ZUM RAUM WIRD HIER DIE ZEIT
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VON DER NEWA ZUM HUDSON
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Die Geschichte[n] der September-Verbrecher

[Aleksandr Newskij in Aktion] [Barcelona 1714] [World-Trade-Center 2001]

EIN KAPITEL AUS DIKIGOROS' WEBSEITE
REISEN DURCH DIE VERGANGENHEIT
GESCHICHTEN AUS DER GESCHICHTE

Die Idee zu dieser "Reise durch die Vergangenheit" ist Dikigoros nicht gekommen, als er selber diese Schauplätze wichtiger Geschichte[n] besucht hat, sondern erst viele Jahre später. Genauer gesagt an einem jener düsteren Herbsttage, als sich einmal mehr alle Massenmedien der BRD überschlugen an Hetzartikeln über die - echten und/oder vermeintlichen - Untaten "der" Deutschen an jenem ominösen Datum 9.11. Und da fiel ihm ein, daß es manchmal auch umgekehrt sein kann, z.B. wenn man dieses Datum umkehrt und sich einmal anschaut, welche Untaten Angehörige anderer Völker etwa am 11.9. begangen haben, und wie man dort darauf bis heute reagiert: Auch mit unsachlicher Nestbeschmutzung? Mit nüchterner Feststellung der Tatsachen? Mit verschämtem Schweigen? Oder mit stolz geschwellter Brust ob jener - echter und/oder vermeintlicher - Heldentaten? Dreimal dürft Ihr raten, liebe Leser; und wenn Ihr dann immer noch nicht drauf gekommen seid, sondern auf eine der ersten drei Alternativen getippt habt, dann solltet Ihr jetzt unbedingt weiter lesen.

Vorab muß Euch Dikigoros erklären, weshalb er hier der Versuchung widerstanden hat, eine Schein-Rundreise zu schildern, nämlich vom Hudson einmal um die Welt zurück zum Hudson. Auf den ersten Blick hätte sich das aufgedrängt, denn just am 11. September 1609 entdeckte der Mann, nachdem er benannt ist - Henry Hudson - Manhattan, und 400 Jahre später sollten die New Yorker das als Beginn der Besiedelung Nordamerikas durch die Europäer feiern. Aber nichts davon ist wahr - Hudson hatte nämlich an Manhattan gar kein Interesse; er suchte vielmehr die "Nordwest-Passage" vom Atlantik in den Pazfik und fuhr gleich wieder ab; hier reißt also die Kausalkette - wenn es denn überhaupt eine gab. Aber da wir schon mal dort sind, will Dikigoros gleich ein paar Worte über das weit verbreitete Märchen verlieren, daß die bösen Niederländer 28 Jahre später den armen Indianern jene wertvolle Halbinsel "für'n Appel und'n Ei", genauer gesagt für eine Handvoll Glasperlen und rostiger Nägel "abgegaunert" hätten. Abgesehen davon, daß jene versumpfte Wildnis damals noch kaum einen echten "Wert" hatte, war es tatsächlich der Indianerhäuptling, der die Holländer bei diesem "Verkauf" begaunerte, denn Manhattan gehörte ihm gar nicht, und die Käsköppe mußten es später noch einmal bezahlen - auch mit Blut, aber das ist eine andere Geschichte. In den folgenden Jahrzehnten sah es nicht danach aus, als sollte Nordamerika jemals britisch werden; die Frage schien vielmehr zu sein, ob es Spanisch, Französisch, Niederländisch oder Schwedisch würde - aber auch darüber schreibt Dikigors an anderer Stelle. Also vergeßt fürs erste den Hudson und Nordamerika.

[Das Aleksandr-Newskij-Kloster an der Newa]

Sankt Peterburg hieß, als Dikigoros und seine Frau es in den 1980er Jahren besuchten, noch "Leningrad", und man konnte die Stadt an der Newa noch nicht auf eigene Faust bereisen, sondern nur mit einer Touristengruppe unter Leitung handverlesener, linientreuer Fremdenführer, und die führten einen bevorzugt an das Ende des Newskij-Prospekts, an dem die Admiralität und die Hermitage stehen; speziell die letztere gewährleistete ihnen eine mehrstündige Arbeitspause - denn man mußte lange anstehen, um Einlaß zu bekommen. (Und wenn dann noch jemand irgend ein Kloster sehen wollte, dann zeigte man ihm das Smolny-Institut, das - angeblich - mal ein Kloster war, aber während der chlor- und rum-, pardon wodkareichen "Oktober"-Revolution vom November 1917 zum Hauptquartier der Bolschewiken geworden war und deshalb nun als Ikone derselben galt.) Einige Touristen, die mit Kunst nicht viel am Hut hatten, waren freilich schon damals so dreist, sich aus der Hermitage-Schlange davon zu stehlen und ans andere Ende des Prospekts zu spazieren. Dort stand - und steht bis heute - eines der vier Klöster der Ex-Sowjet-Union, das Ende des 18. Jahrhunderts der Heiligen Lawra geweiht wurde (über ein weiteres schreibt Dikigoros an anderer Stelle). Gegründet aber wurde es anno 1713 von Peter I - dem Gründer Sankt Peterburgs - als Aleksandr-Newskij-Kloster, am Schauplatz einer Heldentat, die damals schon fast ein halbes Jahrtausend zurück lag, aber bis heute unvergessen ist.

Im Sommer 1240 trafen hier die Heere von Schweden und Nowgorod auf einander; die Nowgoroder, die von "Prinz" Aleksandr angeführt wurden, überrumpelten die Schweden in dichtem Nebel und gewannen die Schlacht. - Na und? War die so wichtig? Militärisch sicher nicht (deshalb schreibt Dikigoros über ihren Verlauf auch nichts weiter) - aber politisch? Befreite sie vielleicht "Rußland" vom Joch der schwedischen Waräger? Ganz im Gegenteil, liebe Leser, ganz im Gegenteil, denn Rūsland war doch eigentlich eine Schöpfung jener Nordmänner (und Nowgorod sowieso)! Es war also eigentlich ein Bruderkrieg, und das zu einem Zeitpunkt, als sich das Land den am allerwenigsten leisten konnte: Die Mongolen waren an der Ostgrenze aufgetaucht und schickten sich an, ganz "Rußland" zu unterwerfen. Was hätte also näher gelegen, als sich gemeinsam gegen diese Gefahr zu stemmen? Aber nicht doch - schließlich wollte jeder Herrscher sein, und sei es von Khan Batus Gnaden! Aleksandr verbündete sich mit ihm gegen seinen älteren Bruder Andrej, hielt sich so den Rücken frei gegen die Schweden - und den Mongolen gegen die Russen; und während sich im Westen die Nachfahren der Nordmänner gegenseitig zerfleischten, zerstörten die Mongolen Kiew und das Reich der Rūs unwiderbringlich. An seine Stelle trat das Reich der Moskowiter, das unter dem Joch der mongolischen "Tataren" stand; und im Grunde genommen besteht dieses Moskowiterreich bis heute fort, allen Versuchen Peters des Großen und anderer zum Trotz, wieder Anschluß an den Westen zu gewinnen - mehr als ein Blick durch das "Fenster" Sankt Peterburg blieb ihnen nicht. Und Nowgorod? Die einst reichste und mächtigste Stadt Nordosteuropas wurde von Batus Vasallen Aleksandr brutal ausgepreßt und am Ende so ruiniert, daß sie als politischer Machtfaktor verschwand. (Fysisch vernichtet werden sollte sie erst von Iwan IV, aber das ist eine andere Geschichte.) Kurzum: Kein anderer hat der russischen Geschichte eine auch nur annähernd so verhängnisvolle Wende gegeben wie Aleksandr, dem sie für jene Tat den Beinamen "Newskij" verliehen und den die orthodoxe Kirche - obwohl er sich und sein Land den Muslimen unterworfen hatte - zum "Heiligen" erklärte. (Ihr meint, liebe Kinder des 20. Jahrhunderts, die Taten Lenins und seiner Nachfolger seien doch wohl viel einschneidender gewesen? Ach was - ohne Aleksandr Newskij hätte es gar keine Kalmüken auf russischem Boden gegeben!) Und die Schlacht an der Newa, als größter Sieg der russischen Geschichte gefeiert, war in Wahrheit ihre größte Niederlage.

Wir stehen hier also vor einem doppelten Rätsel; denn nicht nur, daß Aleksandr Newskij in Wahrheit gar kein Held, sondern ein Verräter war - dessen Verrat sich in einem Maße ausgewirkt hat wie kein anderer in der russischen Geschichte -, sondern es ist auch überhaupt nicht ersichtlich, wieso der 11. September zu "seinem" Feiertag wurde, denn das ist ein Datum, mit dem er nichts, aber auch gar nichts zu tun hatte: Es ist weder sein Geburts- noch sein Todestag, und keine seiner Schlachten - auch nicht die auf dem Peipus-See gegen den deutschen Ritterorden, deren Bedeutung zwar viel geringer war als die der Schlacht an der Newa, aber von der sowjetischen Propaganda im Zweiten Weltkrieg weit übertrieben wurde - fand an jenem Tage statt, weder nach dem alten noch nach dem neuen Kalender. Dennoch wurde dies der "Alexandr-Newskij-Tag", der heimliche National-Feiertag der Russen, an dem sie in die Klöster strömen, um jenen merkwürdigen Heiligen zu verehren - und das taten sie wohlgemerkt auch zu Sowjet-Zeiten, bloß daß sich die Klöster da "Museen" nannten, denn als Zivil-Heiliger war er auch Stalin und seinen Epigonen allemal der Erinnerung wert. (Nur im Westen ist seit den Ereignissen des 11. Septembers 2001 jeglicher Hinweis auf diesen russischen Feiertag sorgfältig aus allen Publikationen getilgt :-)

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Nachtrag. Kaum hatte Dikigoros diese Seite - noch unfertig - ins Web gesetzt, schon bekam er eine E-mail, in der er heftig angegriffen wurde. Nein, nicht aus Rußland, sondern von einem jener "Aussiedler", die mit der Behauptung, eine ur-deutsche Ur-Ur-Urgroßmutter gehabt zu haben, in die BRDDR geströmt sind und sich zumeist dadurch auszeichnen, daß sie sowohl mit der deutschen Sprache als auch mit der russischen Geschichte (und mit der deutschen sowieso - aber dafür können sie ja nichts :-) auf Kriegsfuß stehen. Dikigoros faßt mal kurz den Inhalt zusammen: 1. war der 11. September nie russischer Nationalfeiertag; er war auch nie Gedenktag für Aleksandr Newskij, das war vielmehr der 20. August. 2. war er zu Sowjet-Zeiten - also nach der Zeitumstellung - nie Nationalfeiertag, und 3. ist er das auch heute nicht; am 11. September wird vielmehr der Seeschlacht von Tendra anno 1790 gedacht. Hm... Darf Dikigoros hinten anfangen? Jene Seeschlacht war mit Verlaub so unbedeutend, daß er sie nicht mal in "Eine Seefahrt, die ist lustig" aufgenommen hat - vergeßt sie also; sie mag in der russischen Marine ein Gedenktag sein, mehr aber auch nicht. (Außerdem fand sie nicht am 30. August statt, sondern am 28., also nach neuerer Zeitrechnung nicht am 11. September, sondern am 9.; und Dikigoros wird den Verdacht nicht los, daß die Sowjets sie eigens zu dem Zweck, dem althergebrachten Feiertag einen neuen [Un]Sinn unterzuschieben, um zwei Tage nachdatiert haben :-) Ja, zu Sowjet-Zeiten tat man sich schwer mit alten Feiertagen - schließlich hatte man jetzt genügend neue, die fast alle irgendwie mit der glorreichen Revolution von 1917 zusammen hingen; da dies jedoch eine im Rückblick doch verhältnismäßig kurze Periode der russischen Geschichte war (und die einfachen Leute wie gesagt auch ohne staatlichen Segen Aleksandr Newskij weiter verehrten) erlaubt sich Dikigoros, diesen Punkt zu vernachlässigen. Und der erste? Nun, der junge Mann, der ihm gemailt hat, lebt in Berlin - und allzu weit über dessen Stadtgrenzen scheint sein geistiger Horizont nicht hinaus zu gehen, sonst wäre er vielleicht mal in die Nachbarstadt Potsdam gereist und hätte dort die zu ihrer Zeit weltweit größte russisch-orthodoxe Kirche außerhalb des Tsarenreichs besichtigt, die "Alexander-Newski-Gedächtniskirche", wie sie auf gut Preußisch geschrieben wurde. Auf Preußisch? Na klar - der Preußenkönig Friedrich-Wilhelm III persönlich hatte sie in den Jahren 1826-29 für seine lieben russischen Unterthanen bauen lassen - von einem Hugenotten namens Lenné, den heute in Deutschland kaum noch jemand kennt (wenn er nicht gerade in Bonn Jura studiert hat - denn das "Juridicum" liegt in der Lenné-Straße - oder mit der berühmt-berüchtigten Islamistin Annemarie Schimmel bekannt war, die dort wohnte :-). Wann gab er diese Kirche in Auftrag? Natürlich am 11. September, und wann weihte er sie ein? Natürlich auch am 11. September, denn außerhalb Rußlands wurde seiner selbstverständlich an diesem Datum gedacht, nicht am 30. August! Nachtrag Ende.

[Die Alexander-Newski-Gedächtniskirche in Potsdam]

Blättern wir drei Jahre zurück in Dikigoros' Reisetagebuch. (Es stört Euch doch hoffentlich nicht, liebe Leser, daß er dieses Kapitel seiner "Reisen durch die Vergangeheit" chronologisch nach den zugrunde liegenden historischen Ereignissen aufbaut, und nicht nach der Reihenfolge seiner eigenen Besuche dortselbst, die just umgekehrt war? Aber erstens soll dies ja eine "umgekehrte" Reise werden, zweitens ist es doch nur natürlich, persönliche Rückblicke so abzuwickeln, und drittens widerstrebt es Dikigoros, Geschichte im Rückwärtsgang zu schreiben wie einst der sudetendeutsche Historiker Hellmut Diwald, dessen "Geschichte der Deutschen" seinerzeit - freilich aus ganz anderen Gründen - Skandal machte. Nein, die Wahrheit zu schreiben war schon damals nicht opportun, und nicht nur nicht in Deutschland.) Treue Leser von Dikigoros' Reisen durch die Vergangenheit wissen ja schon aus einem derer meistbesuchten Kapitel, wie unwissend er einst in Bezug auf die Geschichte seiner Mutterstadt war, z.B. was die Belagerung durch die Türken anno 1683 anbelangt. Auf die will er hier aber nicht zurück kommen, denn erstens endete sie erst am 12. September 1683 - verpaßte also das berühmt-berüchtigte Datum um einen Tag (auch wenn auf YouTube neuerdings etwas anderes behauptet wird, um eine Parallele an den Haaren herbei zu ziehen, die es in der Realität nicht gibt), und zweitens war mit der Aufhebung der Belagerung noch nicht viel gewonnen: Erstens standen die Türken weiterhin im Südosten des Landes, zweitens hatten sie bei ihrem Teilrückzug einen breiten Streifen entvölkerter und verbrannter Erde hinter sich zurück gelassen, und drittens kamen sie ein paar Jahre später wieder, mit einem Heer, das größer und stärker war alle bis dahin in Habsburgischen Landen gesehenen: um die 100.000 Mann. (Erst in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts sollten sie in noch größerer Zahl wieder zur Invasion Mitteleuropas ansetzen, aber das ist eine andere Geschichte.) Doch als sie vor den Festungsmauern von Szeged stehen - dessen Verteidigern gerade das nach dieser Stadt benannte Gulasch auszugehen droht - kommt ihnen General Winter, genauer gesagt der Regengott, in die Quere: Mieses Wetter läßt den Sultan die Belagerung abbrechen und den Rückmarsch ins Winterquartier bei Temešvar befehlen. Das Riesenheer marschiert also am Westufer der Theiß entlang gen Süden. Wo gibt es die nächste ordentliche Brücke, auf der man gefahrlos nach Osten übersetzen kann? Richtig, im Süden von Zenta. Was, Ihr habt diesen Ortsnamen nie gehört, liebe Leser? Und Ihr könnt auch mit den Begriffen "Batschka" (dort liegt "Senta" - wie es heute geschrieben wird - eigentlich, d.h. geografisch) und "Banat" (dort liegt es verwaltungs-juristisch) nichts mehr anfangen? Aber vielleicht mit der "Voivodina" (so heißen diese beiden Provinzen heute), der einzigen Kolonie, welche die Serben nach der Zerschlagung des Raubstaats "Jugo-Slawien" in den 1990er Jahren halten konnten. (Dorther stammte z.B. die Tennisspielerin Monica Szeles, die trotz ihrer ungarischer Abstammung immer so demonstrativ die "serbische Patriotin" gab und sogar ihren Namen "Seles" schrieb.) Und wenn Euch Dikigoros sagt, daß Zenta 80 km östlich von Mohacs liegt, dem Ort, wo 1526 die Türken-Katastrofe für Europa ihren Anfang genommen hatte? Aber auch dieser Ort und dieses Datum sind ja aus Eurem Gedächtnis gestrichen, wenn sie dort je einen Platz hatten. (Doch darüber schreibt Dikigoros an anderer Stelle.)

Also gehen wir zum Ausgangspunkt zurück, nach Szeged. Das ist relativ leicht zu finden, denn es liegt ziemlich genau auf halbem Weg zwischen Budapest (160 km südöstlich) und Belgrad (160 km nördlich) - diese beiden Städte müßtet Ihr doch kennen, denn dort gibt es Fußball-Vereine, die auch schon mal im Europapokal gegen Bundesliga-Mannschaften gespielt haben; vielleicht wart Ihr sogar schon mal dort. Und wenn Ihr von Szeged ca. 40 km die Theiß nach Süden hinunter fahrt (mühsam, auf den Spuren der Türken, denn die Autobahn endet in Szeged), dann kommt Ihr nach Zenta. Dort könnt Ihr dann Rast machen (es gibt sogar ein Hotel), ebenfalls wie die Türken, die erstmal in aller Gemütlichkeit ein befestigtes Lager errichteten, in dem sie ihre Zelte aufschlugen, statt gleich mit dem Übersetzen zu beginnen. Worauf sie warteten, ist unklar - bestimmt nicht auf die Österreicher, die ihnen heimlich gefolgt waren und am Morgen des 11. September 1697 ebenfalls vor Zenta auftauchten, just in dem Augenblick, als die Türken sich endlich anschickten, die Theiß zu überqueren. Wie so etwas ausgehen kann, wissen Dikigoros' Leser ja bereit aus der Geschichte von William Wallace. Aber was sich 400 Jahre zuvor bei Stirling abgespielt hatte, war nur "Peanuts" verglichen mit dem, was bei Zenta geschah: 1397 hatten ein paar hundert Schotten ein paar tausend "englische" Normannen überrumpelt; hier waren die Größenordnungen ganz andere: Der österreichischen Artillerie gelang es, die Brücke zusammen zu schießen; die Türken versuchten in Panik, die Theiß schwimmend zu überqueren; wer Glück hatte, kam ans andere Ufer und konnte fliehen, wer Pech hatte, ertrank, und wer es gar nicht erst versuchte, wurde von den Österreichern am Westufer nieder gemacht. Auf knapp 30.000 Mann (und ein paar Dutzend Haremsdamen :-) schätzt man die Verluste der Türken, auf ein paar hundert die der Österreicher. Ja, und der Rest? Hätte man da nicht sofort die Verfolgung aufnehmen müssen? Wenn es den Österreichern gelungen wäre, die Geflohenen einzuholen und fertig zu machen, hätte auch der Sultan sagen können: "Ich habe fertig." Denn dann wäre der Weg frei gewesen über Belgrad, Nisch, Sofia, Filippopel und Adrianopel bis nach Konstantinopel. Hier bot sich die einmalige Chance, die Türken ein für alle mal aus Europa hinaus zu werfen (denn noch waren sie überall nur eine Minderheit, auch in Konstantinopel!), und vielleicht nicht nur aus Europa - führten die Habsburger nicht immer noch den Titel "König von Jerusalem"?

Aber ach, auf Seiten der Habsburger kommandierten zwei Idioten Gastarbeiter Feldherren, welche die Gunst der Stunde nicht zu nutzen wußten. Der Oberbefehlshaber war ein Franzose mit griechischem Namen, Fürst (übersetzt doch bitte das französische Wort "prince" nicht immer mit "Prinz", liebe deutsche Historiker!) Eugène de Savoie ("Eugen von Savoyen"). Der mit den Türken verbündete König von Frankreich hatte ihn nichtmal zum Subaltern-Offizier machen wollen, weil er ihm zu klein und zu unfähig erschien (zumindest mit letzterem hatte er vollauf Recht - ein kluger Schachzug!); der Kaiser in Wien ernannte ihn dagegen gleich zum OB - an Stelle des dafür abservierten Grafen Starhemberg. (Nein, nicht Rüdiger, der 1683 Wien verteidigt hatte, sondern sein Neffe, Guido. Warum man ihn abserviert hatte? Dikigoros weiß es nicht - sachliche, vor allem militärische Gründe sind nicht ersichtlich; es werden wohl irgendwelche Hofintrigen gewesen sein.) Eugens Stellvertreter war ein Engländer namens John de la Field, und der war auch nicht besser. Auf eine sofortige Verfolgung verzichtete er wegen schlechten Wetters (wir erinnern uns - der Regengott war gerade besonders aktiv...); und als Eugen (der die Schlacht verschlafen hatte, wie Hindenburg gut 200 Jahre später die Schlacht bei Tannenberg, die seine Stellvertreter für ihn schlugen) aufwachte, entschied er, diesen Fehler nicht etwa zu korrigieren - man hätte ja immer noch, mit etwas Verspätung, die zuvor skizzierte Route nach Südosten einschlagen können -, sondern statt dessen nach Südwesten zu marschieren und dort das Städtchen Sarajewo zu erobern - das ja besonders wichtig war, vor allem im Vergleich zu den anderen Zielen. (Am Ende "gewann" man dort ein Häuflein verkohlter Ruinen.) Aber am Hofe zu Wien war man nach Zenta in etwa so schlau wie man 1940 nach der vermeintlich gewonnenen Schlacht von Dünkirchen in Berlin war: Statt Entlassungen und Todesurteilen wegen militärischen Versagens (man hatte das Gros der Briten ebenso entkommen lassen wie einst das Gros der Türken bei Zenta) regnete es Orden und Beförderungen; und alle feierten den großen Sieg. 1799 wurde feierlich Frieden geschlossen, passenderweise in einem Ort namens Carlowitz, denn das ganze war ein (schlechter) Witz: Die Türken brachen den Frieden bei nächster Gelegenheit; und in den nächsten vier Jahrzehnten gingen die meisten Eroberungen der Habsburger wieder verloren. Südosteuropa blieb bis ins 20. Jahrhundert türkisch (was die Grundlage dafür bildete, daß im 21. Jahrhundert ganz Mitteleuropa türkisch werden sollte); und was aus Sarajewo wurde und vor allem was da im 20. Jahrhundert noch so geschah, das könnt Ihr an anderer Stelle nachlesen. Ihrem größten militärischen Versager aber bewahrten die Österreicher ein ehrendes Andenken als "größem Feldherrn aller Zeiten" - wem auch sonst?!

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Im selben Jahr reist Dikigoros zum zweiten Mal auf die Iberische Halbinsel (über seine erste Reise dorthin wißt Ihr ja schon bescheid, wenn Ihr den Link oben angeklickt habt - hier ist er noch mal), genauer gesagt in den Süden, nach Andalusien und Katalonien. Der böse Diktator Franco ist zwar schon tot; aber von "Sprachautonomie" der Provinzen wollen auch seine gut-demokratischen Nachfolger einstweilen nichts wissen. Offiziell wird also weiterhin überall Kastilianisch gesprochen, auch in Katalonien - was Dikigoros nur recht ist, denn er hat nie Katalanisch gelernt (bis heute nicht - er kann es lesen, aber weder sprechen noch richtig verstehen) -, doch in den Kneipen, wo er seine Tapas ißt und sein Bier trinkt (ja, damals sprach er dem Alkohol noch zu, und das Bier in Spanien war ebenso gut und ebenso billig wie in Mexiko), hört er immer wieder Leute, die er nicht versteht. Gewiß, er kann erraten, um was es geht - was so schwierig nicht ist, denn die Katalanen teilen mit den Mexikanern (die ein aus Andalusien importiertes Spanisch sprechen, weshalb Dikigoros mit dem Dialekt keinerlei Probleme hat) nicht nur die Begeisterung für Bier, sondern auch für Stierkämpfe (damals dachte noch niemand daran, die zu verbieten - und Dikigoros ist überzeugt, daß das auch im 21. Jahrhundert in erster Linie nicht aus moralischer Überzeugung und/oder Tierliebe geschah, sondern aus Opposition zu Madrid :-) und vor allem für Fußball. In jenen Tagen zieht ein gewisser Bernd Schuster seine Kreise beim FC Barcelona; und obwohl sich Dikigoros nie übermäßig für Fußballspiele interessiert und nur selten deren Fernsehübertragungen angeschaut hat, wird ihm einer jener Kneipenabende unvergeßlich bleiben: Der Fernseher läuft auf voller Lautstärke, und bei den Gästen herrscht eine unbeschreibliche Begeisterung ob des Spiels im allgemeinen und der Weltklasseleistung von "El Alemán" im besonderen: "Barça" fegt den "Erbfeind" Real Madrid vom Platz; und als sich Dikigoros dann auch noch als Landsmann Schusters outet, lassen sich einige Fußballbegeisterte sogar herab, mit ihm auf Kastilianisch zu sprechen: "Das ist heute ein ganz besonderer Tag für uns." - "Habt Ihr denn noch nie zuvor gegen die Madrileños gewonnen, daß Ihr da so einen Zirkus drum macht?" fragt Dikigoros verwundert. Sein Gegenüber schaut ebenso verwundert zurück, dann fällt der Groschen: "Ach so, Du bist ja Ausländer, deshalb weißt Du nicht, was heute für ein Tag ist." Dikigoros schaut auf die Uhr: "Der 11. September, den ganzen Tag schon." - "Eben... das ist unser Nationalfeiertag!" Dikigoros erspart sich - und seinen Lesern - eine ausführliche Rekapitulation jener peinlichen Nachhilfestunde in Geschichte, die ihm daraufhin von einem Häuflein katalanischer Patrioten erteilt wurde und faßt die Fakten, soweit sie hier von Belang sind, lieber kurz in seinen eigenen Worten zusammen.

Der 11. September war lange Zeit nicht der katalanische, sondern der spanische Nationalfeiertag - und im Gegensatz zum russischen können wir in diesem Falle auch ganz genau sagen, seit wann und warum. Habt Ihr schon mal vom "Spanischen Erbfolgekrieg" gehört, liebe Leser? Wahrscheinlich nicht, denn er ist aus Euren Geschichtsbüchern weitgehend verschwunden. (In der 6-bändigen "Propälyen-Geschichte Europas" - immerhin 3.000 Seiten dick - nimmt er gerade mal 49 Halbzeilen - die Seiten sind in je zwei Spalten bedruckt - ein, also nicht mal eine Seite.) Dabei war das eigentlich der erste Weltkrieg, der den Keim zu allen folgenden in sich trug. (Zwar wurden Landschlachten nur in Europa ausgetragen, aber Seeschlachten wurden auf allen sieben Meeren geführt, und schließlich ging es um den Besitz der halben Welt, die damals noch nicht Großbritannien gehörte, sondern Spanien und Portugal, vor allem dem ersteren: zwei Drittel von Südamerika, ganz Mittelamerika, ein Drittel von Nordamerika, die Filipinen, dazu zahlreiche strategisch wichtige Stützpunkte an der Küste Westafrikas.) Zu Beginn des 18. Jahrhunderts starb König Carlos II, der letzte MohikanerHabsburger auf dem Thron Spaniens, ohne Nachkommen. Das wäre nicht weiter schlimm gewesen, wenn er das etwas früher getan hätte, denn auf einen Nachfolger hatte man sich längst in allseitigem Einvernehmen geeinigt: den Prinzen Joseph von Bayern, einen Wittelsbacher, jung, gesund und harmlos, da ohne große Hausmacht. (Bayern war, 100 Jahre bevor es Napoléon Bonaparte zum "Königreich" machte, nur ein popeliges kleines Herzogtum.) Blöderweise war der im Vorjahr völlig unerwartet gestorben (sonst hätte sein Sohn den Laden erben können, und Spanien und Lateinamerka wären bayrisch geworden - oder umgekehrt, dann würde man auf dem Oktoberfest von MünchenMonaco de Baviera heuer statt Weißwurscht und Wiesenbier womöglich Paëlla und Vino tinto genießen :-), und nun fand man zu allem Überfluß auch noch ein ziemlich verworrenes Testament von Carlos II: Der Franzose Philippe von Anjou sollte den spanischen Thron erben, unter der Bedingung, daß er auf den französischen verzichtete; wenn nicht, dann sollte ihn Erzherzog Karl von Habsburg bekommen, unter der Bedingung, daß er auf die Kaiserkrone verzichtete. Aber wer sollte schon anno 1700 wissen, wer später mal auf was verzichtete oder nicht oder doch? Na wer wohl: Die braven Engländer konnten bekanntlich in solchen Fällen schon immer hellsehen; sie erkannten die drohende "Gefahr für den Weltfrieden" und brachen - zu dessen Sicherung, versteht sich - einen 14-jährigen Weltkrieg vom Zaun. Zunächst einmal schmiedeten sie gegen ihren Erbfeind Frankreich eine Allianz mit Österreich (dafür erkannten sie vorläufig Erzherzog Karl als neuen König von Spanien an) und den Niederlanden (auf dem englischen Thron saß seit 1689 ein Niederländer, Wilhelm von Oranien), der sich dann nach und nach fast alle europäischen Staaten anschlossen (außer den mit Frankreich verbündeten Bayern - die mußten ja immer irgendwie gegen den Strich bürsten :-) Diese "Alliierten" (jawohl, dieser Begriff wurde damals schon gebraucht!) errangen eine Reihe von glorreichen Siegen, die Ihr alle irgendwo anders nachschlagen könnt, denn Dikigoros geht es hier nur um einen, den letzten: anno 1709 bei Malplaquet.

Was, Ihr habt diesen Ortsnamen noch nie gehört, liebe Leser? Und Ihr findet ihn auch in keinem aktuellen Atlas mehr eingezeichnet, nicht mal im großen Shell-Autoatlas? Das ist gar nicht weiter verwunderlich, denn mit diesem Ort und den Ereignissen, die dort statt fanden, will sich niemand so richtig identifizieren - im Gegensatz zu so vielen anderen Schauplätzen mehr oder weniger großer Schlachten in Belgien, Nordfrankreich und Luxemburg, wo clevere Nepper und Abzocker einen Riesen-Touristenrummel aufgezogen haben. Schaut Euch mal Bastogne an, wo die letzte Offensive der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg scheiterte und wohin jeder gute US-Amerikaner einmal im Leben gepilgert sein muß wie jeder gute Muslim nach Mäkka; oder Verdun, wo die blutigste Schlacht des Ersten Weltkriegs statt fand und wo sich in den 1980er Jahren Birne und Mitterrand zu verlogenen Versöhnungsfeiern trafen; oder Waterloo, wo Napoleon die letzte Schlacht der nach ihm benannten Kriege verlor; und selbst in Kortrijk und Azincourt wird man Euch noch stolz an die historischen Schlachten erinnern, die dort geschlagen wurden. Aber Malplaquet? Das muß, wie schon der Name sagt, ein schlechtes Pflaster sein. Es liegt ja auch am Arsch der Welt... Nein, das hat sich Dikigoros nicht nur so ausgedacht, wie Ihr sofort sehen werdet, wenn Ihr Euch denn auf den Weg macht. Ihr fahrt zuerst nach Maubeuge, der Partnerstadt von Wanne-Eickel. (Kleiner Scherz am Rande. Ihr kennt doch, jedenfalls wenn Ihr in Dikigoros' Alter seid, sicher noch den Schlager: "Nichts ist so schön wie der Mond von Wanne-Eickel". Das hieß im Original: "Un clair de lune à Maubeuge" :-) Von dort nehmt Ihr die A 49 nach Westen bis Bavay, und dann die L 932 nach Nordosten bis Cul-de-sac. (Das letztere ist zwar inzwischen auch die offizielle Bezeichnung für eine Sackgasse, aber ursprünglich und im übertragenen Sinn meinte es "anus mundi".) Und von dort sind es dann nur noch ein paar Minuten bis zum Feld von Malplaquet, direkt an der belgischen Grenze - bis hier hatten sich die Franzosen irgendwann im 17. Jahrhundert den Hennegau unter den Nagel gerissen. Im 18. Jahrhundert stand da noch ein Wald; und dort erwarteten am Morgen des 11. September 1709 die französischen Truppen ihre Gegner.

[John Churchill, Duke of Malborough]

Am Ausgang dieser Schlacht konnte überhaupt kein Zweifel bestehen, denn nicht nur waren die alliierten Soldaten den französischen an Zahl weit überlegen, sondern sie hatten auch die größten Feldherren aller Zeiten zu Anführern. Den einen hatten wir schon kennen gelernt: es war "Prinz" Eugen, der edle Ritter. Und der andere war ebenso fähig und trug einen, nein zwei Namen, die noch heute einen guten Klang haben: Johann Kirchügel ["Churchill"], Baron von der Sandkuppe ("Sandridge" - dieser zweite Name ist weniger bekannt :-), Graf - später sogar Herzog - von Mergelburg ["Marlborough"], ein Vorfahre des Marlboro Man und des britischen Ministers und Ministerpräsidenten aus den beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts. (Auf der anderen Seite führte dagegen nur der doofe Herzog von Villars, als Ersatzmann für den gefallenen Feldmarschall von Tallard - was verstand der schon von Kriegsführung?) Die beiden alliierten Feldherren entwickelten gemeinsam eine geniale Taktik: Frontalangriff auf die französischen Stellungen ohne Rücksicht auf Verluste, denn der Angreifer ist bekanntlich immer im Vorteil. Mag sein; aber in diesem Fall hatten sich die Franzosen ausgezeichnet vorbereitet, Gräben ausgehoben, die sie sorgfältig verschanzt hatten, Pläne ausgearbeitet, um ggf. in eine zweite Stellung zurück zu weichen, Reserven für eventuelle Gegenangriffe angelegt usw. - man fühlt sich beinahe in die Zeit des Ersten Weltkriegs des 20. Jahrhunderts versetzt, als sich das in beinahe der selben Gegend alles noch (mehr als) einmal wiederholen sollte. Der erste alliierte Angriff, in den die Infanterie ohne Sinn und Verstand - und vor allem ohne Erfolg - gehetzt wurde, endete im Desaster, ebenso der zweite und der dritte; und wenn die Franzosen nicht einen völlig unfähigen Kavallerie-Kommandeur gehabt hätten - einen gewissen Herzog von Boufflers -, hätte die Schlacht mit der vollständigen Vernichtung der alliierten Armee enden können. Aber zu ihrem Glück hatten sie eine halbe Batterie Kanonen - sieben 12-Pfünder - durch den Wald nach vorne gebracht; die Franzosen hätten ein paar Pferde und Reiter opfern müssen, um sie im Sturm zu nehmen; aber statt dessen hielten sie gerade in Reichweite und trauten sich erstmal nicht, weiter vorzugehen. Das war nun so ziemlich das Dümmste, was sie tun konnten - die Batterie schoß sie zusammen; und so waren sie, als sie sich endlich doch entschlossen vorzugehen, schon erheblich geschwächt; es reichte zwar noch, um die englische Kavallerie zu schlagen; aber als auch noch die deutsche Reiterei auftauchte, mußten die Franzosen nach schweren Gefechten das Schlachtfeld räumen. Nach den Vorstellungen der damaligen Zeit hatten die Alliierten damit einen glorreichen und vollständigen Sieg errungen; manche Märchenonkel verbreiteten gar, ihre Verluste seien niedriger gewesen als die der Franzosen. Nichts könnte der Wahrheit ferner liege: 25.000 Mann Verluste hatten sie, die Franzosen dagegen "nur" 10.000. (Dikigoros will nicht ausschließen, daß die Franzosen die Gefallenen ihrer bayrischen Verbündeten, ihrer Schweizer Söldner und ihrer irischen Freiwilligen - die ja überall mitkämpften, wo es gegen ihre Unterdrücker, die Engländer, ging, während die Gascogner wie immer brav für ihre Unterdrücker, die Franzosen, kämpften - nicht mitzählten; aber an den Verlusten der Alliierten ändert das nichts.) Und vor allem: die letzteren zogen als intakter Truppenverband von ca. 70.000 Mann ab; und an eine Verfolgung war diesmal - anders als bei Zenta - schon aus militärischen Gründen nicht zu denken. Dieser von zwei der unfähigsten Generäle des 18. Jahrhunderts (nein, nicht den unfähigsten - im "siebenjährigen Krieg" und im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg gab es einige, die sie an Unfähigkeit noch übertrafen :-) verschenkte Sieg entschied den Spanischen Erbfolgekrieg.

Exkurs. Um nicht der Voreingenommenheit verdächtigt zu werden, will Euch Dikigoros nicht verschweigen, daß nicht nur die Engländer und die Österreicher ihren jeweils unfähigsten Feldherrn nach Malplaquet geschickt hatten, sondern auch die mit ihnen verbündeten Preußen - und auch dessen Name hat bis heute einen guten Klang, jedenfalls wieder seit 1945, da zwei seiner Nachkommen nach dem verpfuschten Stauffenberg-Attentat vom 20. Juli 1944 als Verräter hingerichtet wurden, folglich tapfere "Widerstandskämpfer" gewesen sein müssen. Nun, von ihrem Urahn konnte man das jedenfalls nicht behaupten - der leistete nicht nur keinen Widerstand gegen unsinnige Befehle seiner Vorgesetzten, sondern gab auch selber welche. Wo hatte der gebürtige Brandenburger Johann von der Schulenburg nicht schon überall gekämpft: in Ungarn für die Habsburger gegen die Türken, in Italien für die Savoyer gegen die Franzosen, in Polen für die Sachsen gegen die Schweden, und später sollte er noch auf Korfu für die Venezianer gegen die Türken kämpfen (aber darüber schreibt Dikigoros an anderer Stelle). Fast alle seine Schlachten verlor er, und jedesmal wurde er weg gelobt, pardon, befördert. ("Peter's Principle" sollte man das später nennen - man hätte es auch nach ihm "John's Princple" nennen können :-). Bei Malplaquet hatte er schon so viele Niederlagen auf dem Buckel, daß er es bis zum General gebracht hatte; und als solcher verheizte er ungerührt 40 Bataillone der besten preußischen, sächsischen und deutsch-österreichischen Truppen beim ersten sinnlosen Ansturm auf die französischen Stellungen. (Der Prinz von Oranien verheizte zur selben Zeit "nur" 30 Bataillone Niederländer, Schotten und Schweizer Söldner - ja, die kämpften mal wieder auf beiden Seiten mit :-) Mit diesen Truppen allein hätte man damals schon Paris erobern und den Krieg beenden können. Exkurs Ende.

Aber Ihr werdet das sicher in Euren Geschichts- und Märchenbüchern ganz anders gelesen haben: Wenn man denen glauben wollte, dann wäre Malplaquet der letzte in einer Reihe großer alliierter Siege gewesen; lediglich einige unglückliche äußere Umstände - die Wahlniederlage der Kriegspartei in England und der Tod Kaiser Josephs - hätten eine Wende zugunsten Frankreichs herbei geführt. Pardon, aber das ist purer Blödsinn. Jene beiden "unglücklichen Ereignisse" fanden erst 1710 bzw. 1711 statt, und die Schlacht von Malplaquet wie gesagt am 11. September 1709. Was war denn in der Zwischenzeit geschehen, da die Kriegspartei (übrigens nicht etwa die "konservativen" Tories, sondern - wie fast immer - die "liberalen" Whigs!) noch am Ruder und Kaiser Joseph noch am Leben war? Das weiß niemand so genau zu sagen; aber Dikigoros kann Euch sagen, was geschehen wäre, wenn die Alliierten die Schlacht von Malplaquet wirklich gewonnen und die letzte intakte französische Armee vernichtet hätten - was ja leicht möglich gewesen wäre, wenn man etwa den Wald umgangen und die Franzosen abgeschnitten oder sie in offener Feldschlacht gestellt hätte: Der Weg nach Paris wäre frei und der Krieg anno 1709 zuende gewesen. Die Alliierten hätten einen Frieden diktieren können, wie er im Buche stand - und wie er vielleicht sogar dauerhaft gewesen wäre: Erzherzog Karl als König von Spanien, Rückgabe der in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts von den Franzosen geraubten deutschen Gebiete an das Reich und Entschädigung Englands durch französisches Kolonialgebiet in Amerika und Indien, das sie später ohnehin bekamen. (Stellt Euch vor, dann hätte der "siebenjährige Krieg" nie geführt zu werden brauchen, denn bloß wegen Schlesien hätten sich vielleicht Preußen und Österreich nochmal kurz in die Haare bekommen, aber doch nicht alle europäischen Mächte Jahre lang! Wahrscheinlich hätte Maria Theresia - auf die wir gleich zurück kommen werden - ohne Verbündete sogar darauf verzichtet, einen neuerlichen Krieg gegen Friedrich II zu provozieren, der das ständig am Rande des Staatsbankrotts schwebende Österreich ein Vielfaches dessen kostete, was ganz Schlesien wert war.)

Aber der 11. September war natürlich nicht wegen der Schlacht bei Malplaquet zum spanischen Nationalfeiertag geworden. Nein, es gab an diesem Datum noch ein Ereignis aus dem "Spanischen Erbfolgekrieg", und das fand im Jahre 1714 statt. Auch über das vermeintliche Ende jenes Krieges werdet Ihr, liebe Kinder des 20. Jahrhunderts, denen man von klein auf eingetrichtert hat, wie wichtig der Frieden im allgemeinen und die edlen Friedensverträge im besonderen seien, ein Märchen gehört oder gelesen haben, in dem alles ganz anders war als es Dikigoros hier berichtet - wenn Ihr Briten oder Holländer seid, daß er 1713 mit dem Frieden von Utrecht endete (mit dem Gewinn von Gibraltar, Menorca sowie des "asiento de negros [Monopol auf den Handel mit Negersklaven]" für Großbritannien und einiger bis dahin Habsburgischen Grenzfestungen für die Niederlande), wenn Ihr Deutsche seid, daß er mit den Friedensschlüssen von Rastatt (Anfang März 1714) und Baden (Anfang September 1714) endete, übrigens mit einer für alle Beteiligten unbefriedigenden Lösung: Philippe von Anjou wurde als "Felipe V von Spanien" anerkannt, die Habsburger bekamen ein paar wertlose Gebiete in Süditalien (nicht aber das Elsaß und Lothringen, das die Franzosen noch wenige Jahr zuvor zurück zu geben bereit waren, und dessen Bevölkerung noch rein deutsch war). Aber wie hätte denn eine befriedigende Lösung ausgesehen? Ganz einfach: Was war denn "Spanien" eigentlich? Doch nichts weiter als ein geografischer Begriff, ein verballhorntes fönizisches Wort ("Kaninchenland") für die Iberische Halbinsel. Irgendwann im 15. Jahrhundert hatten der König von Aragón und die Königin von Kastilien einander geheiratet, irgendwann im 16. Jahrhundert war noch Portugal dazu gekommen, das sich irgendwann im 17. Jahrhundert wieder selbständig gemacht hatte - was lag nun näher, als dieses künstliche Staatsgebilde "Spanien" wieder aufzulösen und in seine natürlichen Bestandteile zu zerlegen? Die diversen Völker "Spaniens" wollten das auch - aber wer fragt[e] schon "das Volk"? Die Friedens-Verträge waren unterschrieben, basta - oder etwa nicht? Nein, es reichte - noch - nicht, jedenfalls nicht allen: Die Katalanen kämpften weiter um ihre Freiheit. Wohlgemerkt, das waren nicht ein paar spinnerte Revoluzzer, die einen von Anfang an aussichtslosen Aufstand probten, sondern es waren die treuesten Verbündeten der Alliierten, die von diesen schmählich im Stich gelassen wurden; es ist dies eines der schäbigsten Kapitel der "spanischen" Geschichte, von dem Ihr heute außer in ein paar katalanischen Geschichtsbüchern - und bei Dikigoros - nichts mehr lesen werdet.

Kehren wir nochmal zu den Anfängen des "Spanischen Erbfolgekrieges" zurück: Die Habsburger hatten Erzherzog Karl 1704 auf die Iberische Halbinsel geschickt, genauer gesagt nach Portugal, und von dort aus marschierte er mit einem kleinen Heer unter Guido Starhemberg - ja, dort war er gelandet, im wahrsten Sinne des Wortes! - gen Osten. Im Oktober 1705 erreichte er Barcelona, das ihm bereitwillig die Tore öffnete; und die Katalanen proklamierten ihn unter dem Jubel der Bevölkerung zum neuen König "Carlos III" - während die Kastilier ein gleiches mit Philippe d'Anjou alias "Felipe V" taten. Hätte man es nicht dabei belassen können? (Was wäre den Völkern "Spaniens" dann nicht alles erspart geblieben, von den "Carlistenkriegen" im 19. Jahrhundert bis zum Bürgerkrieg in den 1930er Jahren! Und womöglich hätte auch Napoléon III anno 1870 nach einem anderen Vorwand für seinen Krieg gegen Preußen suchen müssen.) Aber nein: 1711 war "Carlos III" heim nach Österreich gereist, um sein dortiges Erbe anzutreten, und 1713 wurde auch sein darob nicht wenig verbitterter Vizekönig Starhemberg (der trotz teilweise grotesker Unterlegenheit alle seine Schlachten gegen die Truppen Felipes in Spanien gewonnen hatte - was hätte jener geniale Feldherr bei Malplaquet erreichen können!) dorthin zurück gerufen; Felipe war jetzt von allen "Alliierten" als König von ganz "Spanien" anerkannt, und er war nicht gewillt, sich ausgerechnet das reichste Land Iberiens - Katalonien - durch die Lappen gehen zu lassen. Am 11. September 1714 fiel Barcelona in die Hände der Kastilier; und wer weiß, wie sehr die Kastilier und Katalanen einander lieben (das gilt nicht nur für die Fußballfans :-), der fragt sich nur noch, ob das eher Ursache oder eher Wirkung der Ereignisse ist, die damals statt fanden. Älterer Leser[innen] werden sich an die Orgie von Mord, Vergewaltigung, Plünderung und Zerstörung erinnern, die 1945 vor allem den Südwesten Deutschland heim suchte, und wenn Dikigoros an dieser Stelle verrät, daß auch die Kastilier 1714 mit Hilfe französischer Truppen in Barcelona eindrangen, können sie sich vielleicht in etwa vorstellen, wie damals die "Befreiung" (jawohl, diese verlogene Vokabel wurde auch damals schon gerne benutzt von den Geschichts-Klitterern, genau wie heute!) Kataloniens aussah. Die Katalanen kämpften bis zur letzten Patrone, unter einem gewissen Rafael Casanova - nie gehört, liebe deutsche Leser? Macht nichts, Hauptsache, Ihr kennt Giacomo Casanova und glaubt weiterhin an Eure "Befreiung" von 1945. Seht Ihr, das unterscheidet Euch von den Katalanen - die lassen sich solche Bären nicht aufbinden, auch wenn sie nicht alle die letzte, sinnlose Konsequenz ziehen wie ein Lluís Maria Xirinacs. (Auch nie gehört? Dann googelt mal ein wenig auf eigene Faust; Dikigoros hat keine Lust, über den auch noch zu schreiben - dazu hätte er sich nur verpflichtet gefühlt, wenn der sich einen Monat später umgebracht hätte, und nicht so stillos an einem 11. August :-) Wie dem auch sei, die Kastilier schätzten die Eroberung Barcelonas jedenfalls richtig ein und machten den 11. September - neben dem 2. Januar, dem "día de la raza", an dem 1492 die letzten Mauren von der Iberischen Halbinsel vertrieben wurden - zum Nationalfeiertag. (Heute ist es der 12. Oktober - warum, weiß Dikigoros nicht, d.h. er weiß schon, daß es der Tag der vermeintlichen Entdeckung Indiens durch Kolumbus ist, aber er weiß nicht, was es da für das heutige Spanien zu feiern gibt; es interessiert ihn offen gestanden auch nicht, jedenfalls nicht in diesem Zusammenhang.) Die "diada de l'onze de Setembre" - die Ihr doch bitte nicht mehr auf Kastilianisch den "día once de Septiembre" nennen wollt - gilt dagegen seit 1977 als katalanischer Nationalfeiertag, an dem alljährlich Millionen Katalanen für die staatliche Unabhängigkeit ihres Volkes - und die der Basken, aber das ist eine andere Geschichte - friedlich demonstrieren und Blumen vor dem Denkmal ihres letzten Führers nieder legen.

[Denkmal auf Rafael Casanova]

Nachtrag. Ihr hegt Zweifel, liebe Leser, ob sich die Katalanen da so sehr von den Deutschen unterscheiden? Zeugt es nicht von einem gewissen Masochismus, wenn ein Volk - sei es "von oben" verordnet, sei es spontan "von unten" - seinen Nationalfeiertag auf das Datum einer der schlimmsten Niederlagen seiner Geschichte legt? Das kommt drauf an, nämlich darauf, wie man jener Niederlage gedenkt: Wenn z.B. die Serben der verlorenen Schlacht auf dem Amselfeld gedenken, dann deshalb, weil sie für immer erinnern wollen, daß die muslimischen Türken ihre Todfeinde und das Kosovo das Herzland Serbiens ist. Und wenn die Katalanen der Eroberung Barcelonas durch die Kastilier gedenken, dann als Erinnerung, daß sie nicht ruhen dürfen, bis sie ihre vollständigen Unabhängigkeit von Madrid erlangt haben. Wenn dagegen die Deutschen - oder jedenfalls ihre Obertanen - von Jahr zu Jahr penetranter den 8. Mai 1945 feiern, dann nicht mehr, weil sie ihn - wie noch Friedrich Meinecke - als "Katastrofe" empfänden, sondern weil sie ihre eigene Niederlage und den Sieg ihrer alliierten Feinde mit all seinen Folgen bejubeln; und es gibt ja schon die Stimmen, die fordern, ihn ganz offiziell zum Nationalfeiertag zu machen. Verwechselt also bitte nicht jene beiden Tatbestände - der eine ist durchaus ehrenhaft, der andere schändlich. Nachtrag Ende.

* * * * *

Nun kommt eine Reise, über die Dikigoros bereits an anderer Stelle ausführlich geschrieben hat, in die einstige Hauptstadt Böhmens, die heute juden- und deutschenfrei ist (mit Ausnahme der Touristen, versteht sich). Am Ende jenes Berichts erwähnt er kurz die für ihn tristeste Hauptstadt Europas (in den Grenzen vor 1989 - damals kannte er sie alle, mit Ausnahme der Hauptstadt Albaniens, das er nie besucht hat; inzwischen sind noch einige andere Staaten hinzu gekommen, deren Hauptstädte er noch nicht kennt und wohl auch nicht mehr kennen lernen wird; auf Besuche in Weißrußland, Makedonien und Moldawien kann er gut verzichten): Preßburg alias "Bratislava", die Hauptstadt der Slowakei. Das war nicht immer so, denn lange Zeit - genauer gesagt so lange, wie die Türken in Pest saßen, und sogar noch etwas länger - war die Schwesterstadt Wiens die Hauptstadt Ungarns und durchaus vorzeigbar. Deshalb reiste auch schon am 11. September 1741 jemand dorthin, der, nein die es weniger weit hatte als Dikigoros: Die Erzherzogin von Österreich und Königin von Ungarn und Böhmen, Maria Theresia von Habsburg, von heutigen "Historikern" oft fälschlich als "Kaiserin von Österreich" bezeichnet. Aber erstens gab es damals noch nicht mal einen Kaiser von Österreich (dieser Titel wurde erst 1805 eingeführt), und zweitens war Maria Theresia nie Kaiserin eigenen Rechts, sondern lediglich mit einem Kaiser verheiratet. Ein liebes, aber dummes Gänschen, um dessen Stall die Füchse aus aller Herren Länder herum schlichen wie die Aasgeier, und die von ihren eigenen Politikern, pardon, das Wort gab es noch nicht, Hofschranzen grottenschlecht beraten war.

Habt Ihr schon mal von der "Pragmatischen Sanction" aus dem Jahre 1713 gehört, liebe Leser? Wenn ja, dann wahrscheinlich nur Blödsinn (passend zu dieser völlig sinnentleerten, pseudo-griechisch-pseudo-lateinischen Worthülse, die eher dem 21. Jahrhundert zu entstammen scheint als dem 18.), wie z.B., daß sie das weibliche Erbfolgerecht im Hause Habsburg oder gar im "Heiligen Römischen Reich Deutscher Nationen" einführte. Eigentlich wollte Dikigoros das hier nicht vertiefen; aber einige "frauenbewegte" E-mails haben ihm gezeigt, daß er darüber doch nicht so kurz hinweg gehen darf, wie er das ursprünglich vor hatte - es gibt halt Themen, die unvorhergesehener Weise in der Gegenwart größere Bedeutung erlangen als ihnen eigentlich historisch zukäme. Nein, liebe Leserinnen im allgemeinen und Frauenrechtlerinnen im besonderen, es ging nicht darum, daß ein paar böse Männer der armen Maria Theresia aus "chauvinistischen" Gründen nicht gönnten, irgendeinen Thron zu erben - wieso denn auch? In fast allen bedeutenden europäischen Staaten hatten im 18. Jahrhundert - z.T. sogar schon in den Jahrhunderten davor - Frauen regiert, sei es offiziell, wie in Dänemark, England, Kastilien, Rußland, Schottland und Schweden, sei es inoffiziell, wie in Frankreich. [Übrigens nicht nur in Europa, sondern auch in Asien. Es ist doch allgemein bekannt - jedenfalls in Indien -, daß de facto nicht Akbars versoffener und rauschgiftsüchtiger Sohn Jahāngir das Muģal-Reich regierte, sondern vielmehr seine persische Schwiegertochter Nur Jahān; und über die Siamesin Suriyothai schreibt Dikigoros an anderer Stelle ausführlicher.] Und im "Heiligen Römischen Reich Deutscher Nationen" war weder die Königs- noch die Kaiserkrone erblich; da gab es also gar nichts zu "sanctionieren", geschweige denn von ausländischen Mächten. Es ging allein um die Erbfolge im Hause Habsburg, und da hatten die Brüder Leopold und Karl (den wir oben schon als "Carlos III" von Spanien kennen gelernt haben) anno 1703 ganz im Sinne ihres Vaters, des Kaisers Leopold, eine eigentlich recht vernünftige Vereinbarung geschlossen. (Heute würde man dazu "Erbvertrag" sagen, damals klang es auf Lateinisch etwas umständlicher - Dikigoros erspart das seinen Leser[inne]n :-) Damit Österreich nicht noch weiter auseinander fiel, sollte nach dem Tode des älteren Bruders Joseph zunächst der jüngere Bruder Karl ganz Österreich (nebst europäischer Kolonien"Nebenlande") erben; danach sollte ein etwaiger ältester Sohn Josephs alles erben, mangels eines solchen ein etwaiger ältester Sohn Karls. Falls beide ohne Söhne stürben, sollte die älteste Tochter Josephs - Maria Josepha - alles erben, danach die zweiälteste - Maria Amalia -, und erst wenn überhaupt keine Kinder Josephs überlebten, sollte das Erbe an die älteste Tochter Karls fallen. (Es verstand sich von selbst, daß eine etwaige Erbin beim Regieren von einem passenden, d.h. ebenbürtigen Ehemann unterstützt würde - entsprechend heirateten sie auch: Josephs Töchter die Söhne der Kurfürsten von Sachsen und Bayern, Karls Tochter den Sohn des Herzogs von Lothringen.) Als Joseph - dessen einziger Sohn schon 1701 vorverstorben war - 1711 starb, übernahm sein Bruder Karl also die Herrschaft. Nur zwei Jahre später brach er den Erbvertrag (dem er die Herrschaft über ganz Österreich ja überhaupt nur verdankte!), indem er einseitig, pardon pragmatisch "sanctionierte", daß, falls er keinen Sohn haben sollte, nicht seine Nichten, sondern seine eigenen Töchter erben sollten. Das war keine "Gleichstellung einer Frau", sondern schlicht eine Frechheit, die ein Mann ausgeheckt hatte, und mit der er zwei andere Frauen - seine beiden Nichten - um ihr Erbe brachte. Freilich nahm das erstmal niemand so ganz ernst; die einen nicht, weil sie davon ausgingen, daß Karls Frau unfruchtbar sei (sie hatte, wiewohl im besten Gebär-Alter, nach fünf Jahren Ehe noch immer keine Kinder), die anderen, weil sie davon ausgingen, daß ihm seine Frau wenn, dann sicher nicht nur Töchter, sondern auch Söhne gebären würde; es bliebe sich also alles gleich. Doch sowohl die einen wie die anderen irrten: Nur zwei Jahre später schenkte die Kaiserin ihrem Mann einen Sohn - der freilich schon als Kleinkind starb -, und danach... nur noch Töchter, allen voran Maria Theresia. Und als Karl 1740 an einer Pilzvergiftung starb, wollte sich plötzlich niemand mehr daran erinnern, daß er - zumeist gegen üppige Bezahlung - die "pragmatische Sanktion" irgendwann einmal anerkannt hatte. Die Kurfürsten von Bayern und Sachsen sowieso nicht - denn die bzw. deren Frauen hatten sich ja selber Chancen auf den Thron ausgerechnet. Der König von Frankreich auch nicht; denn wenn der Herzog von Lothringen Erzherzog von Österreich geworden wäre, hätte er sich womöglich auch den Königs- und Kaisertitel kaufen können (damals waren die Habsburger noch nicht bankrott) - und dann wäre es nicht nur mit Frankreichs Plänen, Lothringen zu annektieren, Essig gewesen, sondern es hätte womöglich auch das Elsaß wieder heraus geben müssen. Frankreich verlangte also als Preis für die Anerkennung der "Pragmatischen Sanction", daß der Lothringer auf sein Herzogtum verzichtete, und zwar zugunsten des polnischen Königs a.D. Stanislaws, der als AsylantExilant in Frankreich lebte, nachdem ihn die Habsburger aus Polen vertrieben hatten. (Nach dessen Tode fiel Lothringen an Frankreich - was völlig korrekt war, denn dessen König war sein Schwiegersohn, d.h. wenn man die weibliche Erbfolge anerkannte - und das tat man ja -, dann war Stanislaws' Tochter die Erbin Lothringens, und danach ihre - und des französischen Königs - Kinder.) Österreich akzeptierte diesen Kuhhandel, obwohl jeder, der Augen im Kopf und ein Gehirn zwischen den Ohren hatte, sehen mußte, daß jener Vertrag das Pergament nicht wert war, auf das er gekritzelt war. (Das sagte sogar "Prinz" Eugen, der ihn ausgehandelt hatte - aber wir wollen ihn darob nicht zum dritten Mal zum Tor des Monats wählen, zumal der Vertrag nicht am 11. September geschlossen wurde :-)

Aber warum hätte dieses Stück Pergament auch mehr wert sein sollen als ein anderes, bei dem es ebenfalls um einen Erbschaftsvertrag ging, nämlich über Schlesien. Der junge König von Preußen, ein gewisser Friedrich, hatte einen Anspruch darauf, daran konnte kein ehrlicher Zweifel bestehen. (Selbst Dikigoros' Doktorvater - gebürtiger Schlesier und kein Freund Friedrichs "des Großen" - pflegte das stets zu betonen.) Deshalb war Friedrich auch keiner der Füchse, von denen Dikigoros eben schrieb, und schon gar kein Wolf, wie ihn seine Gegnerin empfand - schlimm genug, daß er, um sich zu holen, was ihm von Rechts wegen zustand, Waffengewalt anwenden mußte. Zuvor schrieb er aber an Maria Theresia (selbstverständlich auf Französisch, denn weder er noch sie verstanden genügend Hochdeutsch, um sich in dieser Sprache verständlich auszudrücken, und Berlinerisch war damals von Wienerisch wesentlich weiter entfernt als heute, da die dialektalen Besonderheiten weitgehend geschwunden sind und sich fast nur noch in der Aussprache, nicht aber im Wortschatz, bemerkbar machen), daß er ihre Erbansprüche voll und ganz gegen die Ehemänner ihrer weiblichen Verwandtschaft unterstützen werde, wenn sie ihm im Gegenzug seine Erbansprüche erfüllen würde - und es gibt keinen Grund, weshalb man diesen seinen Worten nicht Glauben schenken sollte. Doch mit dem Glauben war das so eine Sache. Zwar war es nicht mehr das Zeitalter der Glaubens-, sondern der "Erbfolge"-Kriege (den "Spanischen Erbfolgekrieg" hatten wir schon; in den 1730er Jahren gab es noch den "Polnischen Erbfolgekrieg" - über den man heute in deutschen Geschichtsbüchern erst recht nichts mehr liest - und in den 1740er Jahren sollte nun der "Österreichische Erbfolgekrieg" hinzu kommen), aber gerade Maria Theresia war in Glaubensdingen sehr strikt - sie war eine fanatische Katholikin, bei der Protestanten ebenso unnachsichtig verfolgt wurden wie in Frankreich, wie Katholiken in England, wie Juden und Protestanten in Polen (auch darüber findet Ihr in den heutigen deutschen Geschichts- und Märchen-Büchern nichts mehr - das "Thorner Blutgericht" von 1724 ist sicher ebenso haltlose Nazi-Propaganda wie der "Bromberger Blutsonntag" von 1939; und hütet Euch, die Wahrheit etwas anderes zu sagen!) oder wie alle zusammen in muslimischen Ländern. Und gerade auf Schlesien wollte sie nicht verzichten, wohin so viele Protestanten aus anderen Habsburger Landen geflohen waren, denn an denen gedachte sie ein Exempel zu statuieren. Deshalb hätte Friedrich von Preußen in Schlesien unbesorgt eine "Volksabstimmung" durchführen können - wenn das denn damals schon Mode gewesen wäre -, denn er hatte nicht nur einen verbrieften Anspruch auf das Land, sondern auch die gesamte Bevölkerung hinter sich: die Protestanten sowieso, und die Katholiken und Juden auch, denn bei ihm konnte jeder nach seiner Façon selig werden, was die Religion anbelangte, so er nur pünktlich seine Steuern zahlte. Aber Maria Theresia war schon beleidigt, daß Friedrich sie als "Ma sœur [meine Schwester]" titulierte - was erlaubte sich dieser daher gelaufene Markgraf von Brandenburg gegenüber ihr, einer Erzherzogin? (Gerechtfertigt war dieser Dünkel nicht; denn selbst wenn man sich auf den Standpunkt stellte, daß Friedrich kein König von Preußen, sondern lediglich ein König in [Ost-]Preußen war - welches außerhalb der Reichsgrenzen lag -, so kam ihm doch auch im Reich zumindest der Titel "Kurfürst von Brandenburg" zu, und damit stand er sogar dem König von Böhmen gleich, und erst recht einer Erzherzogin von Österreich - als die Maria Theresia ja überhaupt erst noch allgemein anerkannt werden wollte.) Also entschied sich die junge Herrscherin zum Krieg - der ersten und größten Dummheit ihres Lebens, die sie das ganze selbige verfolgen sollte, an dessen Ende aus der Großmacht Österreich, die sie 1740 geerbt hatte, ein wertloses Sammelsurium von Ländereien geworden war, das bis zu seinem traurigen Ende immer am Rande des Staatsbankrotts stand und nur noch als Koloß auf tönernen Füßen durchgehen konnte, wenn man sich durch einen Blick auf die Karte blenden ließ.

Der Krieg begann schlecht für Maria Theresia: Friedrich besetzte Schlesien (das er nie wieder heraus geben sollte), der Kurfürst von Bayern und die mit ihm verbündeten Franzosen erst die Ostmark und dann Böhmen. Keine Sorge, liebe Leser, Dikigoros wird Euch nicht schon wieder mit irgendwelchen Schlachten kommen, denn von denen des "Österreichischen Erbfolgekriegs" (und der nachfolgenden Kriege des 18. Jahrhunderts) war keine so bedeutend, daß sie zu verlieren oder zu gewinnen ein Verbrechen darstellte, das der Weltgeschichte einen anderen Verlauf gegeben hätte; die meisten gewann ohnehin der General Zufall - auch wenn Leute wie Friedrich II und seine Anhänger das nicht hören wollten. ("Kein Sieger glaubt an den Zufall" sollte ein anderer Friedrich - Nietzsche - im 19. Jahrhundert schreiben.) Nein, diesmal geht es um die grundsätzliche Weichenstellung, die falsche Weichenstellung der Habsburger Politik, zu der Maria Theresia in jenem Augenblick den Grundstein legte (und deren Konsequenzen wir an anderer Stelle wieder begegnen werden). Aber fragen wir zuerst, welche Optionen sie überhaupt hatte. Die erste hatten wir schon kurz gestreift: Verzicht auf Schlesien, Bündnis mit Preußen gegen Bayern und Frankreich. Die zweite war ein Bündnis mit England - das ja immer auf ein "Gleichgewicht der Kräfte" auf dem Kontinent schaute - gegen Frankreich und Preußen. Die dritte war ein Bündnis mit Frankreich gegen Preußen und... England - dessen "Gleichgewichts"-Politik dann erfordert hätte, auf der Gegenseite einzugreifen. Welche Vor- und Nachteile hatten diese Optionen? Das hängt davon ab, welche Ziele man verfolgen wollte. Fragen wir also: Was wollte Maria Theresia? Oder was hätten sie und ihre Berater nach Dikigoros' Meinung wollen sollen? Denken wir territorial, wie es damals üblich war - auch Schlesien war ja letztlich nur ein Territorium. Was war es objektiv wert, jenes "kostbarste Juwel in meiner Krone", wie Maria Theresia es genannt haben soll? Wirtschaftlich sehr wenig, bevor Friedrich II dort das Gewerbe gezielt förderte, und strategisch auch nicht viel mehr - es sei denn, man hatte Ambitionen auf Polen. Aber die hätte Österreich nicht haben dürfen, denn - und nur darum hat Dikigoros im vorigen Absatz den "polnischen Erbfolgekrieg" erwähnt - mit Polen lebte man doch in bestem Einvernehmen, nachdem man dort gerade erst im ebenfalls besten Einvernehmen mit Rußland den Kurfürsten von Sachsen auf den Thron gehievt hatte (anstelle von Stanislaws, aber den hatten wir ja schon). Südosteuropa? Aber das war praktisch nichts mehr wert, nachdem die Türken es völlig ruiniert und weitgehend entvölkert hatten - und mit denen hatte man gerade im Vorjahr einen Verzichtsfrieden geschlossen, genauer gesagt einen Verlustfrieden, denn man hatte ihnen einige Gebiete abgetreten, während die Türken auf nichts verzichtet hatten; aber das war gut so - weshalb hätten man sich noch mehr Balkanvölker ans Bein binden sollen als man eh schon hatte? Also konnte sich der Blick der Habsburger doch vernünftigerweise nur gen Westen richten: Da hatte Frankreich im vorigen Jahrhundert wertvolle Teile der einst spanischen - und nun österreichischen - Niederlande (des heutigen Belgiens) abgeknapst, außerdem das Elsaß an sich gerissen; und nun hatte es, wie gesehen, auch noch Maria Theresias geliebten Franzl zum Verzicht auf Lothringen gezwungen! (Geliebt? Oh ja, es war nicht nur eine der damals üblichen Vernunft-Ehen, sondern sie liebte ihne wirklich, nicht nur im Bett - wovon 16 gemeinsame Kinder zeugen -, sondern sie überschüttete diese politische und militärische Null geradezu mit Liebesbeweisen in Form von politischen Ämtern und militärischen Kommandos, in denen er ausnahmslos versagte!) Damit waren die Richtlinien einer vernünftigen Außenpolitik für Habsburg eigentlich klar vorgegeben.

Pardon, werden einige Leser fragen, aber was will Dikigoros eigentlich? Maria Theresia führte doch Krieg gegen Frankreich! Allerdings stand sie auf der Verliererseite - vielleicht war Dikigoros' Idee doch nicht so gut? Tja, aber warum stand sie denn militärisch auf der Verliererseite? Diese Frage ist leicht zu beantworten: Hätte sie die Truppen, die gegen Preußen im Feld standen - und womöglich noch zusätzlich auch dessen Truppen als Verbündete, wie Friedrich II es ihr angeboten hatte - zur Verfügung gehabt, dann hätten die Bayern und Franzosen mit einiger Sicherheit kräftige Prügel bezogen. (Auch vom Balkan hätte sie ihre Truppen abziehen und diese an die Westfront werfen können, wenn ihre Militärspione nicht so furchtbar unfähig gewesen wären, denn die Türken waren vollauf mit Kämpfen in Persien beschäftigt.) Aber statt über ihren Schatten zu springen und mit dem verhaßten Preußenkönig Frieden zu machen, suchte Maria Theresia anderswo Hilfe: bei den Ungarn - und damit kommen wir endlich zurück zum 11. September 1741 und nach Preßburg. Die Ungarn hatten den Habsburgern eine Menge zu verdanken - nachdem sie 1526 die Schlacht von Mohacz gegen die Türken verloren hatten, hatten die Habsburger die Reste ihres Landes und ihrer Kultur vor dem Untergang bewahrt - aber nun, da die Deutsch-Österreicher Ungarn wieder frei gekämpft hatten, wollten sie davon nichts mehr wissen. Sie waren also undankbare und aufmüpfige Untertanen, politisch unzuverlässig, und wirtschaftlich war das Land, soweit es nicht an seinen westlichen Rändern von den Habsburgern verteidigt und finanziell über Wasser gehalten worden war, auch nicht viel wert - eigentlich noch weniger als Schlesien. Welchen Sinn konnte es machen, ausgerechnet von den Ungarn Hilfe zu erbetteln, und um welchen Preis? Wer war den Habsburgern während des "Spanischen Erbfolgekriegs" in den Rücken gefallen, bis vor Wien vorgedrungen und hatte dabei nicht viel weniger schlimm gehaust als die Türken? Richtig, die Ungarn, unter ihrem Führer Rákóczi - einem jener gefährlichen Irredenta-Nationalisten (wir können die Frage, ob er eher der Slowakei zuzurechnen ist oder Siebenbürgen, an dieser Stelle offen lassen), die glauben, die 150%igen Patrioten geben müssen - der sich nicht nur mit Frankreich, sondern sogar mit dem Osmanischen Reich verbündet hatte (das den berühmten Frieden von Carlowitz also genau ein Jahr hielt!), um die Habsburger - die er auf dem Höhepunkt seiner Macht glatt für abgesetzt erklärte - zu vernichten; und um ein Haar hätte er sogar ein Bündnis mit Rußland zustande gebracht - wenn zu jener Zeit nicht Karl XII von Schweden den Tsaren Peter "den Großen" mehr als genug beschäftigt hätte, hätten die Russen vielleicht schon knapp 250 Jahre früher in Wien gestanden...

Moment mal - schreibt Dikigoros nicht an anderer Stelle, daß das Scheitern jenes ungarischen Aufstands der Jahre 1700-1711 eine Tragödie für die Habsburger gewesen sei? Na klar, war sie auch - aber anders, als manche kurzsichtige Narren das meinen. (Er schreibt dort auch, daß es eine Tragödie war, in Afrika gefangene oder gekaufte Sklaven nach Amerika zu bringen - aber er meint damit nicht für die Neger, sondern für die anderen Rassen :-) Und so war es auch eine Tragödie, daß die Habsburger die Ungarn damals besiegten. ("Die" Habsburger? Na wer wohl: Guido Starhemberg, den man eigens dazu aus Spanien abkommandierte - das ging also! Hätte man ihn nicht auch nach Malplaquet schicken und dafür den unfähigen "Prinzen" Eugen gegen die Ungarn aufstellen können? Beide "gewannen" die falschen Schlachten - ein Treppenwitz der Weltgeschichte!) Hätten die Ungarn damals ihre Unabhängigkeit "gewonnen" (für wie lange wohl? Die Türken hätten sie binnen weniger Jahre wieder unterworfen!), hätten die Habsburger sich nicht auf dem Balkan verzettelt, hätte Maria Theresia nicht Jahre lang gegen Friedrich II von Preußen Krieg führen müssen, sondern sich ganz auf Italien und die österreichischen Niederlande konzentrieren können, wie Dikigoros das oben dargelegt hat. Statt dessen bettelte sie also am 11. September 1741 in Preßburg die Ungarn um ein 100.000-Mann-Heer an - und bekam es. Was meint Ihr, was jenes Heer angestellt hätte, wenn es nicht alle Schlachten, denen es sich stellte (das waren allerdings nur wenige, denn es wollte sich für andere Aufgaben schonen!), verloren hätte? Rákóczi war zwar sechs Jahre zuvor im türkischen Exil gestorben, aber er hatte genügend Nachfolger im [Un]Geiste, die nicht ruhten, bis sie Österreich ruiniert hatten - 125 Jahre später war es so weit, aber das ist eine andere Geschichte.

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An dieser Stelle muß Dikigoros die Chronologie seiner eigenen Reisen unterbrechen (aber die ist ja auch nicht gar nicht wichtig :-), denn er war auch schon vor 1993 in Chicago, in den 1970er Jahren, als es noch eine durch und durch christliche Stadt war, die mit "religiöser Vielfalt" nichts am Hut hatte. [Den Begriff "Multikulti" gab es noch nicht; aber dafür gab es damals noch echte kulturelle Vielfalt, d.h. für jede Volksgruppe des "melting pot" ein eigenes Viertel - mit Ausnahme der deutschen, versteht sich; aber das fiel Dikigoros nicht weiter auf, denn die deutsche Kultur war ja auch sonst überall in den USA gründlich ausgerottet worden; das einstmals überwiegend deutsche Chicago stellte insoweit also keine Besonderheit dar.] Im Sommer 1993 aber ließ sich Dikigoros von einem Bekannten - einem engagierten Katholiken und Ökumene-Anhänger, der zwar über gute Latein- und Griechisch-Kenntnisse verfügte, aber kein Wort Englisch sprach (jawohl, liebe Leser, solche Fossilien gab es in den 1990er Jahren noch :-) und deshalb einen Dolmetscher benötigte - überreden, mit ihm nach Chicago zu fliegen, zu einer "Jubiläums-Veranstaltung" religiöser Art, einem "100. Jahrestag". So ganz traf das zwar nicht zu, denn man schrieb Ende August; und die Veranstaltung, über die man jubilieren wollte, hatte im September statt gefunden, und zwar, wie Dikigoros zu seiner nicht geringen Verwunderung erfuhr, als er sich etwas näher informierte, just am 11. September. Eigentlich hätte er das längst wissen können/sollen/müssen; aber zu seiner Schande muß er gestehen, daß er sich mit dieser "Randerscheinung" gar nicht beschäftigt hatte, bevor er seine Webseite über die Geschichte der Weltausstellungen schrieb - wobei er die von 1893 ja ohnehin ziemlich stiefmütterlich behandelt hat. Als am 11. September 1893 die Weltausstellung in Chicago eröffnet wurde, war ein viel beachteter Bestandteil derselben eine Veranstaltung, die man auf Deutsch (Chicago war damals wie gesagt noch eine stark von deutschen Einwanderern geprägte Stadt - nicht nur wegen der Bierbrauereien :-) "Weltparlament der Religionen" nannte. ("Viel beachtet" ist eigentlich um einiges zu tief gestapelt; es war die Veranstaltung mit den meisten Besuchern überhaupt, und wie wir heute wissen, die einzige mit Langzeitwirkung, die so etwas wie eine Tradition begründete.) Nun ist es doch eigentlich eine gute Sache, wenn sich führende Vertreter aller Religionen der Welt (oder zumindest der "Welt-Religionen") treffen, um friedlich miteinander über ihren Glauben zu debattieren - oder? (Vergessen wir nicht, daß vor dem Zeitalter der Ideologien die meisten Kriege um Religionsfragen geführt worden waren!) Ja, sicher, aber die Betonung liegt auf "wenn". Denn obwohl die Vertreter aller möglichen christlichen Sekten, ferner solche der Juden, der Buddhisten, der Jainen, der Parsen, der Shintoïsten, der Taoïsten und sogar der Konfuzianer - die allesamt froh waren, mal eine Plattform in der westlichen Öffentlichkeit zu finden - die Einladung dankend annahmen, lehnten die maßgeblichen Leute der wichtigsten Religionen diese Veranstaltung schlichtweg ab: Für den Erzbischof von Canterbury zählte allein die Anglikanische Kirche; alle übrigen waren ihm nichtmal diskussionswürdig. [Die Zeiten haben sich geändert. Rund 100 Jahre später sollte sich einer seiner Nachfolger mit Nachdruck dafür einsetzen, Großbritannien zu einem muslimischen Staat zu machen, u.a. durch Einrichtung von Sharia-Gerichten im ganzen Land, aber das ist eine andere Geschichte] Die Presbyterianer - eine der wichtigsten protestantischen Glaubensgemeinschaften Nordamerikas - sahen das ähnlich; und der Sultan des Osmanischen Reiches - als Kalif zugleich kirchliches Oberhaupt aller Muslime - sowieso. Auch der Deutsche Max Müller, der weltweit als führende Autorität des Hinduïsmus angesehen wurde (ja, auch in Indien! Bloß in Deutschland kannte - und kennt - ihn niemand :-), sagte ab.

Exkurs. An dieser Stelle muß Dikigoros, da er nun schon mal in den USA angelangt ist und die Buddhisten, Taoïsten und Konfuzianer erwähnt hat, auch kurz über ein Ereignis berichten, das acht Jahre zuvor statt gefunden hatte, wenngleich nicht nur am 11. September, sondern auch an den Tagen davor und danach. Es ist eines der bittersten, pardon, dieses Wortspiel will sich Dikigoros hier verkneifen, sagen wir lieber dunkelsten Kapitel der sino-amerikanischen Geschichte und wird deshalb gerne tot geschwiegen - mit überwiegend gutem Erfolg, jedenfalls was Mitteleuropa anbelangt. Wie weit wollen wir zurück gehen? Bis 1858 oder 1868, als die USA billige KulisGastarbeiter aus China für den Bau ihrer Eisenbahnen u.a. Knochenarbeiten angeworben hatten? Oder nur bis 1882, als der Mohr seine Schuldigkeit getan hatte und sie nicht nur einen Einwanderungsstop erließen, sondern auch bereits Eingewanderte, die auf Urlaub ins Heimatland fuhren, von der Rückkehr ausschlossen; bei Zuwiderhandlungen wurde gnadenlos deportiert. (Dieses Gesetz - "The Chinese Exclusion Act" genannt -, das übrigens ausschließlich auf rassische Gesichtspunkte abstellte, ohne Ansehen der Staatsangehörigkeit der Betroffenen, sollte bis 1943 in Kraft bleiben.) Was aber war mit denen, die schon da waren und die USA auch nicht zum Urlauben verlassen wollten? Bei denen nahmen die braven amerikanischen Bürger im September 1885 das "Gesetz" des Handelns selber in die Hand. Habt Ihr schon mal vom "Bitter Creek" gehört, liebe Leser? Wahrscheinlich nicht. Das ist ein Flüßchen in Wyoming. An dessen Ufern verlief damals eine brandneue Eisenbahnlinie (und heute eine Autobahn, die Interstate 80), die man nicht zuletzt deshalb dort entlang verlegt hatte, weil es dort auch Kohlevorkommen gab, die von der Eisenbahngesellschaft - der Union Pacific - ausgebeutet werden konnten. (Mit irgendetwas mußten die Loks ja befeuert werden; Diesel und/oder Elektro gab's noch nicht :-) Und à propos ausbeuten: Die Chinesen, die ihr schon als Geleisarbeiter recht waren, waren auch als Bergwerk-Kulis extrem billig. Den anderen Kumpels - die überwiegend aus Polen und Irland kamen - war es dagegen überhaupt nicht recht, daß diese "Schlitzaugen" ihnen die Jobs wegnahmen bzw. die Löhne verdarben. Was tun? Die Bergwerke zerstören? Aber damit hätte man doch die eigenen Arbeitsplätze vernichtet! Streiken? Aber die National Labor Union hatte schon vor 12 Jahren Pleite gemacht, und die Streikkassen der Knights of Labor, die an ihre Stelle getreten war, waren nach den schweren Arbeitskämpfen der Jahre 1884/85 so gut wie leer. Also empfahlen die "Ritter von der Arbeit" unter ihrem braven Führer Terence Powderly ihren Mitgliedern eine andere Lösung - die denn auch verwirklicht wurde: Man überfiel die Unterkünfte der Chinesen und schlug sie tot. Von den Orten, wo das geschah, ist der bekannteste Rock Springs geworden, weil es dort die meisten Todesopfer gab. Aber die Qualität eines "Massakers" sollte nicht nach der Quantität beurteilt werden, wie Dikigoros nie müde wird zu betonen; und die Begeisterung ob dieser "Heldentat" war in den ganzen USA groß: binnen weniger Monate stieg die Zahl der Mitglieder der K of L von knapp 100.000 auf über 700.000.

[Terence Powderly, Führer der 'K of L']
Karikatur aus dem Chinese Satirical Diplomatist. Die Original-Bildunterschrift
lautete: "Kein Zweifel, die USA stehen an der Spitze der aufgeklärten Nationen!"

Worin hier das weltgeschichtlich bedeutsame Verbrechen lag? Das fragt Ihr im Ernst? Nein, Dikigoros meint nicht die paar hundert Opfer, die früher oder später auch beim Malochen gestorben wären. Aber wenn Ihr selber mal in den USA wart - hattet Ihr da den Mut, Euch anzuschauen, wie es einerseits in den Stadtvierteln der so lange diskriminierten Chinesen aussieht und andererseits in denen der nun schon so lange geförderten anderen farbigen "Minderheiten"? Habt Ihr Euch nicht auch gefragt, wie anders die USA heute aussehen könnten - sauber, friedlich und wohlhabend -, wenn man damals eine umgekehrte Politik betrieben und ganz andere Bevölkerungsgruppen dorthin deportiert hätte, wo sie her kamen und hin gehörten und dafür Chinesen, Japaner u.a. Asiaten mit offenen Armen aufgenommen hätte? Das wäre nicht nur innen-, sondern auch außenpolitisch eine Wohltat gewesen - die hätten, wenn sie zahlenmäßig stark genug gewesen wären, z.B. verhindern können, daß der Politverbrecher Truman die Eroberung des chinesischen Mutterlandes durch die Kommunisten unter Mao zuließ. Exkurs Ende.

Aber zurück nach Chicago. Anno 1893 sah man das mit den Konferenzen - jedenfalls denen, die man jetzt "NGO"-Konferenzen nennt, also den nicht-staatlichen - noch nicht so eng wie heute, da man ohne Einladung, Eintrittskarte, Sicherheitscheck usw. nicht mal in die Nähe des Veranstaltungsorts gelassen würde, geschweige denn teilnehmen dürfte (aus guten, wenngleich traurigen Gründen). Und so kam es, daß gleich am Eröffnungstag - wie gesagt dem 11. September - ein völlig unerwarteter, da nicht eingeladener Besucher auf der Matte stand und sich mit einer schwungvollen Rede - er sprach, im Gegensatz zu den meisten anderen Rednern aus Asien, ausgezeichnet Englisch, und das war schon die halbe Miete - als Vertreter des Hinduïsmus präsentierte. Des Hinduïsmus? Gibt es den überhaupt? Kaum, liebe Leser, kaum. Die meisten "Hindus" mögen dem sanātan dharm, dem ewigen Pfad des Schicksals folgen, aber längst nicht alle auf dem gleichen Weg, und man darf sie keinesfalls alle in einen Topf werfen. Aber wer wußte das schon? Der Westen sah "den" Hinduïsmus fast aussschließlich durch die Brille der britischen Kolonialherren, und für die war das ein finsterer Aberglaube mit vielen tausend Göttern und ebenso vielen unsinnigen Riten und Bräuchen - pfui aber auch! Und nun kam da so ein netter junger Mann und hielt insgesamt drei lange Vorträge, in denen er versicherte, daß auch die Hindus an nur einen Gott glaubten, wie die anderen großen Weltreligionen, ja sogar an denselben Gott, und daß überhaupt alle Religionen mehr oder weniger gleich seien, zumindest die mono-theïstischen, zu denen wie gesagt auch der Hinduïsmus zähle. Nanu, was war denn das für ein Scherzbold? Dikigoros will es Euch verraten: Es war eine ganz üble Kreatur, die sicher in seiner Sammlung der komischen Heiligen auftauchen würde, wenn er nicht ins 19. Jahrhundert gehörte, ein - sagen wir es ruhig ganz offen - Atheïst. Nun mag es durchaus ehrenwerte Motive geben, "Atheïst" zu sein, zumindest wenn man unter Monotheïsten groß geworden ist; denn das Konzept eines einzigen, übermächtigen Gottes - möge er nun Jahwe, Allah oder sonstwie heißen -, der alles sieht, alles weiß und immer alles richtig macht, ist so idiotisch, ja widerwärtig, daß jeder, der etwas Gehirn zwischen den Ohren hat und mal in einer ruhigen Stunde darüber nachdenkt, sich nur mit Grausen abwenden kann. Aber vom Hinduïsmus - dem Glauben an die Heiligkeit der Natur und an den Kreislauf des Lebens - können sich eigentlich nur ganz üble Subjekte abwenden, Dummköpfe und/oder Heuchler, die sich bei anderen Religionen lieb Kind machen wollen. So einer - zum Abschaum der Menschheit gehörig und dennoch (oder gerade deshalb?) bis heute in gleichem Maße geliebt und verehrt wie Aleksandr Newskij, "Prinz" Eugen und Maria Theresia (und Gāndhī, aber auf denn kommen wir erst etwas später zurück) - war der in England aufgewachsene und daher zur Hindu-Feindlichkeit erzogene Bengale Narendrānath Datta, der eines Tages auf die absurde Idee kam, seine Art des Atheïsmus - eine Art Beliebigkeit des Glaubens an Alles und Nichts - sei der einzig wahre "Hinduïsmus", und begann, diesen unter seinem neuen Namen "Wiwekānand" zu verbreiten. ("Swami" ist kein Vorname, sondern - ähnlich wie "Mahātma" - ein Beiname, der ihn als religiöse Kapazität ausweisen sollte - was er wie gesagt nicht war, ganz im Gegenteil.)

Warum fielen aber so viele Leute auf jenen Charlatán herein (selbst in Indien, wo sich später andere Witzfiguren wie der Bengale Rabindrānath Thākur und der bereits erwähnte Gujrātī Gāndhī auf ihn beriefen)? Fragt Dikigoros etwas leichteres, liebe Leser, er weiß es auch nicht. Vielleicht, weil die meisten Menschen denkfaul sind und deshalb gerne an vereinfachende Universal-Lösungen glauben wollen. Kein ordentlicher Hindū glaubt daran, daß es nur eine Gottheit gebe, und schon gar nicht daran, daß dieser eine simple Menschengestalt habe. (Und auch mit einer "Dreifaltigkeit" aus Vater-Mensch, Sohn-Mensch und Geister-Taube oder Tauben-Geist ließe er sich nicht abspeisen :-) Und kein ordentlicher Jude, Christ oder Muslim wäre damals auch nur im Traum auf die Schnaps-Idee gekommen, daß sie alle an ein- und denselben Gott glaubten! Aber die Botschaft ging um die Welt, und das Gift wirkte in den Gehirnen der Menschen, zwar nur langsam schleichend, aber es wirkte - aufweichend. 70 Jahre später wurde auf dem "II. Vatikanischen Konzil" - einer glatten Bankrott-Erklärung der Katholischen Kirche - die Gleichsetzung von "Gott" und "Allah" verkündet; und 100 Jahre später wurde die Idee eines "Weltparlaments der Religionen" wieder aufgegriffen, wie gesagt in Chicago, und seitdem werden mit unschöner Regelmäßigkeit immer häufiger Veranstaltungen dieser Art und Güte - mit immer schwachsinnigeren Themen - durchgeführt. Von der Gleichheit und "Universalität" aller Religionen ist man mittlerweile bei der Gleichheit und "Universalität" aller Kulturen angelangt, gar bei einer "globalen Ethik" (warum auch nicht, wenn doch auch die Ökonomie schon "globalisiert" ist?). Und niemand sah die Zeichen an der Wand der "One World [Einheitswelt]".

Exkurs. Aber wenn Dikigoros hier dem guten Wiwekānand jegliche Berechtigung abspricht, für "die" Hindus zu reden - gab es denn damals jemanden, den er als deren Vertreter anerkannt hätte und der ein sinnvolles Alternativ-Programm auf die Beine gestellt hätte? Na klar gab es den! Just im September 1893, während der selbsternannte Swami im fernen Chicago Maulaffen feil hielt, überlegte im indischen Punä ein gewisser Tilak, wie man die Hindus aller Konfessionen zum gemeinsamen Kampf gegen ihre britischen Unterdrücker einigen könnte. (Nein, nicht am 11. September, denn ein ordentlicher Hindu scherte sich damals nicht um den römisch-katholischen Kalender - ebenso wenig wie das damals ein ordentlicher Chinese, ein ordentlicher Japaner, ein ordentlicher Muslim oder selbst ein ordentlicher orthodoxer Christ getan hätte; aber bitte verlangt von Dikigoros nicht, Euch jetzt den indischen Mondkalender zu erklären, der komplizierter ist als alle vorgenannten zusammen; dem Namen der Veranstaltung, von der er Euch berichten will, könnt Ihr jedenfalls so viel entnehmen, daß sie etwas mit dem 4. Tag der zunehmenden Mondfase zu tun hat; und dazu verrät er Euch noch, daß es sich um den Monat "Bhadrapada" handelt, dessen Beginn in unserem "August" und dessen Ende in unserem "September" liegt; das muß Euch genügen.) Dikigoros hat in Kalkutta liegt nicht am Ganges über seinen Besuch in Gowa auf seiner ersten Reise nach Indien nur wenig geschrieben - eigentlich gar nichts; das liegt daran, daß er damals nur wenig von dem, was er dort erlebte, verstand - eigentlich gar nichts. Er verstand nur, daß ihn der Hotelier eines Tages los sein wollte - wohlgemerkt auf die höfliche Tour: Er wollte nicht, daß er sich durch den Lärm der anstehenden Feierlichkeiten belästigt fühlte. - Durch Festivitäten-Lärm belästigt fühlen? Wer das tat, durfte nicht nach Indien reisen; und wenn es so weit war, konnte man dem Lärm eh nirgends entgehen, egal wo man abstieg - so viel hatte Dikigoros immerhin schon mitbekommen. Und hier gefiel es ihm: Das Hotel war gut und preiswert, mehrere schöne Restaurants und das Fremdenverkehrs-Büro, das täglich interessante Ausflüge in die Umgebung veranstaltete, ganz in der Nähe, und überhaupt... "Machen Sie sich keine Sorgen, ich werde mich nicht belästigt fühlen," sagte er und blieb. Bald darauf zogen die Feiergäste ein, und auch sie störten sich nicht an der Anwesenheit eines Nicht-Hindus, sondern waren im Gegenteil sehr nett und versuchten sogar, ihm irgendwie zu erklären, worum es ging. Leider sprachen sie weder Englisch noch Portugiesisch, und Dikigoros sprach noch kein Hindī, geschweige denn Marathī oder Konkanī. Von "Ganesh chaturthi" hatte er noch nie gehört, und geschmückte Bilder von Elefantenköpfen sah man doch allenthalben - wenngleich nicht immer so kunstvoll wie der, den er am nächsten Morgen am Strand sah. Und er wußte auch noch nicht zu schätzen, wie natürlich - im Sinne von naturverbunden - und traditionell jenes Fest damals ablief.

Tilak hatte eine ideale Lösung gefunden: Ganesh war zwar der [Stief-]Sohn Shiwas, aber er wurde auch von den Anhängern Vishnus verehrt; und als kraftvoller "Beseitiger aller Hindernisse" war er geradezu prädestiniert, um ihn zur Gottheit der Beseitigung der britischen Kolonialherrschaft zu machen - und ohne daß die Briten Verdacht schöpften, denn auf ein Fest mehr oder weniger kam es ja in Indien nicht an; und wenn diese blöden Heiden unbedingt einen Gott mit Elefantenkopf verehren wollten, sollten sie das ruhig tun... war doch fast wie Karneval bei diesen blöden Kontinental-Europäern: Große Figuren wurden in Umzügen durch die Straßen gekarrt, mit Tanz, Gesang, Getrommel, Büttenreden und Verzehr von reichlich Kamelle - oder was das sonst immer war. (Es gibt das Gerücht, daß das erste "Ganesh chaturthi" von einem Zuckerbäcker gesponsert wurde, der damit den Verkauf seiner Erzeugnisse ankurbeln wollte :-) Da war das Volk wenigstens abgelenkt und kam auf andere Gedanken als der Obrigkeit Ärger zu machen. Wer diese Gottheit war bzw. wofür sie stand, darum kümmerten sich die Briten nicht weiter. Beseitiger aller Hindernisse? Hauptsache, die Veranstalter beseitigten am Ende jener Umzüge die Spuren jenes Spuks - das taten sie, indem sie die Figuren in irgendeinem Gewässer entsorgten - und gingen danach wieder friedlich nach Hause - auch das taten sie; daß sie dort vielleicht noch irgend so eine Götzenfigur mit Elefanten-Kopf herum stehen hatten (wie Dikigoros übrigens auch :-), die sie das ganze Jahr über anbeteten - wen scherte das schon? Nach und nach breitete sich dieses Fest von Punä und Gowa nach Bombay und schließlich über ganz Indien aus; und nach der Unabhängigkeit wurde es einfach beibehalten.

Leider muß Dikigoros an dieser Stelle nachtragen, daß das "Ganesh chaturthi" heutzutage völlig pervertiert worden ist. Darüber, daß Ganesh inzwischen die Funktionen fast aller anderen Götter an sich gerissen hat (freilich ohne dabei in die Nähe einer monotheïstischen Gottheit zu kommen), hat er ja schon in "Kalkutta liegt nicht am Ganges" geschrieben - aber nicht darüber, daß er inzwischen auch immer mehr Feste der anderen Götter an sich reißt; der vorläufige Gipfel der Geschmacklosigkeit ist eine zehntägige Mischung aus Dassährā, Holi und Ganesh chaturthi, bei der riesige Gipsfiguren mit chemischen Farben bemalt und am Ende in Bächen, Flüssen oder Meeren "entsorgt" werden, zu hunderttausenden jedes Jahr, und so das Wasser vergiften. Gewiß, das gehört zur Tradition - aber die wurde begründet, als die Ganesh-Figuren noch aus Ton, Pappmaché oder Sand hergestellt wurden, so daß sie z.B. das Meer bei der nächsten Flut ganz natürlich in sich aufnehmen konnte; heute ist dieses einst so schöne Fest Bestandteil einer Umweltkatastrofe geworden, von der sich im Westen kaum jemand eine Vorstellung macht - nach Rotchina ist Bhārat der Staat mit der schlimmsten Umweltverschmutzung weltweit. Noch vor wenigen Generationen beklagte man, daß Indien viel zu sehr Agrarland sei und daß es allenthalben nach Kuhfladen stänke; heute dagegen beginnen sich einige zu fragen, ob nicht der liebe Gāndhī vielleicht doch Recht hatte mit seiner Fortschritts-Feindlichkeit. Exkurs Ende.

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Kehren wir zur Chronologie von Dikigoros' Reisen zurück. Ein Jahr vor seiner ersten Indien-Reise bereiste er Südafrika. Auch darüber hat er an anderer Stelle geschrieben - wenngleich noch nicht besonders viel, da ihm das Thema an sich zuwider ist -, ebenso über die Person, die dort anno 1906 wieder einen 11. September zum Ausgangspunkt eines historischen Verbrechens gemacht hat. Da dieser Punkt jedoch auf seiner Seite über den Spielfilm 'Gandhi' zu kurz kommt, will er diese Lücke hier schließen. Zur Erinnerung: Die Briten hatten ein neues Meldegesetz erlassen, wonach alle Untertanen in Südafrika sich zwecks Registrierung ihre Fingerabdrücke nehmen lassen mußten. (Es gab zwar schon Fotos, aber die waren noch viel zu teuer; vor 1914 gab es in Europa - außer in Rußland - nicht mal Reisepässe, geschweige denn die Pflicht, ständig einen Lichtbildausweis mit sich zu führen, und in afrikanischen Kolonien schon gar nicht.) Und Gāndhī rief am 11. September 1906 dazu auf, diesen Fingerabdruck zu verweigern. Hält Dikigoros das etwa für "verbrecherisch"? Ach was, ganz im Gegenteil - er wünschte, die Deutschen hätten 100 Jahre später ein vergleichbares Maß an Zivilcourage gezeigt, als das BRDDR-Regime das gleiche bei ihnen verfügte! (Mit einer "Begründung", die noch hanebüchender war als damals die der Briten: Als ob sich damit Terroristen eher einfangen ließen! Die pflegen noch immer mit gefälschten Ausweispapieren herum zu reisen - zur Not auch mit gar keinen; in manchen Staaten, wie z.B. Frankreich, ist ihnen schon allein dafür die massive Unterstützung der "Sans-papier"-Lobby sicher, voraus gesetzt es sind Muslime aus Afrika oder Nahost - und das trifft ja auf die meisten von ihnen zu.)

Und der "passive Widerstand", von Gāndhī (fälschlich) auch "Satyāgrah" genannt? Nun ja, der Zweck heiligt die Mittel - solange die nicht verbrecherischer sind als das, was sie bekämpfen sollen, und das war hier schwerlich der Fall, wenngleich dieser Widerstand nicht immer ganz so "friedlich" war, wie man uns das im Nachhinein darzustellen sucht. Aber man muß ja auch fragen, welche Erfolge er letztlich gebracht hat - zuerst in Südafrika und dann, als Gāndhī ihn nach Indien "exportierte", auch dort. In Südafrika brachte er kurzfristig gar nichts, denn die Briten brachen den Widerstand sehr schnell: In den Gefängnissen war Platz genug, und wenn nicht, dann mußten die Gefangenen halt noch etwas enger zusammen gepfercht werden - ihr Pech. Und langfristig? Ja, da gab es Folgen, aber das waren schwerlich Erfolge. Kurz gesagt: Diese Aktion vergiftete das Klima zwischen Indern und Weißen in Südafrika auf Jahrzehnte hinaus, zum Nachteil beider Volksgruppen. Viele Weiße fühlten sich in ihrer Auffassung bestätigt, daß die Inder eben auch bloß "Nigger" seien; und viele Inder nahmen das nun für bare Münze und schlugen sich auf die Seite der letzteren. Sie waren maßgeblich daran beteiligt, daß 1994 die blühende Republik Südafrika (der einzige Staat des bankrotten Kontinents, von dem man das ohne zu lügen behaupten konnte, trotz zuletzt weltweiten Boykotts in allen Bereichen) den schwarzen Terroristen des ANC - Mandela & Co. - ausgeliefert wurde, die binnen weniger Jahre alles zerstörten, was die Weißen knapp dreieinhalb Jahrhunderte - und die Inder immerhin rund ein Jahrhundert - lang aufgebaut hatten. Es ist dies die größte Tragödie der afrikanischen Geschichte, auch wenn sie noch nicht nieder geschrieben ist. (Und wenn sie es würde, dann dürfte sie wohl nicht veröffentlicht werden - jedenfalls nicht in der BRDDR -, denn sie würde so manches Dogma der politisch korrekten Gutmenschen unserer Zeit nicht nur in Frage stellen, sondern ad absurdum führen. Wie war das gleich mit den Memoiren von Ian Smith, dem letzten weißen Premier von Rhodesien, einem Land, dem es noch früher noch schlimmer erging als seinem Nachbarland Südafrika? Eben!) Als man 2006 die 100. Wiederkehr von Gāndhīs Aufruf feierte, hatte Südafrika die höchste AIDS- und die höchste Kriminalitätsrate der Welt und stand trotz Milliarden schwerer Entwicklungshilfe - insbesondere aus der BRDDR - kurz vor dem Staatsbankrott. Die Inder - die geglaubt hatten, von den Schwarzen nach der Machtergreifung als "Ihresgleichen" behandelt zu werden, wurden ebenso enteignet wie die Weißen - und während das in Ostafrika, vor allem in Uganda, einige Jahrzehnte zuvor noch weltweite Proteste ausgelöst und zum gewaltsamen Sturz des Amin-Regimes von außen geführt hatte, wurde es diesmal von den westlichen Medien vollständig tot geschwiegen. - Und daran will Dikigoros dem lieben Gāndhī die Schuld geben? Ist das nicht etwas weit hergeholt? Nun ja, er will ihm ja nicht die Alleinschuld geben - auch die westlichen Politiker der 1970er, 1980er und 1990er Jahre, die Carter, Thatcher und Clinton, trugen sicher ein gerüttet Maß an Mitschuld -; aber Gāndhī leitete am 11. September 1906 jene verhängnisvolle Entwicklung ein; er war es, der den Stein ins Rollen brachte, der die Inder in Südafrika schließlich erschlagen sollte. Daß man ihm darob in Johannesburg und Durban - einst Inder-Hochburg, nach Joburg reichste und nach Kapstadt schönste Stadt Südafrikas, heute der nach Joburg und Kapstadt schmutzigste und gefährlichste Neger-Kraal Großstadt-Moloch Südafrikas - Denkmäler errichtet hat, wirkt rückblickend wie Hohn.

Aber hat nicht Gāndhīs passiver Widerstand zumindest für Indien viel Gutes gebracht, letztlich sogar die Unabhängigkeit vom britischen Kolonialjoch? Ja, das behaupten einige Geschichts-Klitterer bis heute; aber das ist bloß ein Märchen, das von einem US-Journalisten erfunden wurde und bis heute von Leuten nachgeplappert wird, die nicht wissen, wie es wirklich war. Der "Salzmarsch" und all die anderen medienwirksamen Aktionen des passiven Widerstands in Indien bewirkten dort schlicht gar nichts - außer wiederum einer Vergiftung des Klimas zwischen Indern und Weißen. Nichtmal im Traum wären die Briten - allen Lippenbekenntnissen zum Trotz - bereit gewesen, ihrer reichsten Kolonie Selbstverwaltung zu gewähren, geschweige denn sie in die Unabhängigkeit zu entlassen, auch und erst recht nicht nach dem "gewonnenen" Zweiten Weltkrieg, wenn nicht 1946 ein Ereignis eingetreten wäre, mit dem niemand gerechnet hätte: Das indischen Militär meuterte! (Es meuterte, weil die Briten den Angehörigen der Indischen Befreiungsarmee etwas wie die "Nürnberger Prozesse" machen wollten - aber darüber schreibt Dikigoros an anderer Stelle.) Und was taten die Briten? Der Krieg war beendet (auch in Fernost), sie hatten also den Rücken frei - und tausendmal mehr Truppen zur Verfügung als sie zur Zeit des "Salzmarsches" hatten; aber während sie damals den "passiven" Widerstand leicht nieder geschlagen hatten, knickten sie vor dem Aufstand der Militärs - der sich wie ein Lauffeuer von den großen Hafenstädten und von der Marine bis in alle Stützpunkte Indiens und bis in alle Waffengattungen ausbreitete - schon nach wenigen Tagen ein. (Dieser Aufstand ist eines der faszinierendsten Ereignisse der an faszinierenden Ereignissen nicht eben armen indischen Geschichte; dennoch ist er heute so gut wie vergessen; offenbar will sich niemand an ihn erinnern, weil er niemandem in den politischen Kram und in keines der Weltbilder moderner Geschichts-Klitterer paßt.) Manchmal ist also der aktive Widerstand das bessere Mittel als der "passive", und zwar nicht nur, weil er seine Ziele eher erreicht, sondern auch, weil er weniger Menschenleben kostet. Stellt Euch mal vor, liebe Leser, das indische Militär - und die indische Polizei - hätten schon zu Beginn der 1930er Jahre gemeutert! Die Briten wären genauso eingeknickt (nur mit dem Unterschied, daß sie den Subkontinent dann nicht in zwei künstliche Staatsgebilde wie "Bhārat" und "Pākistān" hätten teilen können - schon gar nicht mitten durch den Panjāb und Bengalen -, denn damals waren sich der "Congress" und die "Muslim-Liga" noch einig; die Millionen toten und/oder vertriebenen Inder von 1947 hätte es nie gegeben), und wenn nicht, dann wären sie aus Indien hinaus gefegt worden, denn anders als noch bei der "Great Mutiny" im 19. Jahrhundert hätten sich wohl keine "eingeborenen" Truppen gefunden, die auf ihrer Seite gekämpft hätten. Und glaubt Ihr, daß die Briten dann noch Lust verspürt hätten, einen zweiten Weltkrieg vom Zaun zu brechen? Gegen eine mutmaßliche Achse Berlin-Ankara-Tährān-Dillī-Tōkyō?

Moment mal - lobt nicht Dikigoros sonst immer den Hinduïsmus als die einzig friedliche Religion, die nicht aggressiv versucht, die Anhänger anderer Religionen zu "missionieren", zu "bekehren" oder ob ihres Glaubens willen umzubringen? Ja, stimmt - aber mit Verlaub, auch das sind zwei Paar Schuh: Der Hinduïsmus unterscheidet sich in der Tat von anderen Religionen - vor allem dem Islām und dem früheren Christentum - dadurch, daß er keine Proselyten wünscht: Die (vorübergehende) Ausbreitung der Hinduïsmus über ganz Süd- und Südostasien geschah nicht dadurch, daß andere Menschen ihrer Religion abspenstig gemacht wurden, sondern dadurch, daß Inder auswanderten und ihre Religion mitnahmen. (Wer dennoch konvertieren wollte, war herzlich willkommen, vor allem dann, wenn er - friedlich oder weniger friedlich - nach Indien einwanderte.) Aber was hat das damit zu tun, sich gegen feindliche Eroberer zur Wehr zu setzen? Der große Shiwaji bekämpfte die Muģalen nicht, weil sie Muslime waren (auch wenn das heute oft fälschlich so dargestellt wird - auch und vor allem von seinen Anhängern :-), sondern weil sie sein Land gewaltsam erobert und die Menschen unterworfen hatten. Als er das Muģal-Reich zerschlagen hatte, konnte jeder, der wollte, Muslim bleiben - er war in religiösen Dingen tolerant, wie jeder gute Hindu. (Wahrscheinlich ist Dikigoros kein guter Hindu, denn wenn er könnte wie er wollte, dann würde er jeden Muslim postwendend ins Firdaus schicken :-) Und wäre Shiwaji nicht 1680, mit nur 50 Jahren, an irgendeiner mysteriösen Krankheit gestorben, dann hätte er - davon ist Dikigoros überzeugt - auch die Briten zum Teufel gejagt; damals wäre das noch relativ leicht möglich gewesen, denn sie hatten noch kaum nennenswerte Machtbereiche, eigentlich nur das Umland von Bombay und Kalkutta (und das waren noch relativ unbedeutende Hafenstädte, nicht zu vergleichen etwa mit Surat oder Chittagong). Was wäre Indien - und der Welt - nicht alles erspart geblieben (nicht zuletzt ein Gāndhī :-), wenn die Briten damals aus Indien vertrieben worden wären!

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Dikigoros' Leser erwarten jetzt sicher einen Abschnitt über die Weltkriege des 20. Jahrhunderts - gab es da nicht genügend Verbrechen, um von den insgesamt zwölf Tagen, die auf den 11. September fielen, einen heraus zu greifen? Doch, gab es - allerdings nicht die, an die man gemeinhin denkt. Gewiß, da waren die Terror-Bombardements der alliierten Luftflotten am 11. September 1942 auf Düsseldorf und am 11. September 1944 auf Darmstadt - aber was besagte das schon? Wohngebiete zu bombardieren und Zivilisten zu töten war doch längst "normal" - selbst die Deutschen sahen das mittlerweile so. (Im September 1939, als die Briten und Franzosen dem Reich den Krieg erklärten, hatte Hitler der Luftwaffe noch streng verboten, zivile Ziele der Feindstaaten anzugreifen - obwohl die das umgekehrt vom ersten Tag an taten -; und im Mai 1940, als der Westfeldzug begann, hatte er dieses Verbot noch einmal ausdrücklich erneuert; aber 1941 wurde dieses Verbot aufgehoben, und nach den alliierten Terror-Bombardements auf die Wohngebiete und Kulturdenkmäler Kölns und Lübecks anno 1942 dachte auch niemand mehr ernsthaft daran, es zu erneuern.) Also vergeßt die Luftangriffe - es gab schlimmere als diese beiden, wenngleich nicht auf diese beiden Städte. Nein, Dikigoros will einen anderen 11. September heraus greifen, auch wenn er mit ihm ausnahmsweise keine Reise-Erinnerungen verbinden kann, nämlich den des Jahres 1941. Habt Ihr auch in Euren Geschichts- und Märchenbüchern gelesen, daß die dummen Nazis im Dezember 1941 völlig ohne Not den USA den Krieg erklärt und so die Niederlage Deutschlands herbei geführt hätten? Nun, man kann den Nazis in diesem Punkt sicher viele unnötige Fehler vorwerfen (oder Verbrechen, wenn Ihr sie so nennen wollt, denn wer einen Krieg, den er eigentlich gewinnen könnte, durch falsche Rücksichtnahme[n] aus Gefühlsduseligkeit leichtfertig verliert, der ist ein Verbrecher) - aber in diesem Punkt waren sie ausnahmsweise mal unschuldig. Hitler & Co. wollten keinen neuerlichen Weltkrieg; sie wollten weder den Krieg gegen Großbritannien noch gegen Frankreich, geschweige denn gegen die USA; und sie taten alles, um ihn zu vermeiden, während US-Präsident Roosevelt vom ersten Tag an (manche meinen sogar: schon lange vorher, um die Briten und Franzosen in den Krieg gegen Deutschland zu treiben) auf Seiten der Alliierten stand, mit Krediten, Hilfslieferungen politischem Druck auf neutrale Drittländer. Aber das alles schien nicht auszureichen - die bösen Nazi-Deutschen gewannen auf dem Festland einen Feldzug nach dem anderen und versenkten auf dem Meer ein britisches Handelsschiff nach dem anderen. So faßte sich Roosevelt am 11. September 1941 ein Herz und erteilte der US-Kriegsmarine - unter Umgehung des Kongresses, denn er wußte genau, daß er dort keine Unterstützung gefunden hätte - den Befehl, ab sofort alle deutschen und italienischen Schiffe ohne Vorwarnung anzugreifen, deren man ansichtig wurde. Das war der Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg - übrigens ohne Kriegserklärung. (Selbst danach hielten die Deutschen noch drei Monate lang die Fiktion aufrecht, daß sich die USA nicht mit ihnen im Krieg befänden, und ergriffen keinerlei Gegenmaßnahmen - insbesondere begannen sie nicht etwa verstärkt mit dem Bau von Atlantik-tauglichen U-Booten -; wenn Ihr so wollt, war dies das zweite große Kriegsverbrechen - nach dem Laufenlassen der Briten bei Dünkirchen - der Nazis am eigenen Volk, das sie damit in die Kriegsniederlage und in den Untergang führten.) Und ein solches Verhalten bezeichnen die US-Amerikaner für gewöhnlich - jedenfalls bei anderen - als "Verbrechen".

Moment mal - schreibt Dikigoros nicht an anderer Stelle, daß Roosevelts Politik der Aufrüstung und Kriegsvorbereitung geradezu genial war, das einzige Mittel zur Überwindung der Weltwirtschaftskrise, welche die USA besonders hart getroffen hatte, nach dem Scheitern des "New Deal" - der in der Förderung "friedlicher", ziviler Projekte durch den Staat, d.h. den Steuerzahler, bestanden hatte? Na klar, war sie auch - aber es sind doch mit Verlaub zwei Paar Schuh, ob man der eigenen Rüstungswirtschaft wieder auf die Beine hilft, indem man die eigenen Streitkräfte ordentlich aufrüstet, um etwaige Gegner abzuschrecken (da war Roosevelt viel cleverer als Hitler, der nur von "Kanonen statt Butter" faselte, aber in Wahrheit die Wiederaufrüstung sträflich - das, liebe Leser im 21. Jahrhundert, ist das [ver]alte[te] deutsche Wort für "in krimineller Weise" - vernachlässigte, was Deutschlands Feinde eben nicht davon abhielt, ihm am 3. September 1939 den Krieg zu erklären), und wenn die eigene Aufrüstung abgeschlossen ist, andere Staaten in den Krieg hetzt und ihnen zu diesem Zweck für gutes Geld die überschüssige Produktion verkauft, oder... Was, Ihr findet schon das letztere kriminell? Mag ja sein, aber das steht hier nicht zur Debatte. (Und überhaupt, was glaubt Ihr denn, liebe deutsche Leser, wie es der Regierung Kohl in den 1980er Jahren gelang, die BRD-Wirtschaft vorübergehend wieder auf Kurs zu bringen? Exporte, Exporte und nochmal Exporte - und zwar vor allem Rüstungs-Exporte vorbei am Kriegswaffen-Kontrollgesetz. Der Erste Golfkrieg z.B. - der zwischen Ķhomeinī und Saddām Husäin - hätte keine sechs Wochen gedauert, wenn die BRD nicht beide Seiten fleißig mit allem notwendigen Material beliefert hätte - nicht nur acht Jahre lang während des Krieges, sondern auch vorher zur Auf- und nachher zur Wiederaufrüstung; und das war gut so, denn beide zahlten prompt und in bar, während all die guten und weniger guten Demokraten in Asien, Afrika und Lateinamerika, denen die Deutschen zur gleichen Zeit "Friedensware" auf Pump lieferten, diese größtenteils nie bezahlten; auf den Verlusten blieben entweder die deutschen Lieferanten sitzen oder - wenn es staatliche Ausfallbürgschaften bzw. Kreditversicherungen gab - die deutschen Steuerzahler. Am Ersten Golfkrieg aber verdiente die BRD fast so viel wie die USA am Zweiten Weltkrieg.) Für alle, die es noch nicht bemerkt haben sollten: Dikigoros interessieren in diesem Kapitel seiner "Reisen durch die Vergangenheit" ausschließlich die Verbrechen, welche an den "eigenen" Leuten begangen wurden. (Und wenn Ihr meint, daß Roosevelt ja kein "echter" Amerikaner, sondern Jude war, dann nehmt bitte zur Kenntnis, daß die ersten sefardischen Juden schon im 16. Jahrhundert nach Nordamerika kamen, also viel früher als die meisten Gojim. Oder, wie Erroll Flynn General George Armstrong Custer mal gesagt haben soll: "Die einzigen echten Amerikaner sitzen jenseits der blauen Berge Black Hills und tragen Federn im Haar!" Aber das ist eine andere Geschichte.) Wo waren wir stehen geblieben? beim zweiten Paar Schuh... oder ob man die eigenen Leute mit in den Krieg schickt, und zwar gegen den Willen nicht nur der betroffenen Soldaten, sondern den der ganz überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung. (Nein, Dikigoros gebraucht hier bewußt nicht das Wort "Volk", dem er sonst stets den Vorzug gibt - die USA haben kein Volk, sondern lediglich eine Bevölkerung; und sie finden, daß das ja auch gut so sei, deshalb wollen sie und ihre Handlanger doch, daß es in Europa bald genauso aussieht.) Und genau das tat Roosevelt eben mit dem Schießbefehl vom 11. September 1941. [Alles, was er zuvor getan hatte, hatte diese entscheidende Grenze noch nicht überschritten: Das "Cash-and-Carry"-Gesetz von 1939 erlaubte es theoretisch auch den Achsenmächten, in den USA einzukaufen; das "Verteidigungs-Abkommen" mit den Briten von 1940 war schlicht Betrug (die USA lieferten Großbritannien 50 alte Zerstörer, die kaum noch Schrottwert hatten und kein einziges ernsthaftes Seegefecht hätten wagen dürfen); und die Besetzung Grönlands und Islands 1941 erfolgte kampflos, ohne einen einzigen amerikanischen Soldaten das Leben zu kosten.] Und er wußte, was die Bevölkerung wollte, denn er hatte seine Wiederwahl Ende 1940 nur mit dem ausdrücklichen Versprechen gewonnen, die USA aus dem Krieg heraus zu halten. Die meisten US-Amerikaner sind eben, entgegen im Ausland weit verbreiteter Meinung, im Grunde ihres Herzens durchaus friedliebend; der Zweite Weltkrieg war bei ihnen trotz permanenter Berieselung mit Kriegspropaganda durch die gleichgeschalteten Medien ebenso unpopulär wie später die Kriege in Korea, Vietnam und im Irak - jedenfalls bis zum Schurkenstück um Pearl Harbor; aber das betraf weder Deutschland noch Italien; und die Auseinandersetzung zwischen den USA und Japan - die danach von der Mehrheit der US-Bevölkerung gewollt war - hätte völlig isoliert vom Krieg in Europa verlaufen können. (Auch Japan befand sich ja nicht im Krieg mit der Sowjet-Union - die sollte ihr erst im August 1945 in den Rücken fallen, als der Krieg durch den Abwurf der Atombomben schon entschieden war.)

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Blättern wir noch einmal drei Jahre zurück in Dikigoros' Reise-Erinnerungen. Nein, nicht was Ihr, Left Lunatic Liberals liebe linke Leser, jetzt erwartet, denn über seine Reise nach Chile im allgemeinen hat er an anderer Stelle genug geschrieben, und was er speziell von den Vorgängen des 11. September 1973 dortselbst hält, könnt Ihr hier nachlesen. Aber in den 1970er Jahren besucht er auch zum ersten Mal New York City, genauer gesagt Manhattan. Da wird gerade das World Trade Center erbaut, aber das interessiert ihn nicht mal am Rande. Die Statue of Liberty [Freiheitsstatue] und das Empire State Building, das ist seine Welt, das ist das Amerika, wie es in seinen Büchern steht und wie er es sehen will, das der Städte, die allesamt noch charakteristische, unverwechselbare Merkmale und Wahrzeichen haben, nicht das Einerlei der immer gleichen Wolkenkratzer in den Downtowns wie heute. Auch nicht das babylonische Völkergemisch, das dort heute vorherrscht; damals hatten noch alle - mit Ausnahme der Deutschen, versteht sich - ihre eigenen Viertel; und wer z.B. keine Neger sehen wollte, hielt sich halt von Harlem fern, und wer doch, der ging eben dorthin, dto mit den jüdischen, russischen, italienischen, chinesischen oder sonstigen Vierteln - aber darüber schreibt er an anderer Stelle. (Nein, ein Muslim-Viertel ist ihm nicht aufgefallen - sei es, daß es das nicht gab, sei es, daß es besser versteckt war, sei es, daß er einfach noch nicht hinter die Kulissen blickte.) Hier macht er gleich einen Sprung - nein, nicht zum 11. September, sondern erstmal zum 25. Dezember 2000. Zwei Mandate kurz vor und kurz nach Weihnachten haben ihn her geführt, und es lohnt sich nicht, zwischendurch nach Hause zu fliegen, zumal man auch in den USA sehr schön Weihnachten feiern kann, mit wunderbaren Freßbuffets... einmal im Jahr kann man da schon sündigen. Eigentlich ist es hier im World Trade Center doch wunderschön, denkt Dikigoros, während er und ein Kollege, der in einem der hiesigen Büros arbeitet, sich die Teller voll packen: hübsch geschmückt, stimmungsvolle Musik, und von dem Anschlag, den ein paar islam[istisch]e Fanatiker hier vor ein paar Jahren verübt haben, merkt man überhaupt nichts mehr.

Am Vormittag des 11. Septembers 2001 hat Dikigoros gerade den Telefonhörer abgenommen, um einem Bekannten zum Geburtstag zu gratulieren. (Nein, so bekannt wie Franz Beckenbauer - der nicht zu Dikigoros' persönlichem Bekanntenkreis zählt, ebenso wenig wie Joachim Fernau, der ja überdies längst tot war - ist er nicht; sein Name würde Euch nichts sagen :-) Während er mit einem Auge wählt, verfolgt er mit dem anderen das Nachrichten-Programm, das in der rechten oberen Ecke seines Computer-Monitors läuft. "Joe, Nick hier, mach mal sofort CNN an," sagt er ohne ein Wort der Begrüßung oder des Glückwunsches in die Muschel und schaltet gleichzeitig auf Vollbildmodus. Was folgt, braucht er Euch sicher nicht eigens zu schildern, denn Ihr kennt die Bilder inzwischen alle, auch wenn Ihr sie nicht live erlebt habt. Kein Zweifel, hier lag ein Verbrechen vor, und damals, anno 2001, dachte Dikigoros nicht einen Augenblick daran, daß hier mehrere Verbrechen vorliegen - oder noch daraus entstehen könnten. Es war doch alles ganz klar und einfach: Die verfluchten Muslime waren die Verbrecher, wie schon so oft in der Geschichte, und zwar die allein - wer sonst? Und sie übernahmen ja auch gleich öffentlich die Verantwortung und lösten damit eine Welle unbeschreiblichen Jubels in der ganzen islamischen Welt aus. Aber je länger er darüber nachdenkt, desto differenzierter sieht Dikigoros das alles - er hat ja oben bewußt den 11. September 1941 als Beginn des Zweiten Weltkriegs heraus gestellt, und nicht den 9. Dezember 1941 (geschweige denn den 1. oder 3. September 1939, als der deutsch-polnische Krieg bzw. der europäische Krieg zwischen Großbritannien, Frankreich und Deutschland ausbrach). Gewiß war der Angriff der Japaner auf Pearl Harbor, den größten Flottenstützpunkt der US-Kriegsmarine im Pazifik, kein freundlicher Akt, ebenso wenig wie das zuvor von den USA gegen Japan verhängte Wirtschaftsembargo sowie die Enteignung des japanischen Vermögens in den USA (also des Vermögens der in den USA lebenden Japaner, die ja wegen der Washingtoner Gesetze - den Vorbildern der "Nürnberger Gesetze" in Deutschland, freilich viel älter und viel strenger als jene - keine US-Staatsbürger werden konnten; kein in Japan lebender Japaner war damals so dumm, sein Kapital in den USA anzulegen). Aber das waren keine Verbrechen von dem Ausmaß, daß sie Dikigoros in diese Sammlung aufgenommen hätte. Zum Verbrechen wurden sie erst durch eine weitere Tat, genauer gesagt durch ein Unterlassen des US-Präsidenten Roosevelt, der über den japanischen Angriff rechtzeitig zuvor in allen Einzelheiten informiert war, aber die US-Einheiten auf Hawaii bewußt nicht warnen ließ, damit die Opferzahlen möglichst hoch wurden. Nein, es ging ihm nicht einfach darum, die US-Bürger - die aller amtlichen Pro-Kriegs-Propaganda zum Trotz noch mit großer Mehrheit gegen den insgeheim längst erfolgten Kriegseintritt der USA waren - für diesen Krieg zu gewinnen; dazu hätte es ausgereicht, den japanischen Angriff gut vorbereitet abzuwarten und abzuwehren. Die Chancen für letzteres standen bestens, da man wie gesagt über alle Einzelheiten des Angriffs exakt informiert war; hätte Roosevelt die Flugzeugträger der US-Navy, statt sie kurz vor dem Angriff aus Pearl Harbor abzuziehen und in Sicherheit zu bringen, dort gelassen und im richtigen Augenblick in den Kampf geworfen, dann hätten sie zusammen mit den auf Hawaii stationierten Flugzeugen der US-Airforce die angreifenden Japaner wahrscheinlich vernichtet oder ihnen jedenfalls so schwere Verluste zugefügt, daß die ganz kleinlaut ihre Kriegs- und Expansionspläne begraben hätten, notfalls sogar unter Verzicht auf weite Teile des von ihnen bereits besetzten chinesischen Festlands. Aber das genügte Roosevelt eben nicht: Er wollte nicht nur die paar tausend - überwiegend deutschstämmige - US-Soldaten auf Hawaii tot sehen, sondern er wollte einen langjährigen, gründlichen Krieg gegen das "schlitzäugige Ungeziefer" mit ein paar Millionen - möglichst japanischen - Toten; genau das erreichte er, und das machte sein Unterlassen zum Verbrechen.

Aber was hat das alles mit den Kamikaze-Angriffen auf das World Trade Center vom 11. September 2001 zu tun? Weniger als einige meinen; und Dikigoros erwähnt das hier auch nur, um seine Leser vor falschen Parallelen zu warnen, genauer gesagt vor der Falschbewertung echter Parallelen. Gewiß, so wie 1941 Leute vom bevorstehenden Angriff der Japaner auf Pearl Harbor wußten, so wußten auch 2001 Leute vom bevorstehenden Angriff muslimischer Terroristen auf das World Trade Center, zumindest der saubere Jude Larry Silverstein - der das WTC kurz vor dem Anschlag erworben hatte, denn er versicherte es nicht nur kurzfristig gegen Terroranschläge - was völlig unüblich und vor allem fast unbezahlbar war, d.h. es rentierte sich für den Versicherungsnehmer nur, wenn er so gut wie sicher wußte, daß ein solcher Anschlag unmittelbar bevorstand -, sondern er ließ auch noch zusätzlich Sprengladungen im Keller anbringen, damit die Türme nach den Flugzeugeinschlägen auch wirklich zusammen krachten (was sonst äußerst fraglich gewesen wäre, denn die Architekten hatten sie so konstruiert, daß ein solcher Flugzeugeinschlag - der ja mal versehentlich vorkommen kann - allein nicht viel mehr als ein paar Blech- und Glasschäden im direkt betroffenen Stockwerk hätte anrichten können). Aber ein solcher Versicherungsbetrug zählt nicht zu den Verbrechen der Kategorie, die Dikigoros hier aufzählen will: Ein paar tausend Tote - so viele kommen auch alljährlich im Straßenverkehr um, ohne daß man darob die Autohersteller zu "Verbrechern" erklären würde. Millionen Menschen rauchen und saufen sich alljährlich zu Tode, ohne daß man die Zigaretten- und Alkohol-Produzenten darob zu "Verbrechern" erklären würde. [Nein, auch Dikigoros - wiewohl militanter Anti-Raucher und Nicht-Trinker - würde nicht so weit gehen; denn in Wahrheit sind die Raucher und Säufer, die sich so gerne als "Opfer" aufspielen, strafrechtlich gesehen Mittäter, und zivilrechtlich gesehen tragen sie ein überwiegendes Mitverschulden. (Dennoch würde Dikigoros nicht in Trauer ausbrechen, wenn ein paar wild gewordene Laienrichter in den USA die großen Zigaretten-Konzerne durch überzogene Urteile zu "punitive damages" verurteilen würden, die ihnen wirtschaftlich das Genick brechen :-)] Andere gehen noch weiter und meinen, die US-Regierung hätte ebenfalls im voraus Bescheid gewußt und nichts unternommen, da sie - so wie seinerzeit Roosevelt Stimmung für den Krieg gegen Japan machen wollte - Stimmung für den Krieg gegen Afģānistān machen wollte, wo die bösen Tāliben den Schlafmohnanbau unterbunden hatten, mit dessen Produkten - Opium und Heroin - sich weit mehr verdienen ließ als mit Tabak- und Alkohol-Steuern, nämlich ca. 300 Milliarden US-$ pro Jahr, von denen angeblich ein beträchtlicher Anteil in die Taschen der Regierenden floß. Aber auch darauf will Dikigoros hier nicht hinaus. (Er schreibt darüber - und über die glorreiche Wiederaufbauhilfe für die Mohnfelder am Hindukusch - an anderer Stelle, ganz am Ende.) Worauf dann?

Wenn Ihr Juristen seid, liebe Leser, dann wißt Ihr, daß Verbrechen auch durch Unterlassen begangen werden können, und wenn Ihr die einzelnen Abschnitte dieser "Reise durch die Vergangenheit" wachen Blicks gelesen habt, dann ist Euch sicher schon aufgefallen, daß die meisten der hier aufgezählten September-Verbrechen in diese Kategorie fallen: Aleksandr Newskij wurde nicht dadurch zum Verbrecher, daß er die Schweden schlug, sondern dadurch, daß er es unterließ, Rußland gegen die Tataren zu verteidigen. Prinz Eugen und John de la Field wurden zu Verbrechern, weil sie es unterließen, die Türken nach der Schlacht bei Zenta zu verfolgen, zu vernichten und den Balkan bis einschließlich Konstantinopel von ihnen zu befreien. Die Alliierten von Malplaquet wurden dadurch zu Verbrechern, daß sie es unterließen, das letzte französische Heer zu vernichten usw. Dikigoros hat nur diese drei Fälle aufgezählt, weil aus ihnen noch etwas anderes deutlich wird, was die Gutmenschen heutzutage so gerne ausblenden: daß ein Verbrechen oftmals nicht darin besteht, einen Krieg zu führen, sondern vielmehr darin, einen Krieg nicht oder nicht mit der notwendigen Konsequenz zu führen. Welche Unterlassung hat die US-Regierenden also im Zusammenhang mit dem 11. September 2001 zu Verbrechern gemacht? Nun, das kann man allgemein und speziell sehen. Wenn sie denn mit einem Krieg hätte antworten wollen, dann hätte sie den konsequenter Weise gegen die Urheberländer der Terroristen führen müssen, wo diese mit dem materiellen und geistigen Rüstzeug ausgestattet wurden - und das waren nicht Afģānistān und der Irāq, sondern Pākistān und Saudi-Arabien. Ob das praktikabel gewesen wäre, mag dahin stehen. (Vielleicht werden es einige von Dikigoros' jüngeren Lesern noch mit erleben, z.B. wenn in Saudi-Arabien die Fundamentalisten die Macht ergreifen und dem Westen den Ölhahn zudrehen; aber sie mögen aus dem wahrscheinlichen Scheitern solcher Kriege keine falschen Schlüsse ziehen, denn im Jahre 2001 wären sie vielleicht noch zu gewinnen gewesen.) Doch solche Kriege gegen einzelne Staaten können ohnehin keine echte Lösung sein für das generelle Problem, das dahinter steckt, nämlich die zunehmende Gefahr, daß die ganze Welt sich vom Islām erst terrorisieren und dann vollständig unterwerfen läßt. Dieser Gefahr kann man nicht dadurch entgehen, daß man einen Krypto-Muslim zum US-Präsidenten wählt, dem vor allem daran liegt, ein "gut-nachbarschaftliches" Verhältnis zu der grünen Pest zu pflegen und auch alle VasallenVerbündeten der USA zu einem ähnlichen Verhalten zwingt.

Aber bis der an die Macht kam, hatte eine andere US-Regierung geschlagene 7 Jahre Zeit, etwas in dieser Richtung zu unternehmen, mit militärischen und geistigen Waffen - wobei sie im eigenen Lande beginnen und auch ihre Verbündeten hätte ermuntern müssen, ein gleiches zu tun (zumal die nicht-muslimische Bevölkerung in allen Ländern der Welt mehrheitlich dafür ist)! Statt dessen wurde und wird von unzurechnungsfähigen Polit-Verbrechern wertvolle Zeit verschenkt, um Krieg gegen das einzige Land der arabischen Welt zu führen, in dem kein islamisches Regime an der Macht war und das garantiert keine Verbindung zu den Kamikaze-Fliegern vom 11. September 2001 hatte. Und Zeit ist das letzte, was die noch-nicht-islamische Welt in diesem Kampf hat; denn die Zeitbombe tickt, und sie tickt nicht zuletzt, weil es in dieser Rest-Welt nicht nur Unterlassungs-Verbrecher, sondern auch und vor allem Unterlassungs-Verbrecherinnen gibt, nämlich Frauen, die keine Kinder mehr wollen, denn die kosten ja Zeit und Geld und stehen der anderweitigen "Selbstverwirklichung" - z.B. als "Bomberin der Nation" - im Wege.

[Die Zeitbombe tickt] [Selbstverwirklichung nicht-muslimischer Frauen]

Just am 11. September 2010 lief die Meldung durch die BRDDR-Medien, daß die Geburtenrate im bevölkerungsreichsten Bundesland auf den niedrigsten Stand seit Beginn der diesbezüglichen Aufzeichnungen gefallen sei: nur noch 145.000 Geburten, bei 205.000 Sterbefällen - wobei in den meist gekürzten Berichten der heikelste Punkt verschwiegen wurde, nämlich daß von den Geburten fast zwei Drittel auf das Konto von Ausländerinnen"Frauen mit Migrations-Hintergrund" gingen, und davon wiederum weit über zwei Drittel auf solche islamischen Glaubens, während die Sterbefälle fast ausschließlich Deutsche betrafen - zumindest die mit einer natürlichen Todesursache, d.h. solche, die nicht auf Verkehrs-Unfälle, Mafia-Morde o.ä. zurück gingen. Aber das alles hat nun nichts mehr mit dem Datum "11. September" zu tun; deshalb schreibt Dikigoros darüber an anderer Stelle mehr und schließt einstweilen die Akte dieser Reise durch die Vergangenheit; aber wenn noch jemandem etwas einfällt, das man hier nachtragen könnte, dann freut er sich über jede Zuschrift.


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