständige Arbeitsministerin, unternahm auch einen zaghaften Versuch; aber letztlich schreckte die Regierung Wilson vor der offenen Konfrontation und einer Machtprobe mit den Arbeitern zurück, und der Spuk ging weiter.) Sie lachten zu früh, denn damit hatten sie für lange Zeit gründlich ausgeschissen bei den englischen Arbeitern - die damals noch einen beträchtlichen Anteil an der der Bevölkerung - und an der Wählerschaft - in England stellten. Und Powell sollte sich bitter rächen: Bei den Wahlen von 1974 (alle Auguren hatten einen haushohen Wahlsieg der Konservativen voraus gesagt - man mußte doch etwas dagegen tun, daß Deutschland wieder Fußball-Weltmeister geworden war, und das traute man den Tories am ehesten zu) rief er plötzlich dazu auf, die Labour Party zu wählen; und das Wahlvolk strafte die Konservativen ab - was zum Sturz von Edward Heath als Partei-Vorsitzendem führte und zur Wahl von Maggy Thatcher zu seiner Nachfolgerin, die dereinst den Donovan-Report in die Tat umsetzen sollte.
Exkurs. Man hat später, im Rückblick, Powells Rede als richtig und hellsichtig gepriesen. Aber das ist eine Geschichts-Klitterung der Rechten. Gewiß, wenn man einige seiner Sätze aus dem Zusammenhang reißt, dann scheinen sie zu stimmen, denn seine Prognose sollte sich ja im Ergebnis bewahrheiten. Wenn man jedoch genauer hinschaut und die Umstände kennt, unter denen Powell jene Rede hielt, sieht man, daß er die tatsächliche Gefahr nicht sah, sondern einfach ins Blaue hinein schoß (umso schlimmer, daß er am Ende ins Schwarze treffen sollte)! Der Anlaß und das Anliegen seiner Rede war eine ganz miese Stimmungsmache gegen die armen Teufel von Indern, die seit 1967 aus der ehemals britischen Kolonie Kenya - die man den korrupten Schwarzen über-, pardon, die man in die glorreiche Unabhängigkeit ent-lassen hatte - weg geekelt wurden, mit massiven Repressalien, und nun Schutz im vermeintlichen Mutterland suchten. Die Labour-Regierung hatte schon im Februar 1968 eine Notstands-Verordnung erlassen, um jenen armen, aber tüchtigen Menschen den Zuzug zu verwehren - denn sie hätten ja mit ihrem Fleiß und ihrer Genügsamkeit den faulen Engländern die Löhne verderben können. Die wirklich verhängnisvolle Entwicklung bei der Immigration, nämlich das Überhandnehmen arbeitsscheuer und krimineller Elemente aus der Karibik, Schwarz-Afrika und den muslimischen Ländern Asiens, sah Enoch Powell nicht, denn er war, wie so viele Engländer, farbenblind: Kariben, Afrikaner, Pakistani, Inder, Bengalen - für ihn (und andere In-einen-Topf-Werfer) waren das allesamt "Nigger". Am besten ließ man sie alle unterschiedslos draußen. - Da darf man sich nicht wundern, daß Leute, die anderer Meinung waren, bald ebenso pauschal dafür plädieren sollten, alle farbigen "Mitbürger" (was sie ja auf dem Papier - anders als die nach Deutschland strömenden Asylanten aus aller Welt - tatsächlich waren) unterschiedslos herein zu lassen. Das eine war so falsch wie das andere; aber ausgerechnet in diesem Punkt verließ die Engländer ihre berühmte Fähigkeit, "den feinen Unterschied zu machen", von der Dikigoros gleich mehr schreiben wird. Nein, Enoch Powell war kein strahlender Held, der die Dinge kommen sah; er war vielmehr mitschuldig an ihrem Kommen. Ihn im Nachhinein zu einem "Vorkämpfer der weißen Rasse" hoch zu jubeln, wie es z.B. die National Front tut, geht meilenweit an der Sache vorbei.
À propos: Da Dikigoros weiß, daß sich diese Seite großer Beliebtheit bei "den" Rechten - auch und gerade außerhalb des deutschen Sprachraums - erfreut, muß er auch dazu mal etwas schreiben, zumal er gerade Mrs. Thatcher erwähnt hat. Worauf seid Ihr eigentlich so stolz, daß Ihr Euch anderen Rassen überlegen fühlt, liebe weiße Rassisten? Auf Eure schöne helle Haut, Euer schönes blondes Haar, Eure schönen blauen Augen? Dann seid Ihr mit Verlaub ziemlich dumm. Dikigoros darf das schreiben, denn er selber ist groß, blond und blauäugig, ein wahres Muster-Exemplar des "nordischen" Menschen. Aber was hat er davon? Seine schönen blonden Haare sind ihm längst ausgefallen, und seine Glatze zwingt ihn, ganzjährig lästige Kopfbedeckungen zu tragen, wenn er sich keine Erkältung bzw. keinen Sonnenbrand zuziehen will - zu letzterem neigt seine schöne helle Haut nämlich in hohem Maße. Seine schönen blauen Augen sind schon seit jungen Jahren stark kurzsichtig - er würde sie gerne gegen gesunde Augen egal welcher Farbe eintauschen. Und seine Größe beschert ihm seit Jahrzehnten Rückenprobleme - trotz schlanker Figur, "Idealgewicht" und sorgsam antrainierter, starker Rückenmuskulatur. Und selbst wenn dem nicht so wäre - das sind doch eher subjektive Kriterien: Asiaten empfinden z.B. unsere "spitzen" Nasen als häßlich, ebenso unser blondes Haar, und ziehen Schlitzaugen vor, und Neger lieben halt schwarzes Kraushaar. (Und objektiv gibt es ja gute Gründe - die nichts mit "überlegen" oder "höherwertig" zu tun haben - für solche rassischen Unterschiede, die meist in der Geografie ihrer ursprünglichen Heimat liegen: In heißen Afrika sind halt dunkles Haar, dunkle Haut - die vor Sonnenbrand schützt - und starke Schweißdrüsen praktisch, während im kalten Norden helles Haar und helle Haut gut ist, um das bißchen Sonnelicht, das es dort gibt, möglichst vollständig aufzunehmen.) Nein, wenn Ihr auf etwas stolz sein dürft, liebe weiße Mitmenschen, dann sind es bestimmte innere Werte, die ungleich wichtiger sind als Nasenform, Hautpigment oder Haarpracht - aber Ihr solltet Euch auch fragen, ob Ihr etwas aus ihnen macht, oder ob Ihr sie brach liegen laßt oder gar mißbraucht, wie z.B. Eure Fähigkeit, mehr Alkohol zu vertragen als Angehörige der "schwarzen" und "gelben" Rassen. (Dikigoros trinkt nicht [mehr] - er hat also auch davon nichts :-) Aber mit Trinken kommen wir der Sache schon näher. Weiße Menschen - oder zumindest ein großer Teil von ihnen - haben nämlich die wunderbare Eigenschaft, sich nicht nur als Kleinkinder, sondern ein Leben lang von Milch ernähren zu können, und zwar auch von Milch anderer Arten. Diese wohl wertvollste Mutation auf dem Weg vom afrikanischen Urmenschen zum "Kaukasier" enthebt uns der Notwendigkeit, unseren Eiweißbedarf durch Mord und Totschlag an unseren Mitmenschen und -tieren und den Verzehr ihrer Leichen zu decken; wir kommen vielmehr ohne Kannibalismus u.a. Fleischfresserei aus, d.h. wir kämen ohne sie aus - aber wie viele von uns tun das auch? Als Mrs. Thatcher 1970 erstmals Ministerin wurde - für Erziehung und Wissenschaft -, begann sie ihr Einsparungs-Programm damit, daß sie die kostenlose Milchspeisung an den öffentlichen Schulen abschaffte. "Thatcher - milk snatcher [Milch-Diebin]" reimten ihre politischen Gegner damals. Heute wäre es umgekehrt: Da würde man es ihr zum Vorwurf machen, wenn sie die Milchspeisungen nicht abschaffen würde, denn die gelten inzwischen als "rassistisch"!
Ja, Ihr habt richtig gelesen! Und Großbritannien ist durchaus kein Einzelfall: Auch in den - einst mehrheitlich angelsächisch besiedelten - USA sind Milchspeisungen an den Schulen der meisten Bundesstaaten längst als "rassistisch" verboten, weil doch nur weiße Kinder und Jugendliche davon profitieren können - und nicht einmal von denen alle, denn inzwischen sind auch die "weißen" Völker weitgehend bastardisiert, und viele ihrer Angehörigen leiden als Erwachse an Milchzucker-Unverträglichkeit. [Wenn Ihr wissen wollt, liebe Leser, ob ein Volk "rassisch" gesund ist oder minder-wertig (Dikigoros gebraucht dieses Adjektiv wohlgemerkt nicht in böser Absicht, sondern ganz objektiv, halt um jemanden zu bezeichnen, der sich nicht voll-wertig ernähren kann), dann achtet nicht auf die Hautfarbe o.ä. Äußerlichkeiten, sondern auf das bevorzugte Getränk, da braucht Ihr keine umständlichen Blutgruppen- und DNS-Analysen!] Und in Indien - wohin einst die alten Aryer wenn nicht die Kühe, so doch deren Verehrung als heilige Tiere mitbrachten (warum wohl?) - kann heute nur noch eine verschwindend kleine Oberschicht, halt deren reinrassige Nachfahren, ein Leben lang Milch trinken; der Rest muß darauf verzichten, was umso schwerer fällt, als dort der Fleischverzehr ja verpönt ist und das Vegetariertum hoch gehalten wird. (Diese Einstellung geht übrigens den meisten der nach Großbritannien eingewanderten Indern binnen weniger Generationen verloren, aber das erwähnt Dikigoros nur am Rande.) Na - immer noch stolz? Dann tut gefälligst etwas für die Kühe, und laßt Euch nicht von verbrecherischen "Umwelt-Schützern" einreden, daß die bösen Rindviecher durch ihre natürlichen "Abgase" die Atmosfäre "vergiften", vor allem nicht von "grünen" Polit-Bonzen, die ihren Untertanen predigen, zu Fuß zu gehen oder Fahrrad zu fahren, aber selber die dicksten Dienst-Wagen mit dem höchsten Benzin-Verbrauch fahren und jede Strecke über 100 km mit dem Hubschrauber oder dem Jet-Flugzeug zurück legen. Das sind allesamt Minderwertlinge (Dikigoros verkneift sich den Ausdruck "Un[ter]menschen"), die selber keine Milch vertragen (die meisten von ihnen sind bezeichnender Weise Alkoholiker, denn dieses Gen verschwindet leider nicht zusammen mit dem für Laktose-Verträglichkeit), sie deshalb auch Euch nicht gönnen und darum die Rinder am liebsten ausrotten würden. Hängt sie auf, so lange es noch Bäume gibt; und gleich daneben diejenigen, die heute noch einem Enoch Powell nachtrauern - oder habt Ihr mal davon gehört, daß der Vegetarier geworden wäre, in der Erkenntnis, daß ihm das aufgrund seiner rassischen Überlegenheit doch so viel leichter gefallen wäre als den Unterschichts-Indern, die er so haßte? Dikigoros auch nicht. Exkurs Ende.
Aber Dikigoros hat schon wieder vorgegriffen. Sport mag nicht unbedingt Mord sein, dennoch ist Fußball doch eigentlich nur eine Nebensache - wie manche (nicht Dikigoros :-) meinen, die schönste Nebensache der Welt; aber es gibt Wichtigeres. Musik zum Beispiel. Und obwohl Jahrhunderte die Regel galt, daß aus England noch nie gute Musik gekommen ist (Dikigoros persönlich huldigt übrigens der Auffassung, daß diese Regel bis heute nicht durchbrochen wurde :-), so kam jetzt wenigstens erfolgreiche Musik aus England, genauer gesagt aus Liverpool. Der alte Hafen des dr[ei]eckigen Industrie-Zentrums zwischen Manchester, Leeds und Sheffield, der an der Mündung der Mersey in die Irische See liegt, war drauf und dran, London den Rang abzulaufen, auch wirtschaftlich und musikalisch. Fußballerisch sowie - der FC Liverpool war die beste Mannschaft Nordeuropas (nur Benfica Lissabon, Real Madrid, Inter und der AC Mailand waren noch besser; Bayern München und Borussia Mönchengladbach spielten noch in der Regionalliga) - die ließen sich von den Londoner Clubs, wie dem FC Arsenal, dem FC Chelsea, dem FC Fulham oder den Tottenham Hotspurs schon lange nicht mehr schlagen. A propos schlagen: Beatles, Schläger (nein, liebe Leser, Käferchen schreibt sich "beetle"!) nannten sich vier junge Musiker mittelmäßigen Talents, deren Schrumtata-Musik (bald "Beat" genannt) zunächst niemand hören wollte. Der Profet im eigenen Lande... Also gingen sie nach Germany, genauer gesagt nach Hamburg, noch genauer gesagt nach Sankt Pauli, in die Hafenkneipen und Nachtclubs; und da ihre Konkurrenz damals nur aus Freddy Quinn und Lale Andersen bestand, machten die "Pilzköpfe" bald Furore (schließlich sprach man ja auch vom "furor teutonicus" - aber das ist eine andere Geschichte :-).
In den folgenden Jahren eroberte ihre "Beat"-Musik die Welt, und die Engländer durften sich einmal mehr als Weltmeister fühlen - obwohl man trefflich streiten konnte, ob jene Liverpooler Band tatsächlich "englisch" war: Ihr Kopf, Paul McCartney, war irisch-schottischer Abstammung, ihr Arsch, John Lennon, irisch-walisischer (mutmaßlich - mit wem genau es seine Mutter getrieben hatte, weiß man bis heute nicht :-), und die anderen beiden waren eh austauschbar. Und ihre Inspiration bezogen sie auch nicht unbedingt aus englischen Quellen, sondern aus denen zweier ehemaliger britischer Kolonien: den USA und - Indien. Im Februar 1968 reisten die Beatles nach Haridwār, um Kumbh Melā, das Fest des Wassermanns, mit zu erleben, von dem sie aus dem Musical "Hair" (das - ebenso wie "Oh, Calcutta!" - die Produktion eines Australiers war: Robert Stigwood) erfahren hatten, in dem "the age of Aquarius" besungen wurde. Es handelt sich um das höchste Fest der Hindus, das nur alle drei Jahre statt findet, und nur alle zwölf Jahre in Haridwār; bei der Gelegenheit schrieb allein John Lennon 30 neue Songs. Aus den meisten Biografien über die Beatles, deren Verfasser diese Zusammenhänge nicht kennen, geht das nicht hervor, auch nicht aus der fast 1.000-seitigen Schwarte von Albert Goldmann über John Lennon; die fragen sich allesamt verzweifelt, was die Beatles nur bewogen haben mag, ausgerechnet damals ausgerechnet nach Indien zu fliegen und ausgerechnet nach Haridwār - wobei manche letzteres nicht einmal wissen, da die Beatles in einem exklusiven Āshram in Rishikesh abstiegen, einem Nachbarort von Haridwār, weil man in Haridwār selber während des Festes keine zumutbare Unterkunft bekommt und riskiert, von den nach Millionen zählenden Pilgermassen tot getrampelt zu werden, wie es immer wieder vorkommt. [Kumbh ist übrigens nicht der Wassermann, sondern der Pott, in dem er "Amrit", den göttlichen Nektar, transportierte (nach dem auch Amritsar benannt ist, die heilige Stadt der Sikh), von dem er unterwegs vier Tropfen verlor, davon einen in Haridwār, weshalb das eine der vier Städte wurde, an denen Kumbh Melā reihum gefeiert wird. (Die anderen drei sind Prāyag - das heutige Illāhābād -, Ujjain und Nāsik.)]
Wie dem auch sei, der Besuch der Beatles in Rishikesh löste eine regelrechte Flut von Nachahmern aus, und Indien wurde bald von einer Welle Hippies und Junkies vornehmlich angelsächsischer Herkunft überrollt, die viele brave Inder fragen ließ: Das sollen unsere ehemaligen Kolonialherren bzw. deren Nachwuchs sein? Wie tief sind die gesunken... Die Westler im allgemeinen und die Engländer im besonderen verspielten damals durch diese ungewollten "Botschafter" des schlechten Geschmacks unendlich viel Kredit - jedenfalls in den Gegenden, wo sie auftauchten. Zum Glück kam so gut wie niemand von ihnen über Rishikesh hinaus; dabei wird es dahinter, im "Garhwal", erst richtig interessant: Man kann entweder nördlich weiter reisen, nach Yamunotri, zu den Quellen des Yamuna, oder nordöstlich, nach Gangotri, zu den Quellen des Ganges, oder östlich, entweder nach Kedarnath, zu den Quellen der Mandakini, oder nach Badrinath, zu den Quellen der Saraswatī, zum Hemkand-See und zum "Tal der Blumen" - das doch gerade für die Hippies ein Traumziel hätte sein müssen. Aber die ausgemergelten englischen Junkies, die Dikigoros in den 70er Jahren in Indien angetroffen hat, wären fysisch gar nicht in der Lage gewesen, solche T[ort]uren zu unternehmen, denn Flughäfen und Eisenbahnen gibt es dort bis heute nicht, und die Straßen waren damals noch recht bescheiden; wer wirklich zu den Quellen wollte, konnte auch keinen Jeep mieten, der mußte noch ein paar gute Kilometerchen zu Fuß durch's Gletscher-Gebirge weiter gehen; von Gangotri zum Gaumukh, der eigentlichen Quelle des Ganges, rund 20 km, bei den anderen Flüssen sogar 30-40 km Luftlinie. Und Luxus-Herbergen und Freß-Tempel gab und gibt es dort auch nicht, nur ein paar nackte Rishis, denen die Kälte offenbar nichts ausmacht. Wer diese vier heiligen Stätten besucht hat, kann mit Fug und Recht sagen, daß er Indien gesehen hat - die Beatles und ihre Followers können es nicht. [Kürzlich hat ein Schweizer Reiseveranstalter eine Trekking-tour im Garhwal in sein Programm aufgenommen, die noch weiter östlich verläuft, über Debal und Mundoli zum Ropkund-See am Fuße des Trishūl-Gebirges mit Blick auf die Nand Dewī (nach der sie die Tour benennen, obwohl die "Göttin der Berge" noch rund 70 km Luftlinie entfernt liegt :-) - aber sie sparen die heiligen Stätten (bewußt?) aus und reisen nicht über Haridwār und Rishikesh an, sondern von Süden, über Nainital, die einstige Sommerfrische der englischen Gouverneure, die heute unter einer Smog-Glocke aus Auto-Abgasen vor sich hin dämmert - aber das ist eine andere Geschichte.]
Rückblende. Im Jahre 1870 fand vor der Isle of Wight - das ist eine Insel vor der Südküste Englands - die größte Flottenparade aller Zeiten statt. Die ausländischen Flotten waren auch eingeladen, um ihnen die Überlegenheit der Royal Navy - die stärker war als die zweit- und drittstärkste Flotte zusammen - vor Augen zu führen und gleichzeitig zu demonstrieren, daß es nie wieder eine erfolgreiche Invasion der britischen Inseln geben würde. Die Veranstalter von damals irrten: Keine 100 Jahre später kam es zu einer gewaltigen Invasion, ja sogar zu mehreren Invasionen von "Hippies" aus aller Welt, und zwar ausgerechnet auf der Isle of Wight. Jeweils im Sommer der Jahre 1968, 1969 und 1970 fanden sie statt, und egal was man von der Musik, die da gespielt wurde, halten mag (nein, anders als bei der Invasion der Normannen von 1066 sang niemand das Rolandslied - aber über den Sänger schreibt Dikigoros an anderer Stelle mehr) - sie erreichte Kultstatus. Selbst die Franzosen, die bis dahin ihre Chanson- und Variété-Szene weitgehend vom Einfluß des Englischen frei gehalten hatten, erlagen ihm nun voll und ganz. "Wight is Wight", gesungen von dem bis dahin so gut wie unbekannten Michel Delpech, wurde ein Riesenhit. Allerdings nicht in England, denn erstens war der Text immer noch überwiegend französisch - und die Briten hatten es noch nie mit Fremdsprachen, mit Französisch gleich gar nicht -, und zweitens besang er nicht einen der englischen "Musiker", sondern die Amerikaner Bob Dylan und Donovan (der im Februar 1968 ebenfalls am Kumbh Melā von Haridwār teilgenommen hatte und sogar im selben Āshram wie die Beatles abgestiegen war - nicht verwandt und nicht verschwägert mit dem Verfasser des Donovan-Reports :-), die zu Kultfiguren der "68er" wurden, während sich das Interesse am englischen Beitrag, wie böse Zungen behaupteten, vor allem auf ein paar FKK-Anhängerinnen konzentrierte, die nackt durch die Gegend liefen. (Die wurden sogar besungen: "They call it the streak" wurde ein Hit :-) Will da etwa jemand protestieren mit dem Hinweis, daß im Mittelpunkt des "musikalischen" Interesses gar nicht so sehr die von Michel Delpech besungenen Bob Dylon und Donovan standen, sondern viel mehr Bob Marley (mit seinem scheußlichen "Reggae", dessentwegen Dikigoros "musikalisch" in Anführungsstriche gesetzt hat) und Jimi Hendrix, die ja beide einen britischen Paß hatten? Na ja, aber... kein Kommentar - wenigstens vorläufig nicht.
So konnten sich die Engländer denn wenigstens ein paar Jahre auf dem Gipfel ihrer musikalischen Weltherrschaft sonnen, wenn schon sonst alles schief ging: Die USA, die England schon in den 60er Jahren gezwungen hatten, seine letzten Übersee-Kolonien in die politische "Unabhängigkeit" zu entlassen (um sie in die wirtschaftliche Abhängigkeit von sich selber zu bringen - "Dollar-Imperialismus" nannte man das; die Briten mußten diesen Preis zahlen, damit die USA das Pfund durch Stützungskäufe zum Kurs von 2,40 US-$ stabil hielten), zwangen es nun auch noch, seine Zollgrenzen zu öffnen ("Freihandel" nannte man das). Das nutzten nicht nur die USA selber, sondern bald auch die Japaner (die 1970 eine Weltausstellung der Superlative in Ōsaka veranstalteten, ob der die Londoner nur neidisch werden konnten - aber das ist eine andere Geschichte) aus, um England vom Weltmarkt zu verdrängen. Das empörte Volk wählte zwar daraufhin die Labour-Partei ab, aber auch der neuen konservativen Regierung blieb angesichts der Massenstreiks, mit denen die Gewerkschaften ganz gezielt die noch nicht verstaatlichten Zweige der Wirtschaft ruinierten, schließlich nur der wenig originelle Ausweg, zähneknirschend um Aufnahme in die EWG zu bitten. Bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1970 schied England schon im Viertelfinale aus - und das ausgerechnet gegen die verdammten Deutschen. Und Wimbledon hatte schon seit Jahren kein Brite mehr gewonnen. Leider dauerte auch die musikalische Weltherrschaft der Engländer nicht allzu lange: 1970 gingen die "Beatles" auseinander (wie schon ein Jahr zuvor die kaum weniger erfolgreichen "Herman's Hermits" aus Manchester, deren beiden Fußball-Vereine - "City" und "United" - ebenfalls langsam den Bach hinunter gingen), und die Invasionen der Hippies auf der Isle of Wight schliefen ein, genauer gesagt verlagerten sie sich - in die USA. 1969 hatte in Woodstock ein Musik-Happening statt gefunden, das alles in den Schatten stellte (nicht qualitativ, aber quantitativ, und darauf kam es doch an - oder?), was sich je auf der Insel Wight oder sonst in England abgespielt hatte. Es war so zu sagen die inoffizielle Geburtsstunde der Friedensbewegung, der "flower power [Blumen-Macht]", der freien Liebe - und des freien Rauschgift-Konsums. (Nein, stolz brauchten die USA darauf wahrlich nicht zu sein, ebenso wenig wie auf die "Musik", die da geboten wurde - aber das schloß ja nicht aus, daß die neidischen Briten in ihrem Stolz gekränkt waren :-)
[Exkurs. Natürlich gibt es auch ein Woodstock in England - und deshalb ärgert es die Engländer besonders, daß die Freunde der Rockmusik in aller Welt seit 1969 bei "Woodstock" und "Liebe" nur noch an den Ort in den USA denken. Denn Woodstock war für die Engländer stets ein Symbol der Liebe - und der Aufrechnung ihrer eigenen Verbrechen gegen die der Franzosen. Dikigoros hat oben von der Ermordung Jeanne d'Arcs durch die Engländer geschrieben. Wenn Ihr Franzose wäret und einen Engländer aus dem "perfiden Albion" darauf ansprechen würdet, dann würde er Euch mit steifer Oberlippe an Woodstock erinnern: Im dortigen Schloß saß Rosemonde Clifford, die "schöne Rosamunde", die durch die englischen Dichter im Laufe der Jahrhunderte auch fast zu einer Nationalheiligen gemacht geworden ist (die Engländer haben halt keine andere - oder hatten jedenfalls keine vor Lady Di :-), die Geliebte Heinrichs II, und die wurde 1176 - im selben Jahr, als im gerade endgültig eroberten Wales, genauer gesagt in Cardigan, das erste allenglische Musikfestival statt fand (so schließt sich der Kreis!) - ermordet, von der bösen französischen Ehefrau Heinrichs, Eleonore von Aquitanien. (In Wirklichkeit waren Heinrich, Rosamunde und Eleonore weder "Engländer" noch "Franzosen", sondern allesamt Normannen, aber das ist eine andere Geschichte.) Und, so würde der Engländer fortfahren, Joan of Arcs war eine erfolgreiche Heerführerin, die als Kriegsverbrecherin hingerichtet wurde. (Merke: Wer erfolgreich gegen die Briten Krieg führt, ist per se ein Kriegsverbrecher! Auch der deutsche Feldmarschall Erwin Rommel wurde kürzlich in jenen erlauchten Kreis aufgenommen: ihn nicht als solchen verdammt zu haben, kostete erst einen Zeitungsredakteur seinen Job, dann einen Prinzen sein Thronfolgerecht. Wäre er zum Kostümfest als Stalin, Churchill, Eisenhower oder Mao Tse-tung verkleidet erschienen, hätte niemand etwas gesagt.) Rosemonde Clifford dagegen war eine arme, wehrlose Zivilistin, die nichts weiter getan hatte, als der Königin ihren Mann auszuspannen... Die Berechtigung dieser Argumentation kann man den Briten nicht ganz absprechen: Sie haben ihre Verbrechen - auch die an der feindlichen Zivilbevölkerung - stets im Krieg begangen, während ihre Alliierten - Franzosen, Amerikaner und Russen - sie auch und vor allem nach dem Krieg an ihren besiegten Gegnern verübt haben. Nein, liebe ältere deutsche Leser (die jüngeren dürfen es ja nicht mehr wissen), die Aufrechterhaltung der Hungerblockade bis 1919 ist kein Gegenbeispiel, denn solange die Deutschen den in Versailles diktierten Friedensvertrag nicht unterzeichnet hatten, war formell noch Krieg; als Franzosen könntet Ihr aber zurück fragen, was wohl schlimmer ist: ein paar Verbrechen im Frieden zu begehen oder allenthalben neue Kriege - Dikigoros hat sie Euch oben aufgezählt - anzuzetteln, wie die Engländer es getan haben; doch auch das ist eine andere Geschichte. Exkurs Ende.]
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